Wiederholungszeichen
Wiederholungszeichen kennt jeder, sie sind einfach zu bedienen. Komplex wird
das Thema "Zeichen zum Darstellen des Ablaufs eines Stückes" erst, wenn Da capo oder
Voltenklammern dazu kommen.
1. Keine Wiederholung
Hier wird nichts wiederholt. Der doppelte dünne Taktstrich zwischen Takt 2 und 3 zeigt
vielleicht einen Formabschnitt an; der dünn und dicke Doppelstrich am Ende sind gemeinsam der
Schlussstrich.
2. Einfache Wiederholung
Am Ende dieser Zeile steht das
Wiederholungszeichen, das aussieht wie ein Schlussstrich mit zwei
Punkten davor, die nach links zeigen. Wenn vor diesem Zeichen nichts Derartiges steht, wird
ab dem Anfang wiederholt. Ganz vorne braucht man kein Wiederholungszeichen.
3. Wiederholung mit Gegenzeichen
Takt 1 bis 2 werden einfach gespielt, Takt 3 bis 4, die Takte zwischen den
"sich anschauenden" Doppelpunkten werden wiederholt.
4. Einfache Wiederholung, zweiter Teil mit Wiederholung, Schluss.
Hier werden zunächst die Takte 1 bis 2 wiederholt. Beim zweiten Mal wird die "Wand
Wiederholungszeichen" dann durchlässig, man spielt weiter und wiederholt die Takte 3 bis 4, und
geht beim zweiten Mal wieder weiter, diesmal bis zum Schluss.
Das ist die Regel, Ausnahmen werden erzeugt, indem man über den Beginn einer Wiederholung
etwas wie "3x" oder "play three times" schreibt.
Wiederholungszeichen sind eine eindeutige Sache, man muss in längeren Stücken nur aufpassen, wo
das "Gegenzeichen" steht, damit man die Stelle schnell findet, ab der man wiederholen
soll.
Voltenklammern
Das italienische Wort
"volta" bedeutet "Mal". Die Voltenklammern stehen bei
Wiederholungen für das erste Mal, das zweite Mal etc. Sie werden gesetzt, wenn ein Formteil
eines Stückes zwar wiederholt wird, beim zweiten Mal aber wenige Takte am Ende anders lauten.
Hat ein Teil 32 Takte, die zweimal gespielt werden sollen, wobei die letzten zwei Takte
beim zweiten Mal anders gehen, müsste man eigentlich 64 Takte ausschreiben. Oder man schreibt
über die letzten zwei Takte die erste Voltenklammer mit einem Wiederholungszeichen am Ende, und
schreibt dann die geänderten Takte mit der zweiten Voltenklammer darüber dahinter, und danach
wird dann weiter gespielt oder es ist Schluss - das kommt darauf an!
Beim ersten Mal oder Durchgang spielt man die Noten unter der Klammer 1, beim zweiten Mal lässt
man diese aus, und spielt dafür die Töne unter Klammer 2. Beim Beispiel unten sollte das schon
wegen des Textes einleuchten.
Das Lied "Der Mond ist aufgegangen", ohnehin nur zwölf Takte lang, kann man mit Voltenklammern
optisch noch kürzer machen, aber diese Technik "lohnt" sich natürlich besonders bei
umfangreicheren Werken.
Um zu zeigen, dass es immer viele Möglichkeiten gibt, den Leser und Spieler eines Stückes zu
verwirren steht das Lied unten noch einmal, jetzt aber mit einem kompletten 4/4-Takt unter der
Klammer 1, dem Auftakt mit dem Text "der", und einem Wiederholungs-Gegenzeichen nach der
Auftaktnote vorne.
Was sieht besser aus, was ist übersichtlicher?
Mehrfache Voltenklammern
Voltenklammern können auch in Verbindung mit mehrfachen Wiederholungen auftreten. Im
"Outro" (angehängter Schlussteil eines Stückes, analog zum
"Intro", der Einleitung) von "Boulevard of broken dreams" wird ein
Viertakter dreimal wiederholt, bevor er mit geändertem Schlusstakt beim vierten Mal endet. Das
sähe etwa so aus:
Aus den Ziffern "1 - 3" unter der ersten Klammer geht hervor, dass dieser Teil viermal gespielt
werden muss - dreimal mit der ersten Klammer, und beim letzten Mal mit Klammer 4.
Klammern über mehr als eine Zeile
Das Leben mit Voltenklammern kann ziemlich kompliziert sein! Wenn eine Klammer über mehrere
Zeilen geht, ist es hübsch, wenn der Notensetzer sich die Mühe macht, den Anfang durch eine
rechts offene, und das Ende durch eine links offene Klammer anzudeuten.
Kommt nach der Klammer 2 eine Klammer 3 und gar 4, sollten diese nur so heißen, wenn sie
sich wirklich auf den Anfangspunkt der Klammer 1 beziehen! Gibt es unterwegs ein neues
"Wiederholungs-Gegenzeichen", für die Klammer 3 und 4, also einen neuen Bezugspunkt, sind sie
eigentlich neue Klammern 1 und 2.
So etwas habe ich in einer Bearbeitung von "Fireflies" gesehen - gerade Popsongs sind, was den
Ablauf betrifft teilweise unheimlich kompliziert! Nach der Strophe kommt die Bridge, dann der
Refrain, danach nochmal die Bridge, aber Klammer 2, dann geht es in den Mollteil, da capo...
Jeder, der den Song kennt, weiß Bescheid, aber wenn er verwirrend aufgeschrieben ist, hat man
beim Durchspielen manchmal Schwierigkeiten!
Da capo oder dal segno al fine
"Da capo" heißt "vom Kopf" - für den Italiener beginnt die Sache mit ihrem
Kopf! Die Anweisung wird oft als "D.C." abgekürzt.
Von Anfang...
Wenn man
da capo spielen soll, heißt das also: Das Ganze nochmal von vorn. Dabei
werden in der Regel Wiederholungen weggelassen, es sei denn, der Autor schreibt extra
"con ripetizione", also "mit Wiederholung" (mit "i" am Ende
"Wiederholungen"), oder es handelt sich um ein Vokalstück, dessen Text Wiederholungen nötig
macht. Man kann ja nicht die halbe Geschichte weglassen.
...bis Ende.
"Al fine" bedeutet "bis zum Ende". Das Ende ist da, wo "Ende", also
"fine" steht. Und das steht in der Regel irgendwo
mitten im Stück, nicht am Ende des Stückes, denn dort bräuchte man es nicht
hinzuschreiben.
Die Anweisung "D.C. al fine" wird von Anfängern oft missverstanden. Sie
beginnen wieder beim Wort "fine", aber wenn das gemeint wäre, könnte dort ja ein Wiederholungs -
Gegenzeichen stehen. Das Beispiel oben mit Text sollte den logischen Ablauf illustrieren: Diese
Lied endet nicht mit "Wald und Heide", sondern nach der Wiederholung der ersten Zeile.
Bei diesem Kinderlied lohnt sich die Nutzung von
"D.C. al fine" natürlich wieder nicht. Aber bei vielen Stücken ist man
froh, mehrere Seiten zu sparen und umblättern durch diese Anweisung vermeiden zu können.
Menuet 1 da capo
Es gibt in barocken Suiten immer wieder Satzpaare wie
"Menuet 1 und Menuet 2", wobei Menuet 1 aus zwei Teilen besteht, die jeweils wiederholt
werden, Menuet 2, oft in der Tonart der
Variante ist genauso
aufgebaut, und dann folgt die Anweisung "Menuet 1 da capo". Dabei lässt
man dann wieder die Wiederholungen weg.
Da-Capo-Arie
Eine
"Da-capo-Arie" ist eine barocke Form, bei der auf einen langen A-Teil meist ein
deutlich kürzerer B-Teil folgt (gerne in einer anderen Tonart geschrieben), an dessen Ende
"D.C." steht. Dann hört man den ganzen A-Teil noch einmal, mit Glück mit
tollen freien Verzierungen des Solisten.
Dal segno - vom Zeichen
"D.S." oder "Dal segno" bedeutet "vom Zeichen". Hier ist - in längeren Stücken
mit etlichen Wiederholungen - irgendwo vorne ein komisches Zeichen über den Noten platziert, bei
dem man dann beginnen muss.
Manchmal steht am Ende eines Stückes
"D.S.", und das Zeichen findet sich ganz am Anfang. Auch wenn man sich
fragt, warum der Herausgeber nicht "D.C." geschrieben hat - es
funktioniert ja...
Fermate
Man spielt von vorne bis zur Stelle, unter der "D.S. al fine" steht (hier am Schluss), beginnt
wieder beim komischen Zeichen und endet beim Wort "fine".
In diesem Beispiel habe ich hier über dem Wort
"fine" eine Fermate gesetzt. Die
Fermate bedeutet durchaus nicht nur und immer "hier darfst du so lange
innehalten wie dir gut erscheint", sondern heißt oft schlicht "hier ist der Haltepunkt",
besonders auch in Kanons. "Fermarsi" heißt "anhalten".
Noch ein Zeichen
Dieses Zeichen findet sich manchmal, wenn man zwei Sprungmarken braucht, hoffentlich mit
eindeutigen Anweisungen. Es gibt fast nichts, was es nicht gibt!
Missverständnisse vermeiden
Missverständlich ist, bei der Anweisung
"Da capo..." oder
"Dal segno..."
zusätzlich
Wiederholungszeichen zu setzen, wenn wirklich nur
"da capo" gespielt werden soll.
Ein Wiederholungszeichen an der
Stelle löst die Frage aus "Soll ich den Teil wiederholen und dann
"D.C." spielen? Wo ist das Gegenzeichen?"
Natürlich erscheinen
beide, Wiederholungszeichen und "D.C..." sehr häufig, aber eben nur da, wo ein Teil wiederholt
und danach noch einmal vorne begonnen werden soll. Aber sie dürfen eben nicht
immer beide da stehen.
Solche doppelt gemoppelten Zeichen finde ich häufiger in Gitarrenausgaben, erstens weil ich
keine Noten für Oboe kaufe, und ich fürchte zweitens, weil kleine Verlage, die dankenswerter
Weise neue pädagogische Literatur herausgeben, keine Lektoren haben, die auf solche
Grammatikfehler mit einem Allergieschock reagieren. Es wäre zu wünschen, dass im
E-Mail-Zeitalter und im Zeitalter digitaler Notensetzung Verlage auf Hinweise reagieren. (Dass
die Ausgaben von Moreno-Torroba bei Schott oder Villa-Lobos bei Eschig immer noch die
Druckfehler enthalten, die zu Lebzeiten der Komponisten hätten korrigiert werden können finde
ich wesentlich schlimmer.)
Pavana von Tárrega
Oben Anfang und Ende des Stückes Pavana von F. Tárrega in einer Ausgabe von 1933.
Über dem Schlusstakt steht "D.C. hasta Fin" mit dem Segno, und dieses Zeichen steht vorne über
dem dünnen Doppelstrich nach den vier ersten Achteln. Das sieht plausibel aus. Man beginnt
also dort, nicht vom Anfang.
Allerdings fehlt in dieser Ausgabe das
Wiederholungs-Gegenzeichen sowohl beim ersten wie beim zweiten Teil.
Wieder Pavana von F. Tárrega, meine Abschrift einer Ausgabe aus den Siebzigern
(?). Hier sind alle Wiederholungszeichen vorhanden, aber unter dem Schluss steht "D.C. al
Fine". Wenn man das für bare Münze nimmt, muss man die vier Auftaktachtel zweimal spielen.
Diesen Fehler wird sicher niemand machen!
Es ist nur ein Gitarrenstück, das auf eine Seite passt, allerdings ist es kompliziert aufgebaut:
Der erste Teil hat eine Wiederholung mit zwei verschiedenen Schlüssen, also Klammer 1 und 2,
Unter der Klammer 2 steht Fine. (Sollte das nicht unter Klammer 1
stehen? Wenn man "da capo" spielt, lässt man Wiederholungen doch aus?)
Der zweite Teil wir
ebenso wiederholt, ebenfalls mit Klammer 1 und 2, und dann folgen vier Takte Überleitung nach
denen man "dal segno" spielt.
Al coda
"Coda" heißt auf Italienisch im zoologischen und astronomischen Sinne "der
Schwanz", und damit ist musikalisch der Schlussteil eines Stückes gemeint. Er wird
gekennzeichnet, wenn man "da capo al coda" oder
"dal segno al coda" spielen soll. Dann steht im Verlaufe des Stückes
nach der Anfangssprungmarke ein Zeichen, das aussieht wie ein Kreis mit einem Kreuz, von dem aus
man zum entsprechenden Zeichen gegen Ende des Stückes springt.
Im obigen Beispiel verfährt man so: Man spielt die erste Reihe, beginnt danach beim
Segno, spielt bis zum Coda-Zeichen am Ende von
Takt 3, springt von dort direkt zum entsprechenden Zeichen des
Coda-Beginns und spielt dann schlicht bis zum Ende der zweiten Zeile.
Sprungmarken an die richtige Stelle
Das
"springe von hier nach..." - Zeichen sollte auf alle Fälle
am Ende des Taktes stehen, nach dem man springen muss! Steht es am Beginn der nächsten
Zeile, muss das Auge zweimal suchen: erst die neue Zeile, nur um dann festzustellen, dass man
das Coda-Zeichen hinten suchen muss.
Ich weiß: dass nach dem Ende einer Zeile die nächste
folgt ist banal, aber immerhin muss man die Seitenbreite mit den Augen einmal überqueren, und
allein diese Arbeit hat die Notensetzer verganger Zeiten motiviert, den "Custos" zu setzen, der am Ende einer Zeile aussagt: mit der Note geht es weiter!
Besonders unerfreulich ist, wenn der vordere Coda-Kopf nicht nur in die nächste Zeile, sondern
auf die nächste Seite rutscht. Man blättert... solche Übersichtlichkeiten liegen
teilweise an der Computernutzung: das Zeichen wird an einer Note verankert. Wenn man dann eine
Zeilentrennung vornimmt, und die Note mit dem Coda-Zeichen zur ersten der neuen Zeile wird, hat
man den Salat.
Das Coda-Zeichen wird in komplizierteren Stücken auch schon mal doppelt genutzt, das heißt bei
der zweiten Coda stehen jeweils zwei dieser Zeichen nebeneinander.
Es gibt aber auch völlig undogmatische Lösungen: so stehen in der Zen-On-Ausgabe von
Barrios Mangorés "Vals No. 3" eckig umrandete Buchstaben am Anfang der Teile, und
an einer Stelle findet sich die Anweisung "Repetir de C a D y sigue", zu deutsch
etwa "Wiederhole von C bis D, und es folgt" - ja, und dann folgt der Rest des
Stückes.
Musikstücke haben eine Form, der die Zeichen entsprechen.
Alle diese Zeichen, die einen durch ein Stück führen und den Sinn haben, ein Stück auf 4 Seiten
zu verkürzen, das ausgeschrieben, also ohne alle Segnos etc. vielleicht 10 Seiten lang wäre sind
extrem nützlich, aber sie brauchen viel Aufmerksamkeit. Grundsätzlich sollte einem bewusst sein:
Musikstücke haben eine Form, und die lebt oft von Wiederholungen, Rückgriffen auf etwas
ganz vorne, dann das Anhängen einer Reminiszenz am Ende... und um diese Form muss man sich
kümmern.
Wer sein Stück brav auswendig gelernt hat ist fein 'raus, wer die Mappe einer Jazzband bekommt,
weil er als Bassist einsteigen soll, tut gut daran, sich die Sprünge mit Textmarkern
hervorzuheben und sich die Abläufe klar zu machen!
Faulenzer
Im weitesten Sinne "Wiederholungszeichen" sind auch die sogenannten
"Faulenzer".
Das Zeichen in
Takt 1 bedeutet "Wiederhole die vorherige Notengruppe!", in
diesem Falle die Viertelnoten "c - d".
Das Zeichen in
Takt 3 heißt "Wiederhole den vorigen Takt!", und
das
über den Taktstrich zweier Takte gesetzte dritte Zeichen
"Wiederhole diese beiden Takte!"
Sie heißen "Faulenzer", weil man sich damit einiges an Schreibarbeit sparen kann, aber je nach
Stück kann da auch einiges an Platz gespart werden, und das Layout wird luftiger.
Umblättern
Noten sollten
für Musiker gemacht sein, die praktisch etwas damit anfangen
wollen. Bei Gitarrennoten scheint das nicht immer der Fall zu sein - Gitarristen spielen ja auch
immer alles auswendig, oder?
Wenn man allerdings zu viel unterrichtet und deshalb nicht mehr so viel Zeit zum Üben hat, wenn
das Gedächtnis nicht so funktioniert wie bei den Leuten mit einem fotografischem, oder wenn man
schlicht gerne Musik im Kontakt mit dem Notenbild spielt, weil dieses etwas mitzuteilen hat,
dann ist man auf sorgfältig gemachtes Material angewiesen.
Pianisten blättern selbst, indem sie, wenn nötig, in einer Hand ein paar Noten weglassen. Oder
sie haben jemanden neben sich sitzen, der umblättert - darüber gibt es sogar einen Film: "Das
Mädchen, das die Seiten umblättert".
Dabei ist ein großer Vorteil, dass ein Klavier oder Flügel ziemlich stabil ist. Man
kann die Seite nochmal nachdrücklich glattstreichen, der Flügel kippt deswegen nicht
um.
Notenständer sind weniger stabil, und während man eine Altblockflöte meist mit einer
Hand halten kann, ist das bei Baritonsaxophonen vielleicht nicht so angenehm. Als Gitarrist zu
blättern ist immer ziemlich heikel.
Orchestermusiker teilen sich zu zweit einen Notenständer, und einer übernimmt den Job des
Blätterns.
Bei Noten für Kammermusik wird tendenziell darauf geachtet, dass an der Stelle, die das Blättern
nötig macht vielleicht gerade eine Pause steht.
Und es gibt tatsächlich Noten, in denen nicht nur steht "Diese Seite wurde leer gelassen,
um günstige Wender zu erzielen.", es gibt sogar Hefte, in denen "dritte Seiten" der Ausgabe
beiliegen oder sogar richtig befestigt sind (z.B.
Mattheson, vier Sonaten aus op. 1 für zwei Altblockflöten, Noetzel N 3569).
Ausgabenkritik
Neben der "Urtext"-Ausgabe gibt es den Begriff
"paktische Ausgabe". Dabei hat man dann etwa Bachs Wohltemperiertes Klavier mit
Fingersätzen und romantisierenden Bögen, Dynamik- und Tempoangaben von Cerni vor sich, die man
mag oder nicht.
Aber warum gibt es "praktische Ausgaben" im Sinne von
"gut zu handhaben" im Bereich Gitarre so wenig? Als Gitarrist kann man kaum mal eine
Hand vom Instrument weg nehmen, umblättern, glattstreichen und den umstürzenden Notenständer
festhalten!
Die Eschig-Ausgabe
"Villa-Lobos collected works for solo guitar" ist ein 94-seitiges Paperback, das
auf dem Notenständer vielleicht offen bleibt, wenn man sich einmal auf das aufgeklappte Buch
draufgestellt hat. Blättert man um, blättert sich die Seite aber wieder zurück. Das gilt für
viele Ausgaben einer bestimmten Papierqualität, und vor allem ab einem gewissen Umfang.
Villa-Lobos' Prelude 1 umfasst 5 Seiten - mit ein paar Segnos mehr braucht es nicht mal vier.
Das zweite Prelude passt auch auf drei statt auf vier Seiten.
Der dritte Satz der Sonatine von Moreno-Torroba, in der Ricordi Edition 6 Seiten lang, wäre dank
der Rondo - Wiederholungen ebenfalls auf vier Seiten unterzubringen.
In der Ausgabe
"F. Moreno Torroba Música para Guitarra Volumen II, Opera tres Ediciones
musicales"
umfasst dieser Satz sogar 7 Seiten. Schönes, großes, gut leserliches Notenbild, aber - wenn ich
das Stück auswendig kann, brauche ich diesen Luxus nicht. Wenn ich auswendig
"nicht durchkomme" brauche ich eine
"praktische Ausgabe"!
Solche "praktische Ausgaben" sucht der Gitarrist vergebens. Statt dessen werden in Heften für
Anfänger einfachste Stücke mit ausgeschriebenen Wiederholungen auf eine Seite "gestreckt" (hätte
man nicht zwei kleine Stücklein unterbringen können?). Oder in einem Heft mit lauter
zweiseitigen Stücken (Broekmans & van Poppel) steht in der Mitte ein "Einseiter", und ab dort
darf man in jedem Stück blättern - eine schöne Eulenspiegelei!
Natürlich kann es sein, dass der Verfasser die Stücke gerne in einer bestimmten Reihenfolge
gedruckt hätte, sei es, um einen Suitencharakter zu wahren, oder wegen einer progressiven
Reihenfolge. Hier wäre eine eingefügte Leerseite oder eine verbale Erläuterung aber doch auch
eine Lösung.
Man möge mir dieses Gejammer wegen nachlassender oder auch nicht steigender Qualität der
Publikationen trotz einfacherer Mittel - Noten mit Software zu erstellen ist doch praktischer
als es mit Bleilettern war - verzeihen. Unsere allgemeine Bildungs- und Rechtschreibmisere
spiegelt sich auch in nachlassender Sorgfalt im Umgang mit Segno, Doppelkreuz und Co. Vielleicht
brauchen wir aber auch eine
"neue deutsche Rechtschreibung" im Notensatz...