Gitarre und Musiklehre, U. Meyer

Haltung der Gitarre

Man hat ja ein Bild vor Augen, wie Menschen musizieren: Geiger spielen mit Kinn- und Schulterstütze, Saxophonisten mit Haltegurt, da das Instrument schlicht zu schwer ist, Cellisten mit Stachel, und Pianisten sitzen, und zwar gerne in der richtigen Höhe, wozu der höhenverstellbare Klavierhocker erfunden wurde.
Wie spielt man eigentlich Gitarre?

Gibt es eine "korrekte" Haltung bei der Gitarre?

Es gibt viele verschiedene Arten von Gitarren und viele Musikstile, bei denen sie eingesetzt werden. Alle spielen unterschiedlich, der Folkgitarrist, der Grundschullehrer, der E-Gitarrist, der Pastor, aber fast keiner von Ihnen spielt in der Haltung, die ein klassischer Gitarrist nutzt. Das ist bei Klavier oder Violine anders. Es gibt kaum ein Instrument, bei dem die Haltung für "klassische" Musik so wenig Akzeptanz hat wie bei der Gitarre. Deshalb steht die Gitarre auch immer wieder in der Ecke der "volkstümlichen" oder "nicht so seriösen" Instrumente.

Dennoch gibt es bei den Menschen, die "Konzertgitarre" spielen, einen Konsens über die Haltung, in der man das tut.

Optimale und gesunde Haltung

Alle Instrumente haben sich über Jahrhunderte entwickelt und auch verändert, Stücke mit immer neuen technischen Problemen werden dafür komponiert, und die Spieler versuchen die Handhabung so zu verbessern, dass auch die schwierigsten Passagen zu schaffen sind. Dabei entwickelt sich eine Haltung, die es hoffentlich ermöglicht, längere Zeit zu spielen ohne zu ermüden oder einen Arzt zu brauchen.

Aber welche Haltung beim Gitarrenspiel ist wirklich optimal und gesund? Ich möchte versuchen, kritisch darüber nachzudenken und Begründungen zu geben, ohne allzuweit in die Biologie der Wirbelsäule, Muskulatur und so weiter abzudriften. Besonders die traditionelle Haltung mit Fußbank gilt es zu hinterfragen.

Auf alle Fälle steht die Haltung immer ganz am Anfang des Gitarrenunterrichts, denn schlechte Gewohnheiten sollte man gar nicht erst erlernen. Deshalb unterrichte ich die normale klassische Haltung - an einer VDM-Musikschule finde ich das angesagt.

Vorüberlegungen

Haltung ist nichts Starres

Haltung ist nichts Starres, sondern im Gegenteil ein Ergebnis, eine Momentaufnahme von Bewegung. Menschen sind lebendig, sie bewegen sich, wenn sie etwas tun, und deshalb ist es Unsinn, an den Begriff "Haltung" mit der Einstellung "Ah, furchtbar, ich muss etwas ganz Künstliches machen!" heran zu gehen. Jeder hat sogar eine Schlafhaltung! Allerdings kann man, wenn man auf Grund von Fehlhaltungen körperliche Probleme bekommt, etwa beim Sitzen vor der Computertastatur, vom Physiotherapeuten durchaus etwas zu hören bekommen - insofern ist "Haltung" etwas Bedrohliches.

Also: wenn man über die Haltung eines Instrumentes nachdenkt, betrachtet man quasi eine Einzelbild aus einem Bewegungsablauf, und fragt sich "Ist das so gut? Kann ich das, was ich spielen will auf diese Weise gut spielen? Kann ich das längere Zeit tun, ohne Sehnenscheidenentzündungen, Wirbelsäulenverkrümmungen, Hüftfehlstellungen oder ähnlich vielversprechende Dinge zu erwerben?"

Gene und Lebensalter

Es gibt Menschen, die von ihren Erbanlagen her gelenkiger sind als andere. Der Vorteil ist, dass sie Dinge können, die andere nicht schaffen, etwa Spagat oder den Lotussitz. Andererseits merken sie gar nicht, wenn sie ihre Wirbelsäule über Jahre verdrehen, und auch ihre Körper altern.

Junge Menschen können oft Dinge, die sie als älterer Mensch nicht mehr können werden. Auch deshalb ist es schwierig, Kinder davon zu überzeugen, dass eine bestimmte Haltung besser ist, besonders wenn man irgendwann deutlich schwierigere Stücke spielen möchte.

Zeit

Wer in einer grauenhaften Haltung Gitarre spielt, merkt davon nichts, wenn er es nur fünf Minuten in der Woche tut. Und schon gar nicht, wenn er nach fünf Wochen wieder aufgibt. Ich bin nicht mehr jung, und habe schon viele Tage meines Lebens Stunden und Stunden Gitarre gespielt, geübt, und unterrichtet. Und es geht mir und meinem Rücken immer noch ziemlich gut, obwohl ich eher unflexibel und kein "Bewegungstalent" bin. Also habe ich, was die Haltung angeht, vielleicht einiges nicht so falsch gemacht. Das versuche ich weiter zu geben!

Haltungen ergeben sich aus Absichten

Hämmern

Wenn ein Tischlerlehrling einen Hammer fasst, um einen dicken Nagel einzuschlagen, packt er den Hammer hinten am Stiel. So wird er das Gewicht des Hammerkopfes optimal in Kraft umsetzen. Wenn er den Hammer immer kurz hinter dem Kopf anfasst, könnte es sein, dass der Meister ihm einen Berufswechsel nahelegt.

Schlittschuh laufen

Wenn ein Mensch Schlittschuh laufen lernen möchte, stellt er sich besser nicht kerzengerade und mit durchgedrückten Knien aufs Eis, denn dann hat er beim Verlust des Gleichgewichts kaum eine Chance, einen Sturz zu verhindern. Etwas nach vorne gebückt, mit federnden Knien, kann man viel mehr ausgleichen.

Tischtennis

Wenn ein Tischtennisspieler einen Vorhandball spielen will, möchte er im Prinzip den heranfliegenden Ball mit seinem Schläger treffen.
Grundsätzlich kann er immer an einer Stelle stehen bleiben, und seinen Arm Richtung Ball bewegen - wenn der Ball in Reichweite geflogen kommt, kann er ihn vielleicht mit der Vorhand treffen.

Schlauer wäre es, wenn er sich zwischen zwei Schlägen neu positioniert, die Füße nicht parallel zum Tisch, sondern den Fuß der Schlaghandseite etwas zurück setzt, den Arm nach hinten führt, dann nach vorne bringt, mit dem Oberkörper beschleunigt, und dann... berührt er den Ball mit seinem Schläger, genau wie der Spieler, der einfach starr stehen geblieben ist, aber das Ergebnis wird ein gefährlicherer Vorhandball sein.
Die "Haltung" für eine gute Vorhand resultiert also aus einer dynamischen Bewegung.

Gitarre spielen

Wenn man Gitarre spielen möchte, will man mit den Fingerkuppen oder -nägeln der Anschlagshand Saiten anschlagen, und mit den Fingerkuppen der Greifhand Töne auf dem Griffbrett greifen.
Dazu sollten die beiden Hände möglichst günstig an ihren Arbeitsplatz gelangen. Allerdings sind an den Fingerkuppen und Händen noch Arme, Schultern, Oberkörper, ja, ganze Menschen befestigt! Daraus resultiert die Haltung.

Aspekte der Haltung haben einen Zweck

Den Zweck eines bestimmten Aspektes der Haltung hinterlege ich in den folgenden Abschnitten mit dieser Farbe.

Einen interessanten und detaillierten Artikel von Michael Koch, Mainz, der die Zusammenhänge von Gitarrengröße, Haltung, Spiel mit Fußbank, Stütze oder mit Gurt genau beschreibt, gibt es auf der Webseite des Verbandes deutscher Musikschulen.

Ein lesenswerter Text über Haltung allgemein namens "Über das Marionettentheater" findet sich bei Heinrich von Kleist - man kann ihn im Projekt Gutenberg finden.

Die Haltung im Sitzen

Es folgt also ein Versuch, die Haltung für die klassische Gitarre zu beschreiben. Es gibt viele interne Links zu den anderen Haltungsseiten, besonders zur Seite mit den Haltungsfehlern, damit man Bilder vergleichen kann.

Linkshänder müssen die Begriffe "links" und "rechts" immer entsprechend austauschen.

Die Haltung hat insgesamt mit vielen verschiedenen Faktoren zu tun:

  • Wie groß sind Spieler und Gitarre?
  • Wie sitzt der Spieler?
  • Wie hoch ist der Stuhl?
  • Wie wird die Gitarre im Raum gehalten?
    • Welchen Winkel hat der Hals zum Fußboden?
    • Welchen Winkel haben Decke und Griffbrett zum Fußboden?
    • Wird die Gitarre parallel zu Schulter- und Beckengürtel ausgerichtet?
    • Wie weit ist die Gitarre vom Körper entfernt?
    • Wie weit ist der Gitarrenkörper vom Kinn entfernt?
Haltung Faktoren 1

Der Halswinkel ist nicht so steil, die Gitarre weiter vom Kinn entfernt.

Haltung Faktoren 2

Der Halswinkel ist hier steiler, die Gitarre näher am Kinn, also höher.

Haltung Faktoren 3

Decke und Griffbrett sind relativ senkrecht zum Boden, die Gitarre lehnt an meinem Oberkörper.

Haltung Faktoren 4

Decke und Griffbrett sind sehr flach gehalten.

Stuhl und Sitzhöhe

Oberschenkel waagerecht

Dieser Stuhl hat für mich die richtige Höhe: die Beine verlaufen parallel zum Boden.

Klassische Gitarristen haben ihre Gitarre gerne relativ hoch vor dem Körper, weil dann die Hände an der gewünschten Position sind.

Oberschenkel parallel zum Boden

Der Stuhl sollte so hoch sein, dass die Oberschenkel ungefähr parallel zum Boden verlaufen. Ist er deutlich höher, gehen die Beine "bergab", und damit bewirkt die Fußbank, die gleich beschrieben wird, so gut wie nichts.
Ist die Stuhlhöhe richtig, geht wegen der Fußbank das linke Bein leicht "bergauf", so dass die Gitarre höher vor dem Körper ist. Sie rutscht nicht und der Spieler braucht keine Energie zum Festhalten.

Barhocker sind zu hoch und Stühle mit Armlehnen engen ein.

Vorne auf dem Stuhl, gerade, nicht angelehnt

Man sitzt vorne auf der Sitzfläche, gerade, und lehnt sich nicht an, damit die Gitarre nicht gegen den Stuhl stößt und damit man selber wach bleibt.
Das ist schwer zu vermitteln. Besonders Kinder, die schon mehrere Stunden in der Schule gesessen haben, sind nicht leicht zu motivieren, sich vorne auf den Stuhl und gerade auf die Sitzbeinhöcker zu setzen. Wenn man sich anlehnt, hat man meist die Gitarre auch so flach auf dem Schoß, dass die Greifhand unnatürlich abgeknickt werden muss, und wenn man sogar den Arm der Greifhand über die Stuhllehne hängt, tja, dann "hängt man eben 'rum!"

Die Höhe des Stuhles ist im Gruppenunterricht ein echtes Konfliktthema. Kinder, die auf kleineren Stühlen sitzen sollen als Gruppenkollegen, fühlen sich oft "herabgesetzt" im Wortsinne, und es kostet viel Überzeugungsarbeit, für die richtige Sitzhöhe zu werben.

Man sitzt mit geradem Rücken, macht sich also nicht unnötig klein. Das ist auch gesünder!

Die Haltung mit Fußbank

Man stellt das linke Bein - Linkshänder bitte immer das Gegenstück einsetzen - auf eine Fußbank und legt die Gitarre darauf. Die Gitarre ist im Verhältnis zum Beckengürtel gerade vor dem Körper ausgerichtet, nicht schräg, damit man die Wirbelsäule nicht verdreht, und die Schultern ebenfalls gerade über dem Becken sind.

Haltung im Sitzen 1

Die konventionelle Haltung mit Fußbank: das linke Bein geht "bergauf".

Haltung im Sitzen 1

Die Fußbank ist im linken Foto auf mittlerer Höhe, hier ist sie hoch eingestellt,

Haltung im Sitzen 1

hier in der niedrigsten Raste. Man sieht das am besten an der Distanz zwischen Gitarre und Kinn.

Diese höhere Position der Gitarre, bei der vor allem das Griffbrett weiter nach oben kommt, hat den Zweck, dass die Greifhand agieren kann, ohne dass die Schulter hoch gezogen oder nach unten gedrückt werden muss.
Man lässt den Arm locker herunterhängen und bringt ihn dann ab dem Ellenbogen nach oben.

Auch die Anschlagshand kommt so optimal an ihren "Arbeitsplatz" heran, ohne dass man sich im Rücken, den Schultern, Ober- oder Unterarmen (also den Körperteilen, an denen die Hände befestigt sind) irgendwie verbiegen muss.

Man legt die Gitarre nicht auf das rechte Bein, weil sie dann sehr weit nach rechts verschoben wird, der rechte Arm mit Schulter ziemlich weit nach außen gedrängt wird, und der linke Arm quasi am Körper klebt. Beim Spiel in den oberen Lagen ist der Körper dem Greifarm sogar im Weg.
Hunderprozentige Symmetrie gibt es zwar auch nicht, wenn die Gitarre auf dem linken Bein liegt, aber man ist näher dran! Außerdem bewegt sich der Greifarm ja ständig beim Lagenspiel, ist also mal näher am Körper, mal weiter entfernt.

Nachteile der Fußbank

Die Fußbank ist das akzeptierte Hilfsmittel für die Haltung der Gitarre, so wie der Stachel beim modernen Violoncello. Aber was passiert wirklich mit dem Körper, der täglich über Stunden, und das jahrelang, in dieser Haltung verharrt?

Zunächst fällt auf: das linke Bein wird in der Hüfte abgeknickt. Wahrscheinlich wird die gesamte Hüftstellung beeinflusst, und der untere Teil der Wirbelsäule bekommt auch seinen Teil ab. Außerdem ist das Bein besonders beim Knie deutlich erhöht - am Körper, also da, wo die Gitarre aufliegt, ist die Erhöhung gar nicht so groß! Weiterhin muss man das rechte Bein wirklich so weit zur Seite stellen, dass der Gitarrenkorpus zwischen die Beine passt und gerade vor dem Körper ist.
Das sind typische Nachteile, die gelenkigen und jungen Menschen nicht so auffallen, aber sie sind doch da.

Die Haltung mit Gitarrenstütze

Statt der Fußbank kann man eine Gitarrenstütze nehmen, die das Instrument höher vor den Körper bringt, ohne dass man eine Fußbank braucht.

Haltung im Sitzen 2

Mit Gitarrenstütze muss man das rechte Bein nicht so weit zur Seite stellen.

Gitarrenstütze

Auch mit der Stütze kann man die Gitarre tiefer

Gitarrenstütze

oder höher vor dem Körper platzieren.

Es gibt viele verschiedene Modelle, die unterschiedliche Techniken anwenden: die Stützen werden mit einem bis vier Saugnäpfen an der Zarge befestigt und auf den Oberschenkel gestellt, mit Klammern ähnlich wie Schulterstützen bei Violinen an die Zarge geklemmt, mit starken Magneten in Position gehalten, mit Klettband, oder mit Saugnäpfen am Boden der Gitarre befestigt. Wenn jemand an die zwei Meter groß ist, kann ein Modell, dass man auf zwei Seiten in der Höhe verstellen kann, sehr gute Dienste leisten.

Gitarrenstütze
Gitarrenstütze
Gitarrenstütze

Vorteile von Gitarrenstützen gegenüber der Fußbank

Wenn man das Spielen mit Fußbank und Gitarrenstütze genau vergleicht, fallen drei Aspekte auf: erstens wird das eine Bein nicht stundenlang abgeknickt, zweitens liegt die Gitarre mit der Fußbank sperriger zwischen den Beinen, weil das Instrument ja direkt auf dem linken Bein aufliegt. Das rechte Bein muss stärker zur Seite gestellt werden, denn man hat deutlich mehr Gitarrenkorpus zwischen den Oberschenkeln. Und drittens gibt es einen spürbaren Unterschied in der unteren Wirbelsäule!

Wie immer gilt: wer sehr gelenkig, jung, dünn, sportlich und all diese wunderbaren Dinge ist, bemerkt den Unterschied möglicherweise nicht mal. Für Leute, die nicht (mehr) diese Eigenschaften haben, kann die Haltung mit Gitarrenstütze aber eine sehr gute Alternative sein.

Nachteile der Gitarrenstütze

Ich habe noch nicht alle Modelle dieses Planeten ausprobiert, aber eines wird schnell klar: Man darf sich zwar auf die gute alte Fußbank nicht draufstellen, weil sie dann verbiegt, aber sie verträgt doch mehr Gewicht. Das heißt: bei schwierigen Stellen, bei denen man sich unwillkürlich ein wenig auf die Gitarre lehnt, um zum Beispiel Töne oberhalb des zwölften Bundes zu erreichen, macht die Fußbank mehr mit.

Saugnäpfe halten nicht immer. Sie halten unterschiedlich gut auf verschieden glatten Oberflächen. Auf matt lackierten Instrumenten, oder Gitarren mit Schelllackoberfläche halten sie gar nicht, da braucht man eine aufgeklebte Plastikfolie.
Jedenfalls kann es sein, dass das Stützenmodell und die Lackierung der Gitarre und die eigene Spielweise dazu führen, dass man ständig das Gefühl hat, die Gitarre könne jeden Moment wegsacken. Das ist unerfreulich!

Haltung mit Gurt

Gitarre mit Gurt

Nicht so verbreitet, aber dennoch möglich ist es, die Gitarre mit einem Gurt in die gewünschte Position zu bringen - sowohl im Sitzen, als auch im Stehen. Ich habe meine Gitarre mit Gurt in genau der gleichen Höhe positioniert, wie mit Gitarrenstütze. Man braucht dazu einen Gurtpin im Klotz, also unten an der Gitarre in der Mitte der Zarge, und am Halsfuß, und natürlich einen bequemen Gurt.

Den Gurt oben am Gitarrenkopf zu befestigen, indem man ihn dort festknotet (viele Gurte haben eine Art Schnürsenkel an einem Ende) fand ich nie gut, weil sich dadurch die Gitarre vor dem Körper sehr weit nach rechts bewegt. Das ist normal für Leute, die ihr Instrument sonst auf den rechten Oberschenkel legen - mir gefällt das nicht.

Egal ob man steht oder sitzt - die Gitarre ist so etwas weniger stabil vor dem Körper. Sobald man mit einer Hand etwas Druck ausübt, bewegt sie sich vor dem Bauch, der ja nie eckig ist; das Spielen besonders schwieriger Stellen ist also etwas heikler, und besonders im Stehen sind Stellen, bei denen man auf den Bünden auf der Decke greifen muss, richtig unangenehm.

Professor Jens Wagner hat einen Stabilizer entwickelt, einen zusätzlichen Gurt, der verhindert, dass sich die Gitarre bei dieser Haltung allzu viel bewegt.

Die Schultern

Fast jeder kennt es von sich selbst, oder man kennt jemanden, der so etwas hat: Probleme mit den Händen, den Sehnen, Tennisarm, Golfarm, Sehnenscheidenentzündung, all diese tollen Sachen.

Erfahrungen mit weiten Griffen

Selber habe ich mal ein Semester pausieren müssen, weil ich plötzlich meine rechte Hand nicht mehr benutzen konnte, nachdem ich auf einer neuen dreizehnchörigen Laute zu üben begonnen hatte. Ob Fußbank, Gitarrenstütze, Gurt - man macht ohne es zu merken etwas falsch, und schon ist man beim Orthopäden.

Der Orthopäde schaut dich an, läßt sich berichten, und schickt dich zur Behandlung: Strom, Wärme, Kälte, Ruhigstellen, Physiotherapie, alles Mögliche, und oft ändert sich nichts.

Repariert habe ich mich am Ende selbst. Das Problem waren nicht die weiter auseinander liegenden dreizehn Saitenchöre, also eine Überstreckung der rechten Hand, sondern meine Schultern. Mit den Yogaübungen "Schulterstand" und "Pflug", sowie raumgreifendem Herumgefuchtel mit den Armen habe ich mich dort wieder gelockert, und schon war das Leben wieder schön.

Erfahrungen mit angespannten Beinen

Als ich als etwa Elfjähriger bei meinem zweiten Lehrer die Haltung mit Fußbank kennengelernt und dann richtig viel zu Üben begonnen hatte, hatte ich nach einiger Zeit das Problem, dass ich meinen Hals nicht mehr bewegen konnte. Der Lehrer hatte mich ermahnt, den rechten Fuß immer schön flach auch den Boden zu stellen, denn sonst könne ich Schwierigkeiten mit der gegenüber liegenden Schulter bekommen. Natürlich hatte ich das in meinem Eifer vergessen. Als es mir dann wieder eingefallen war, wurde alles wieder gut.

Engstelle Schulter

Man bekommt also als Mensch eines der oben aufgezählten Probleme, und weil die neue Laute so viele Saiten hat, oder weil man so viel Golf trainiert, tut es plötzlich irgendwo am Handgelenk oder im Ellenbogen weh, und natürlich denkt man: dort ist das Problem! Aber alle Bewegungen der oberen Extremitäten müssen durch die Engstelle Schulter.

Warum kann der eine acht Stunden am Tag schwierigste Klavierliteratur üben, und der andere bekommt Probleme, sobald er mehr als zwei Stunden Gitarre spielt? Hat der Pianist so viel mehr Kraft, oder macht er etwas richtiger?

Schutzpanzer

Wenn dich plötzlich jemand von hinten erschreckt, wenn du in der Dusche einen warmen Wasserstrahl erwartest, es kommt aber eiskaltes Wasser, wenn aus dem Gebüsch überraschend ein Säbelzahntiger springt - was macht der Neandertaler? Als erstes zieht er die Schultern hoch und spannt alle Muskeln an, um sich durch einen Panzer zu schützen.

Deshalb ist bei allen Haltungsvarianten, den lieben und den nicht so tollen, egal wie "gut" du sie ausführst, immer wichtig, wie viel Anspannung du in der Schulter brauchst, um spielen zu können. Und alle Haltungen, die ich hier für weniger gut erkläre können das Problem mit sich bringen, dass sie zwar fünf Minuten pro Tag funktionieren, aber mit zunehmender Dauer und mit den Jahren schlechte Auswirkungen haben. Und natürlich kannst du in wunderbarer Haltung Gitarre spielen, aber wenn du total verkrampft stundenlang am Laptop arbeitest, bekommst du vielleicht trotzdem Probleme am Handgelenk.
All dies wie immer mit dem üblichen Disclaimer: Menschen mit phantastischen Genen können und dürfen alles!

Der Kopf

Im Kopf des Menschen sind die Augen, und wir sind "Augentiere". Wir schauen alles an, und wir wollen alles mit den Augen kontrollieren. Dazu bewegen wir den Kopf in Blickrichtung.

Blickrichtung

Wohin guckt der Gitarrist? Viele Gitarrenspieler schauen unausgesetzt auf die Greifhand. Die Anschlagshand beobachtet man vielleicht beim Üben gelegentlich, ob die Bewegungen auch sauber laufen, aber - werde ich die nächste Note treffen? Ich greife ein c im ersten Bund der h-Saite und muss als nächstes mit dem dritten Finger das d greifen - wer garantiert mir, dass mein Ringfinger nicht die e- oder die g-Saite statt der h-Saite trifft?

Dieses tiefe Mißtrauen gegenüber der eigenen Koordination, dem eigenen Körpergefühl lässt den Gitarristen auf die Greifhand starren. Dadurch werden Kopf, Hals und Halswirbelsäule permanent in eine Richtung gedreht. Ist das gut?

Dein Gehirn ist eine wunderbare Maschine! Du weißt, wo und wie du dich im dreidimensionalen Raum befindest, du weißt nachts im Dunkeln, wo der Lichtschalter ist - ohne ihn zu sehen. Vertraue darauf: dein Gehirn kann lernen, sich auf Grund deines Körperbewußtseins auf dem Griffbrett zu orientieren, du darfst auch mal mit geschlossenen Augen Gitarre spielen!

Notenständer

Aus dem Bedürfnis, mit den Augen zu kontrollieren resultiert auch die Tradition, den Notenständer nach links zu stellen, nahe bei der Greifhand. Dann haben die Augen nicht so einen weiten Weg.

Probiere, den Notenständer gerade vor dich zu stellen. Und schaue auf die Noten. Oder schließe die Augen, wenn du etwas auswendig spielen kannst! Dein Gehirn steuert deine Finger auf Grund seiner Körper- und Raumvorstellung! Das d zu treffen ist eine Kleinigkeit, und je mehr du dich traust, desto mehr entwickelt sich deine Fähigkeit, komplexe Bewegungsabläufe ohne Augenkontrolle durchzuführen.

Was für die Sicherheit der Greifhand wichtig ist, steht auf der zugehörigen Seite.

Kontaktpunkte

Kontakt zwischen Gitarre und Spieler

Haltung im Sitzen 2

Die Gitarre ist bei der Haltung mit Fußbank und Gitarrenstütze durch vier Punkte fixiert: sie liegt auf dem linken Oberschenkel beziehungsweise der Gitarrenstütze, lehnt an der rechten Oberschenkelinnenseite, an der Brust, und der rechte Unterarm liegt auf der Zarge und hält sie in der Balance. Nimmt man ihn weg, kippen die meisten Gitarren Richtung Gitarrenkopf.

Die Haltung mit höher platzierter Gitarre ist nicht nur bei Klassikern zu sehen, sondern auch bei Gitarristen, die Flamenco oder Jazz spielen, und etlichen Leadgitarristen oder Bassisten in Rockbands. Ich persönlich finde nicht, dass "ohne Fußbank" unbedingt cooler aussieht.

Das rechte Bein

Man stellt das rechte Bein so weit zur Seite, dass die untere Ausbuchtung des Gitarrenkörpers gut zwischen die Oberschenkel passt. Wenn man mit Fußbank spielt ist das - je nach Größe der Gitarre, und besonders, wenn Kinder zu früh eine zu große Gitarre bekommen - ganz schön viel!

Lässt man die Beine zu eng zusammen, wird die Gitarre meist schräg zum Schulter- und Beckengürtel gehalten, der Gitarrenkopf wandert hinter die linke Schulter, und der Spieler verdreht sich in der Wirbelsäule. Dies ist der häufige Haltungsfehler, der von zu großen Gitarren bei Kindern oft über Jahre erzwungen wird, und neben einer zu großen Saitenlänge fast der wichtigere Grund, ein gut passendes Instrument zu wählen!

Aber die Tatsache, dass das rechte Bein mehr oder weniger zur Seite gestellt werden muss, sollte doch zu denken geben. Sie wirkt sich unbestreitbar auf die untere Wirbelsäule aus, man sollte das minimieren (weshalb ich die Gitarrenstütze vorziehe), ausgleichende Übungen machen und eventuell zwischen sitzen und stehen wechseln.

Der rechte Fuß

rechter Fuß

Beide Füße fest auf dem Boden beziehungsweise der Fußbank.

Der rechte Fuß sollte fest auf dem Boden stehen. Wird der Fuß zurückgezogen und auf die Zehenspitzen gestellt, ist immer Spannung in der Beinmuskulatur, die bis in die Muskulatur der gegenüber liegenden Schulter (!) ausstrahlen und dort zu erheblichen Verspannungen führen kann.

Und man sollte ihn nicht unter dem Stuhl vergraben oder hinten um das Stuhlbein wickeln. Das ist nicht stabil, man kann den Takt nicht mitklopfen (lernen), und überhaupt: man sollte auch selbstbewusst den Raum einnehmen, den man braucht!

Ich gehe davon aus, dass man mit fest auf dem Boden stehenden Füßen besser geerdet ist. "Geerdet sein" hat im Zusammenhang mit Musik für mich nichts Mystisches, sondern ist die Vorraussetzung für Beweglichkeit. Empfinden und ausleben rhythmischer Bewegung haben ihren Gegenpol in Ruhe und Zentriertheit.

Die Gitarre im Raum

Man hält die Gitarre in Bezug auf die Ebene des Halses so schräg, dass sich ihr Kopf ungefähr auf Augenhöhe befindet.
Hält man die Gitarre weniger schräg, wird der Arbeitsbereich der Greifhand wieder tiefer und vor allem weiter vom Körper weg gelegt. Wie viel unbequemer das ist merkt man, wenn man mal E-Bass statt E-Gitarre spielt!

Etwa senkrecht zum Boden hält man die Gitarre in der Ebene der Gitarrendecke, sie wird nicht mehr oder weniger flach auf den Schoß gelegt. Dadurch braucht man sein Handgelenk nicht unnatürlich zu knicken, um ordentlich greifen zu können.
Allerdings sieht man die Finger der Greifhand leider nur, wenn man sich etwas vorbeugt, aber man muss ja nicht immer alles mit den Augen kontrollieren - den Tastsinn zu entwickeln ist sehr wichtig!

Haltung in Stichworten

  • Setze dich auf einen Stuhl, der so hoch ist, dass deine Oberschenkel parallel zum Boden verlaufen.
  • Hebe das Bein, auf dem die Gitarre liegt, durch eine Fußbank an, nimm eine Gitarrenstütze oder einen Gurt, um die Gitarre in eine angenehme Höhe zu bringen.
  • Stelle das andere Bein so weit zur Seite, dass der Gitarrenkörper zwischen die Beine passt und gerade vor dir ist; Becken, Schultergürtel und Gitarre haben die gleiche Ausrichtung.
  • Stelle beide Füße flach auf den Boden beziehungsweise auf die Fußbank. Wenn du einen Fuß permanent auf die Zehenspitzen stellst, möchte dein Körper die Gitarre eigentlich höher haben.
  • Halte die Gitarrendecke etwa senkrecht im Verhältnis zum Boden.
  • Der Kopf der Gitarre ist ungefähr auf Höhe deines Kopfes.
  • Lege den Unterarm der Anschlagshand auf den Zargenrand, deine Anschlagshand landet dann etwa beim unteren Rand des Schallochs.
  • Lass den Arm der Greifhand locker nach unten hängen; winkele den Ellenbogen an, um die Greifhand an den Hals der Gitarre zu bringen.
  • Platziere den Daumen deiner Greifhand auf der Rückseite des Halses, etwa gegenüber von Zeige- und Mittelfinger, die gebogen werden und senkrecht auf das Griffbrett treffen.
  • Schaue nicht immer auf eine Hand, sondern vor allem nach vorne, zum Beispiel auf die Noten.