Gitarre und Musiklehre, U. Meyer

Takt - für Ordnung und Hierarchie

Der Takt gibt den Zählzeiten einen Wert

Man teilt Musik aus mehreren Gründen in Takte ein. Einmal ist es viel einfacher, die Notenwerte jeweils bis zum nächsten Taktstrich zu zählen, zweitens kann man besser verabreden, in welchem Takt man noch mal beginnen möchte (wenn die Takte am Zeilenanfang nummeriert sind).

Vor allem aber gibt das Taktgefüge den Noten eine inhaltliche Wertigkeit. Takte haben Schwerpunkte, dadurch werden Noten unterschiedlich betont, und wenn durch entsprechende Zeichen verlangt wird, dass eine eigentlich schwächere Note doch betont werden soll, ist das etwas Besonderes.

Schreibweise

Die Taktvorzeichnung ist ein Bruch: der Zähler (obere Ziffer) gibt an, wie viele Notenwerte des Nenners in einen Takt gehören, und der Nenner (unten) sagt, was die Zähl- oder Schlageinheit ist.

Zählzeit

Im 4/4 Takt ist also die Viertelnote die Schlageinheit. Die erste "Zählzeit" oder kurz "die Eins" hat immer die Hauptbetonung. Die Drei ist weniger gewichtet, die Zwei und Vier sind am unbetontesten.
In populärer Musik, also Rock, Jazz, allgemein Popmusik schlägt der Schlagzeuger die Snaredrum, die ziemlich laut ist, auf Zwei und Vier und erzeugt mit diesen Akzenten eine Gegenspannung zum eigentlichen Taktgefüge.

Im 6/8 Takt ist die Zähleinheit die Achtel (also hat die Viertel zwei Schläge!) und die Betonungen liegen auf Eins und Vier.
Ein 3/4 Takt ist rein rechnerisch genau so lang wie ein 6/8 Takt, hat aber durch die Betonung auf der Eins und den unbetonten Zählzeiten Zwei und Drei ein völlig anderes "Innenleben".

Schwerpunkte

Exotischere Taktarten, die wieder andere Betonungen haben, gibt es nicht nur in moderner Musik, sondern durchaus in der Volksmusik besonders Osteuropas. Wer schon Stücke aus Béla Bartóks "Mikrokosmos" gespielt hat, kennt sich mit 5/8 und 7/8 Takten aus...

Die Note, die ein Schlag ist

Der Begriff "Einschlagnote", der von vielen Leuten als Synonym für die Zähl- oder Schlageinheit benutzt wird, ist keine eindeutige Sache. Es gibt nicht EINE "Einschlagnote", denn im 4/4 - Takt wäre das eine Viertel, im 6/8 - Takt aber die Achtelnote, und im 2/2 - Takt selbstverständlich die Halbe! Viele Menschen meinen aber mit "Einschlagnote" generell die Viertel.

Hier wird deutlich, dass die "unteren" die "oberen" Ebenen von Rhythmus beeinflussen UND umgekehrt! Eine Viertel bleibt zwar immer eine Viertel, aber sie nimmt je nach Taktart völlig verschiedene Wertigkeiten an! Sie kann einen Schlag repräsentieren, einen halben, oder zwei Schläge enthalten!

Vorzählen

Wie fängt man ein Stück an, wenn man nicht alleine spielt? Man "zählt vor", das heißt man zählt einen Takt, oder zwei, oder einen und bis zum Auftakt, damit die Mitmusiker wissen, welche Taktart vorliegt und welches Tempo man gerne hätte.

Vorzählen

"Au clair de la lune" steht im Viervierteltakt und beginnt auf der "Eins"; man zählt also "1-2-3-4" vor. Die rote "1" wird nicht mehr gezählt!
"Der Mond ist aufgegangen" beginnt auftaktig, also zählt man "1-2-3". Bei "4" geht es los.
"Kaperfahrt" ist wieder ein volltaktiges Lied - hier zählt man sechs Achtel vor!
Da "Es klappert die Mühle" eine Achtel Auftakt hat, zählt man hier bis "5".

Ein Dirigent "gibt" das Tempo durch Gesten, Bewegungen des Taktstockes an, der Schlagzeuger einer Rockband hebt die Stöcker über den Kopf und schlägt sie im Vierteltempo gegeneinander, während in einer Jazzband gerne jemand "one - two - one - two - three - four" sagt (damit sind die Eins und die Drei des ersten und die vier Schläge des zweiten Taktes gemeint) und dabei "auf zwei und vier" mit den Fingern schnipst.

In kleineren klassischen Ensembles verständigt man sich gerne durch einen Einatmer, leichtes Kopfnicken oder eine Bewegung mit dem Bogen, der Anschlagshand, oder der Flöte - das sollte man üben! Man denkt "eins - zwei - drei", und bei vier holt man Luft oder nickt. Je weniger wahrnehmbar für die Zuhörer, desto eleganter, aber für die Mitmusiker sollte das Signal weder zögerlich noch ungenau kommen!

Falls man tatsächlich einen ganzen Takt (oder einen Takt plus bis zum Auftakt, oder 2 Takte wie Jazzmusiker) vorzählt, muss man dies durchaus rhythmisch genau machen! Man darf nicht langsamer werden, oder die Satzmelodie eines unsicheren Fragesatzes anwenden...

Auftakt

Viele Musikstücke beginnen mit einem Auftakt: der erste Takt ist unvollständig, die erste Betonung liegt nicht beim ersten Ton.
Achtung: man zählt die Takte ab dem Takt nach dem Auftakt, der scheinbare (zu kurze) "erste Takt" ist nicht der 1. Takt! Im Beispiel unten sieht man: die Taktzählung - ich habe das Programm so eingestellt, dass es jeden zweiten Takt in eckigen Kästchen angibt - beginnt nicht beim Auftakt.

Bei einem auftaktigen Stück sollte am Ende immer ebenfalls ein zu kurzer Takt stehen, der mit dem Auftakt zusammen rechnerisch einen Volltakt ergibt.

Taktzählung bei Auftakt

"Kommt ein Vogel geflogen" beginnt mit zwei Achteln Auftakt. Der letzte Takt besteht aus einer halben Note mit den Zählzeiten Eins und Zwei. Die fehlende Drei steht über dem Auftakt - wenn man eine Wiederholung oder die zweite Strophe spielt, ist das musikalisch auch völlig logisch.

Da die Auftaktnoten hier ja "die Drei" umfassen, muss man beim Vorzählen nur "1-2" oder, wenn man einen vollen Takt und bis zum Auftakt vorzählen möchte, "1-2-3-1-2" sagen.

Auftakt im Maerzen

Grafische Aufteilung

Dass ich bei "Im Märzen der Bauer" die zweite Zeile mit einer einzelnen Viertel begonnen habe, ist reine Willkür. Ich hätte diesen Auftakt zum B-Teil genauso ans Ende der ersten Zeile setzen können, wie ich es am Ende der zweiten Zeile gemacht habe. Man muss sich bei auftaktigen Stücken entscheiden, welche Schreibweise die Struktur des Stückes am ordentlichsten wiedergibt.

Bei "Oh, when the saints" ist der Auftakt mit drei Vierteln länger als ein halber 4/4 - Takt - ungewöhnlich, aber eben nicht unmöglich! Hier ist es sinnvoll, "eins - zwei - drei - vier - eins" vorzuzählen:

the saints vorzählen

Ungewöhnliche Taktarten

Die gängigen Taktarten 4/4, 3/4, 6/8 und 2/4 Takt sind den meisten Lernenden recht bald vertraut, aber es gibt auch Taktarten, mit denen man die Leute erstmal erschrecken kann, obwohl sie nichts mit neuer Musik oder Rhythmen vom Balkan zu tun haben.

Große Notenwerte

Selbst in modernen Ausgaben sehen die folgenden Zeilen für viele Leute erst mal gewöhnungsbedürftig aus:

Händel, Adagio

Das Adagio aus der G-Moll-Sonate von Händel, HWV 360, steht im Dreihalbe-Takt. "Was soll man da denn zählen? Das ist doch bestimmt total langsam?!"

Auf diese Fragen gibt es zwei einfache Antworten: "Man zählt Halbe", und "Nö, nicht unbedingt!"
In der Mp3-Datei habe ich eine Tom eingefügt, die in den ersten fünf Takten Halbe schlägt, und dann Viertel ("1 und 2 und 3 und") in den Takten mit vielen Viertelnoten, also ab Takt sechs.

Händel, Adagio 2

Die Melodiestimme - ab Takt 6 schlägt die Tom auch auf "und".

Auch ein Stück im 3/2-Takt sollte nicht auf der Stelle stehen, sondern irgendwie im Fluss bleiben. Kein Künstler möchte, dass sein Publikum einschläft! Und in vielen dieser rätselhaften, manchmal wie ein Gerüst eines Stückes wirkenden Sätze ist es nötig, die Melodiestimme mit Verzierungen auszuschmücken. Wer ein Beispiel dafür sucht - Telemann hat in seinen "Methodischen Sonaten" in den langsamen Sätzen die Oberstimme zweimal abgedruckt: einmal, wie er es normalerweise schreiben würde, und dann so, wie der zeitgenössische Musiker das Stück improvisierend live gespielt hätte. In der PDF-Datei steht die ausgezierte Stimme zwischen Oberstimme und Bass.

Falls sich jemand wundert, wo denn in dem Amsterdamer Originaldruck der Händel-Sonaten die "rechte Hand für das Klavier" ist - es gibt sie wirklich nicht! Die Ausführung und Besetzung des Generalbass war den Musikern überlassen. Cembalo, Orgel, Laute, Violoncello oder Fagott sind die möglichen Instrumente für die Basslinie, vor allem aber was aus der Bezifferung gemacht wird, ist Sache der Ausführenden. Die Begleitung wird nicht ausgeschrieben.

Das komische Gekritzel am Ende der Zeilen im Beispiel ist der "Custos" (lateinisch "Wächter"), der anzeigt, mit welchem Ton die nächste Zeile beginnen wird.

Frühbarocker Notendruck

Beim folgenden Notenbeispiel kann man sich mal richtig gruseln: so sieht Notendruck anno 1641 aus. Vier Zeilen aus der zweiten Partiturseite der Sonata Prima à Violino Solo von G. B. Fontana.

In der zweiten Zeile gibt es einen Taktwechsel mit einer doppelten Vorzeichnung: erst kommt das "Alla Breve"-Zeichen (der durchgestrichene Halbkreis), und darauf folgt "3/2-Takt". Erstaunlich ist, dass die folgenden Takte allesamt drei oder sechs Ganze enthalten. Fehlt im zweiten Takt ein Taktstrich? Oder ist das die Bedeutung der doppelten Taktvorzeichnung "3/2 alla Breve"?
Wenn man die letzte Note vor dem Taktwechsel in zwei Schlägen zählt, und dann setzt "3 Ganze entsprechen dem bisherigen Schlag" kommt man auf ein hohes Tempo! In Renaissance und Frühbarock bedeuten große Notenwerte nicht unbedingt "jetzt wird's langsam"!

Fontana, Sonate

Beim Taktwechsel zurück zum Alla Breve-Takt in der zweitletzten Zeile kommt man wieder auf ein machbares Tempo, wenn man "1 Takt = 1 Halbe" annimmt. Das rhythmisch sehr krause Motiv des letzten Taktes ist dann entsprechend schnell und wild.

In diesen Noten sehen noch viele andere Dinge komisch aus: die Notenschlüssel sind ganz banale Violin- und Bassschlüssel. Die Pausen muss man sich erschließen - in den ersten beiden Dreiertakten stehen Pausen, die den Wert von drei Ganzen haben müssen, die hängenden Strichlein am Anfang der dritten Zeile müssen so lang wie eine ganze Note sein.

Die Haltebögen sehen ungewohnt eckig aus, alle Noten bis zur Zweiunddreißigstel (letzter Takt) sind einzeln mit Fähnchen versehen und nicht verbalkt, und über der fünften Bassnote in der letzten Zeile steht tatsächlich eine Generalbassziffer! Eine 6! Der Begleiter wird darauf hingewiesen, dass er einen Sextakkord spielen soll! Das ist natürlich bei weitem nicht der einzige Sextakkord, der zu spielen ist - die anderen Ziffern muss man aus der Partitur erschließen.

Triolen oder punktiert?

Es folgen zwei Beispiele aus Bachs Wohltemperiertem Klavier: Das Präludium G-Dur aus dem ersten Band steht im 24/16-Takt. Was ist das?
Schaut man sich die Bassstimme an, sieht man bald: es ist eigentlich ein 4/4-Takt mit einem auftaktigen Achtelmotiv als Grundgerüst, über dem Sechzehnteltriolen laufen. Wäre es wirklich ein 24/16-Takt, müssten doch im Bass lauter punktierte Achtel stehen!

Bach, G-Dur

Tatsächlich steht in der Peters-Ausgabe, die ich besitze im unteren System das C für den 4/4-Takt, während im oberen die 24/16 notiert sind. Daraus folgt immer noch, dass die Sechzehntel des oberen Systems eigentlich Triolen sind, denn ein 4/4-Takt enthält nur 16 normale Sechzehntel; wenn es 24 sind, müssen es Triolen sein.

Bach, B-Dur

Der 12/16-Takt des Präludiums in B-Dur aus dem zweiten Band oben ist genauer notiert: im dritten Takt stehen tatsächlich punktierte Achtel den Gruppen von drei Sechzehnteln gegenüber.

Das soll keineswegs heißen, das G-Dur-Präludium sei falsch notiert: man ist damals damit so umgegangen. Ein sehr bekanntes Beispiel ist der erste Satz der Sonate IV aus dem Opus 1 von Händel unten: Achtel punktiert und Sechzehntel stehen mit Triolenachteln munter durcheinander, und beide Notationsweisen stehen sich auch gegenüber (zweite Zeile in Takt 4, 7 und 8). Tatsächlich werden die Notenwerte angeglichen, man spielt durchgehend triolisch!

Händel, A-Moll

Um Missverständnissen vorzubeugen: die vorgestellten Beispiele sind nicht etwa absolut selten oder musikgeschichtlich ungewöhnlich (wenn ich mich auch nicht an viele 12/16-Takte erinnern kann). Nur würde heute wohl niemand eine Pop-Ballade im 4/2 Takt notieren, oder einen schnellen Blues im 24/16-Takt.

Taktwechsel

Selbstverständlich passiert es auch, dass innerhalb eines Stückes der Takt wechselt, oder dass man ein Stück vor sich hat, bei dem ständig Taktwechsel da stehen. Je nach Lage kann das schwierig zu lernen sein, weil man als Ausführender erst mal nachempfinden muss, warum der Komponist das so gemacht hat - ist es organisch? Wirkt es gewollt?
Oder man hat spontan das Gefühl, dass das so sein muss, dass der Rhythmus anders nicht zu vermitteln wäre.

In osteuropäischer Folklore ist so etwas häufig, aber es gibt auch im Alpenraum sogenannte "Zwiefache", die von ständigen Wechseln zwischen geradem und ungeradem Takt geprägt sind.

Zwiefacher