Gitarre und Musiklehre, U. Meyer

Weitere Funktionen: entfernte Verwandte

Es gibt eine Reihe nicht mehr direkt zur Tonleiter gehörende Dreiklänge, die in komplizierteren Liedern oder Stücken auftauchen, aber trotzdem noch mit der Funktionstehorie beschrieben werden können.

Wenn das Stück moduliert, d.h. vorübergehend in eine andere Tonart ausweicht, wird der Weg dahin gerne mit einer Zwischendominante vorbereitet. Man erkennt sie in der Analyse daran, dass sie eingeklammert und mit einem Bogen mit dem Klang verbunden ist, auf den sie sich bezieht. In C-Dur taucht plötzlich die Note "fis" auf, die ja zu G-Dur gehört, und ihr wird als Harmonie der D-Dur-Dreiklang zugeordnet. Ein Molldreiklang auf d ist in C-Dur ja als Subdominantparallele bekannt; der D-Dur-Akkord heißt "Doppeldominante" (es handelt sich um die Dominante der Dominante). Wegen des Bezuges zur Subdominantparallele wird er auch manchmal "Wechseldominante" genannt. Allzu überrascht sollte man auch nicht sein, wenn statt E-Moll plötzlich E-Dur als Zwischendominante zur Tonikaparallele auftaucht...

Beispiel Harmonisierung

Hier zunächst eine ganz einfache Harmonisierung des Kinderliedes "Der Kuckuck und der Esel". Ich habe nur Tonika, Dominante und Dominantseptakkord verwendet; die eine Subdominante in Takt 9 hätte ich auch weglassen können.

Kuckuck Esel

Beim zweiten Versuch stehen jede Menge Zwischendominanten, Parallelen und sogar die Mollsubdominante. Dafür habe ich die einfache Subdominante mit ihrer Parallele ersetzt. Fast alle Akkorde finden sich eingerahmt in dieser Grafik.

Kuckuck Esel

Erweiterte Verwandschaft

Unten also die etwas "erweiterte Familie" der Dreiklänge, die mit der Tonika C-Dur in freundlichen verwandtschaftlichen Beziehungen stehen:

entfernte Verwandte

Der dritte Akkord, B-Dur, ist in C die doppelte Subdominante. Darauf folgt F-Moll, die Mollsubdominante, zugegeben ein eher seltener Gast, der aber immer als besondere Farbe wahrgenommen wird. Die Doppeldominante D-Dur führt zur Dominante hin - ein häufiges Manöver. Die Zwischendominanten zur Tp und zur Sp schreibt man als "D" in Klammern und einem Bogen zum Bezugsklang.

Beispiel Mozart

Ein weiteres Beispiel sei die Durchführung der sogenannten Sonata facile KV 545 von W.A. Mozart. In blau stehen in den Noten oben die tatsächlichen Akkorde, darunter die Funktionsbezeichnungen. Alle eingeklammerten Zwischendominanten beziehen sich auf den folgenden Akkord.

Die Exposition endet mit einem Takt in G-Dur, deshalb nehme ich zu Beginn der Durchführung noch C-Dur als Tonart an. Dafür steht ganz vorne das "C:".
Ganz am Ende wurde endgültig nach F-Dur moduliert - die Reprise der Sonatenhauptsatzform beginnt ja normalerweise in der Tonart der Subdominante - also steht dort "F:".

Mozart facile

Der Teil beginnt mit einem G-Moll-Akkord, also der Mollvariante (siehe nächster Abschnitt) der Dominante. Unterhalb des Akkordbuchstabens steht dafür ein kleines "d". Unter dem folgenden D7 steht "(D7)".

Die Tonleiterfiguren über A-Dur im letzten Takt der ersten Zeile habe ich als Tonikadurparallele bezeichnet - das ist natürlich auch wieder eine Zwischendominante zum folgenden D-Moll-Lauf.

Die Abfolge der Harmonien in der dritten Zeile würde man in einem Jazzstück als Serien von II-V-I - Folgen betrachten: Auf E-Dur folgt die Harmonie, die eine Quinte tiefer liegt, also A-Moll, darauf analog D-Moll, dann G-Dur, schließlich C-Dur. Lauter Klänge im Abstand einer Quinte.

In der letzten Zeile repräsentiert der zweite Lauf den halbverminderten Septakkord auf der zweiten Stufe von C-Dur, h-d-f-a, den ich als Moll-Zwischendominante zum folgenden E-Dur-Akkord bezeichne, (ja, es ist auch eine Subdominantparallele mit Quinte und Sexte, aber im Sinne der II-V-I - Folge...), darauf folgt dann A-Moll, und der dann folgende Akkord auf D enthält die kleine Sexte, ein b, also bezeichne ich ihn als doppelte Subdominante mit Terz im Bass; dieses b ist auch in der folgenden dominantisierten Tonika enthalten, und damit - Zauberei - hat Herr Mozart die neue Tonart F-Dur erreicht.

Varianten

Wenn in C-Dur plötzlich ein F-Moll-Dreiklang auftaucht, wird er manchmal auch als Subdominantvariante bezeichnet, ebenso ein A-Dur-Dreiklang als Variante der Tonikaparallele - der Begriff Variante meint hier "Wechsel zum anderen Tongeschlecht".
Allerdings wird in einer harmonischen Analyse mit "DP" (Dominantdurparallele) nicht besonders viel ausgesagt, wenn die Funktion des Klanges die der Zwischendominate zu Tonikaparallele ist. "DP" ist zwar als Name richtig, aber die eigentliche Funktion geht daraus nicht hervor.

Unten ein Notenbeispiel mit der Gesellschaft der Varianten. Ich habe es unterlassen, die DP auch als TG zu bezeichnen, gleiches gilt für die TP.

weitere Verwandte

Alle diese Dinge kommen in etwas abwechslungsreicherer Musik vor, und man sollte sie kennen, dann kommt man beim Heraussuchen einer Begleitung eher auf solche Tricks! Eines meiner Lieblingsbeispiele für ungewöhnliche Akkordauswahl / schwierige Tonartbestimmung ist ein Song von Cat Stevens.

Es folgt eine Trainingsaufgabe mit möglichst vielen verschiedenen Akkorden, unsystematisch durch die Tonarten.

Aufgabe

Nenne diese Funktionen als Akkordbuchstaben und Töne. Zeige mit der Maus auf die Frage, um die Antwort zu sehen.
Großbuchstaben bedeuten Dur- kleine Buchstaben Mollakkorde. Bei Sg in D wird also nach dem Gegenklang (ein Mollakkord) der Subdominante in D-Dur gesucht.

Achtung: die Aufgaben sind nicht alle harmlos: wenn in Dur nach einem sG gesucht wird, ist das schon etwas weiter weg, weil die Mollsubdominante schon ungewöhnlich ist!

  • Sg in D
  • Dp in As
  • S in Fis
  • t in B
  • s in H
  • DD in Des
  •  
  • tP in g
  • S in fis
  • d in b
  • tG in cis
  • dG in h
  • Dp in es
  • sG in cis
  • T in g
  • dP in fis
  • ss in c
  • Tp in h
  • sP in f
  •  
  • d in G
  • SP in A
  • Tp in As
  • DD in E
  • Dg in B
  • D in Fis
  • Sp in Es
  • Tg in E
  • sP in c
  • TP in Es
  • sP in H
  • SS in B
  •  
  • s in f
  • D in cis
  • Sp in h
  • DD in es
  • Dp in a
  • sG in c
  • sP in d
  • Sp in fis
  • tG in as
  • dP in h
  • sp in cis
  • TP in f
  •  
  • sG in A
  • DP in B
  • dP in G
  • Dg in E
  • Sg in Es
  • Dp in Fis
  • SS in Des
  • dP in E
  • sP in As
  • tP in G
  • SP in A
  • sG in F
  •  
  • DD in h
  • dG in b
  • Tp in cis
  • Dp in c
  • ss in h
  • tP in es
  • tP in as
  • S in gis
  • dG in F
  • Sp in c
  • DP in e
  • tG in b
  •  
  • Tg in A
  • DP in c
  • TP in Es
  • Sp in Des
  • tP in H
  • Tp in E

Bevor ich versuchen möchte, zum Einfachen und Wesentlichen zurück zu kehren, möchte ich kurz den Begriff Mediante streifen.

Medianten

Der Begriff Mediante, oder genauer seine Anwendung gefällt mir nicht so richtig, weil die Verwandschaft, die mit ihm begründet wird, mir manchmal fragwürdig erscheint.

Mit Mediante bezeichnet man terzverwandte Akkorde. Das heißt: wenn die Grundtöne zweier Dreiklänge eine Terz auseinander liegen, haben wir eine Mediante vor uns. "Medius" heißt auf Latein "der Mittlere" - da die Terz der mittlere Ton eines Dreiklanges ist, ist der Name davon abgeleitet.

Genau, das hatten wir gerade schon: Die Grundtöne der Paralle und des Gegenklangs von C-Dur, A-Moll und E-Moll, liegen beide eine Terz vom Tonika-Grundton entfernt. Man kann sie also unter dem Begriff Mediante zusammenfassen. Da sie zwei Töne mit dem Bezugsklang gemeinsam haben, nennt man sie auch "Medianten ersten Grades" .
Allerdings gibt es zwischen beiden einen Unterschied: A-Moll ist mit C-Dur "kleinterzverwandt", E-Moll hingegen "großterzverwandt". Dies bitte speichern!

Kleinterzverwandt mit C-Dur sind aber auch Es-Dur und Es-Moll, wobei Es-Dur nur noch einen Ton mit C-Dur gemeinsam hat (das g), Es-Moll aber gar keinen. Deshalb ist Es-Dur eine "Mediante 2. Grades", Es-Moll aber eine 3. Grades.
Also bedeutet die Aussage, A-Moll, Es-Dur und Es-Moll seien "kleinterzverwandt" mit C-Dur... weiter gar nichts. Der erste Akkord ist sehr nah dran an C-Dur, der zweite immerhin die Parallele der Variante, der dritte denkbar fern.

Und bitte sehr: was für eine Verwandschaft ist das denn: keine gemeinsamen Töne! Nicht nur das: tonartlich ist Es-Moll als Parallele von Ges-Dur im Quintenzirkel sechs Quinten entfernt, oder auch genau gegenüber, oder auch "so weit weg wie möglich"! Welche Verwandschaft wird da beschrieben?

Für mich hat der Begriff innerhalb der Funktionstheorie bestenfalls beschreibenden Charakter, wenn man zum Beispiel sagt, Es-Moll sei eine Mediante zu C-Dur. Das ist nicht falsch, sagt aber auch nicht wirklich etwas darüber aus, wie man nun von C-Dur nach Es-Moll gekommen ist, und was sie mit einander zu tun haben.
Im schlechteren Fall verschleiert der Begriff, denn E-Moll ist zwar eine Mediante zu C-Dur, die Bezeichnung "Gegenklang" oder "Dominantparallele" ist aber genauer. Wenn jemand auf die Frage "Welche Funktion hat der A-Dur-Dreiklang in der Tonart C-Dur?" mit "Er ist eine Mediante." antwortet, hat er eigentlich noch nichts von Belang gesagt. "Variante der Tonikaparallele", "Tonikadurparallele" oder "Möglicherweise eine Zwischendominante zur Subdominantparallele / Doppeldominante" - das wären Antworten, die einen Gehalt haben, den man überprüfen kann.

Also drücke ich mich davor, die gesammelten Es-Moll, E-Dur, As-Moll usw. nach klein- oder großterzverwand und ersten, zweiten oder dritten Grades zu klassifizieren. Es-Moll ist in C-Dur die Mollparallele der Molltonika oder auch "tp", wenn sie denn wirklich nur ein plötzlicher Knalleffekt, und nicht in einer Modulation eigentlich etwas ganz anderes ist.
Und ein Gegenklang ist für mich ein Gegenklang, und keine Mediante... Trotzdem folgt unten ein Notenbeispiel mit der Molltonikamollparallele und ihren Freunden. Achtung: bei Es-Dur und As-Dur gelten noch Versetzungszeichen vom vorigen Klang.

und die Medianten

Quintenzirkel vertikal

Quintenzirkel vertikal

Links siehst du den Quintenzirkel in vertikaler Form. (Eine Idee, die ich bei dem Theorielehrer an der HKM Bremen, Prof. H. J. Feilke kennen lernte.)

Suche das "C" in der Mitte. Darunter siehst du ein kleines "a", also die Tp, darunter wiederum "F", die Subdominante. Über dem "C" steht "e", die Dp, und darüber die Dominante "G".

Wenn du "C" und die beiden Akkordbuchstaben darüber liest, hast du die Töne des C-Dur-Dreiklangs: C - e - G. Bei "c", dem Symbol für C-Moll, findest du "c - Es - g", die Töne dieses Dreiklangs. Das klappt überall!

Die wichtigsten Akkorde

Quintenzirkel erweitert

Hier sind im Quintenzirkel die Akkorde eingerahmt, die in C-Dur am wichtigsten sind. Die eingeklammerten Buchstaben stellen die Akkorde dar, die gerne als Zwischendominanten ins Spiel kommen.

Einen solchen Rahmen kannst du dir um jedes tonale Zentrum denken, und schon weißt du, welche Akkorde zur Begleitung eines Stückes wahrscheinlich Verwendung finden.

Die Parallelen stehen sich am Kreisrand gegenüber. Den Gegenklang eines Durakkordes findest du eine Stelle nach rechts innen, zum Beispiel C-Dur und E-Moll; den Gegenklang eines Mollakkordes eine Stelle nach links und außen (Beispiel: A-Moll und F-Dur).

In Klammern stehen die Doppeldominante D-Dur, die Tonikadurparallele A-Dur als Zwischendominante zur Subdominantparallele D-Moll oder zur Doppeldominante D-Dur, und die Dominantdurparallele E-Dur als Zwischendominante zur Tonikaparallele A-Moll.

Dur - Quintenzirkel Quintenzirkel Dur & Moll Quintenreihe

Übung zu den Funktionsbezeichnungen

Übung:

Schreibe unter die folgenden Dreiklänge die Funktionsbezeichnungen und die tatsächlichen Akkorde! Hier tauchen auch entferntere Verwandte auf. Jede Aufgabe enthält zwei Takte in zwei Tonarten.

Aufgabe Funktionen
Lösung 06a Akkorde
Aufgabe Funktionen 2
Lösung 06b Akkorde
Aufgabe Funktionen 3
Lösung 06c Akkorde