Gitarre und Musiklehre, U. Meyer

Enharmonische Modulation

enharmonische Modulation

"Enharmonische Modulation" bedeutet nicht, dass man in einer Akkordfolge zum Beispiel einen Fis-Dur-Akkord enharmonisch verwechselt in Ges-Dur und dann in dieser Tonart weiterschreibt. Der Begriff meint, dass man in einem Klang eine Note enharmonisch umdeutet, wodurch sich eine neue Leittonfunktion ergibt, die eine Modulation einleitet.

Man nutzt dafür besonders gerne sogenannte "symmetrische Akkorde", Akkorde, die aus lauter gleichen Intervallen bestehen, wie den verminderten Septakkord oder den übermäßigen Dreiklang.
Diese Art der Modulation braucht wieder sehr genaue Kenntnis und Vorstellung.

In der Grafik rechts ist angedeutet, dass man mit dem verminderten Septakkord gis-h-d-f, dem D7♭9 ohne Grundton von A-Moll mindestens nach C-Moll, Fis-Moll und Es-Moll modulieren kann.
Die Modulationen in die gleichnamigen Durtonarten sind möglich, aber da der verminderte Septakkord leitereigen in der harmonischen Molltonleiter steht, sind sie etwas "gewollter".

Enharmonische Modulation mit dem verminderten Septakkord

A-Moll-Kadenz mit D7b9

Der verminderte Septakkord besteht aus lauter kleinen Terzen und entsteht von Hause aus in der harmonischen Molltonleiter auf der erhöhten siebten Stufe. Er ist ein Dominantseptnonakkord ohne Grundton mit kleiner None. Man kann als Grundton eine große Terz unter jedem seiner vier Töne annehmen, also kann man ihn in vier verschiedene Zielklänge auflösen; wenn man die Durvarianten dazunimmt sogar in acht.

Rechts ein Beispiel einer einfachen Kadenz in A-Moll in Oktavlage: nach der Subdominante mit sixte ajoutée folgt der Dominantseptnonakkord mit kleiner None ohne Grundton, hier mit Quinte im Bass, und der löst sich in die Tonika auf.
Dabei entstehen übrigens Quintparallelen zwischen Alt und Bass - "Vermindert - rein... das lass sein!"

Von A-Moll nach C-Moll

Möchte man modulieren, werden einer oder mehrere der Töne des verminderten Septakkordes enharmonisch umgedeutet. In der ersten Beispielserie "von A-Moll nach C-Moll" betrifft dies die Terz gis, die als as umgedeutet wird.

Beispiel 49: Von A-Moll nach C-Moll, enharmonisch, Oktavlage.
Von A-Moll nach C-Moll, enharmonisch, Oktavlage

Nach der s56 lasse ich den Basston d liegen, ebenso die Mittelstimmen h und f, nur der Diskant geht vom a zum gis, das zum as umgedeutet wird (In Viertelnoten mit Haltebogen geschrieben).
Damit ist das d im Bass nicht mehr die Septime der Dominante ohne Grundton zu A-Moll, E7♭9, sondern die Quinte der Dominante ohne Grundton zu C-Moll, G7♭9. In der Oberstimme liegt das as, die kleine None, der Leitton h findet sich im Tenor.
Um Quintparallelen zwischen den Außenstimmen zu vermeiden ("... vermindert - rein: das lass sein!") führe ich den Bass zunächst in die Terz der Tonika, um dann mit s56 und Dominante mit Quartvorhalt abzuschließen. Die sixte ajoutée "muss" kommen, um Oktavparallelen aus dem Weg zu gehen.

Beispiel 50: Von A-Moll nach C-Moll, enharmonisch, Terzlage.
Von A-Moll nach C-Moll, enharmonisch, Terzlage

Die in Terz- und Quintlage beginnenden Beispiele sind ansonsten genauso gemacht wie das in Oktavlage. Die Quintparallelen wären zwar nicht so exponiert wie dort, trotzdem habe ich den ersten C-Moll-Akkord mit Terz im Bass gesetzt.

Beispiel 51: Von A-Moll nach C-Moll, enharmonisch, Quintlage.
Von A-Moll nach C-Moll, enharmonisch, Quintlage

Beispiele als PDF für Klavier und Gitarre.

Von A-Moll nach Es-Moll

Möchte ich von A-Moll nach Es-Moll modulieren, muss ich meinen Akkord folgendermaßen umdeuten: aus gis-h-d-f wird as-ces-d-f, oder, um den D7♭9 komplett zu zeigen: aus E-gis-h-d-f wird B-d-f-as-ces. Im Beispiel liegt zunächst die Septime im Bass, die in die Terz der neuen Dominante umgedeutet wird.

Beispiel 52: Von A-Moll nach Es-Moll, enharmonisch, Oktavlage.
Von A-Moll nach Es-Moll, enharmonisch, Oktavlage
Beispiel 53: Von A-Moll nach Es-Moll, enharmonisch, Terzlage.
Von A-Moll nach Es-Moll, enharmonisch, Terzlage

In der Terzlage führe ich die Quinte f der Dominante aufwärts in die Terz der neuen Tonika, um Quintparallelen zu vermeiden.

Beispiel 54: Von A-Moll nach Es-Moll, enharmonisch, Quintlage.
Von A-Moll nach Es-Moll, enharmonisch, Quintlage

Beispiele als PDF für Klavier und Gitarre.

Von A-Moll nach Fis-Moll

Um nach Fis-Moll zu gelangen deute ich die Dominante E-gis-h-d-f zu Cis-eis-gis-h-d um. Im umgedeuteten Akkord liegt die kleine None im Bass. Sie wird natürlich in die Quinte der neuen Dominante geführt. Ich habe in den folgenden Beispielen diesen Zielklang als Dominantquartsextvorhalt interpretiert, gehe von dort in einen Trugschluss zum Tonikagegenklang und setze dann den üblichen Rest der Kadenz.
Das h, die Septime der Dominante, führe ich nach unten in die Terz von Fis-Moll. Dadurch wird die Terz statt der Quinte verdoppelt. In der Mittelstimme hätte man das h auch zum cis führen können.

Beispiel 55: Von A-Moll nach Fis-Moll, enharmonisch, Oktavlage.
Von A-Moll nach Fis-Moll, enharmonisch, Oktavlage

Im folgenden Beispiel 55b habe ich nach der umgedeuteten Dominante einfach die neue Tonika mit Quinte im Bass angenommen (wieder mit verdoppelter Terz) und gehe von dort über s56 und D4-3 zum Schlussakkord. Das ist sozusagen die Abkürzung von Beispiel 55.

Beispiel 55b: Von A-Moll nach Fis-Moll, enharmonisch, Oktavlage.
Von A-Moll nach Fis-Moll, enharmonisch, Oktavlage2
Beispiel 56: Von A-Moll nach Fis-Moll, enharmonisch, Terzlage.
Von A-Moll nach Fis-Moll, enharmonisch, Terzlage

Die Beispiele 56 und 57 sind einfache Umkehrungen der Version in der Oktavlage. Ich hoffe, ich habe alle Verdoppelungen richtig gesetzt - im Klaviersatz sieht man die Stimmführung nicht so deutlich wie in der weiten Lage, dafür kann man die Sachen besser alleine am Klavier durchspielen als vierstimmig singen.

Beispiel 57: Von A-Moll nach Fis-Moll, enharmonisch, Quintlage.
Von A-Moll nach Fis-Moll, enharmonisch, Quintlage

Beispiele als PDF für Klavier und Gitarre.