Gitarre und Musiklehre, U. Meyer

Dreiklänge erarbeiten

Nach den Seiten über Intervalle und Stufen, die den melodischen Aspekt von Musik betreffen, folgen hier noch ein paar Anregungen zu den Mehrklängen.

Grundvorraussetzung für das Hören wie das aktive Singen von Akkorden ist natürlich, dass man sich mit dem Aufbau der Dreiklänge und der Septakkorde gut auskennt. Vor allem, wenn man Septakkorde von einer gegebenen Note aus abwärts singen will, sollte man genau wissen, aus welchen Intervallschritten sie bestehen.

Akkorde in der Gehörbildung sind natürlich viel einfacher mit Partner zu üben: der "Lehrer" spielt einen Akkord auf dem Klavier und der "Schüler" muss sagen, was er gehört hat.
Aber man kann auch alleine einen Ton spielen und sich sagen "Verminderter Dreiklang als Quartsextakkord aufwärts!", diesen zu singen versuchen und danach die Lösung überprüfen. Zum eigenen Arbeiten ohne Software gibt es Vorschläge im übernächsten Abschnitt.

Dreiklänge

Dreiklangstypen

Zunächst würde ich die vier gängigsten Dreiklangstypen Dur, Moll, vermindert und übermäßig singen üben. Damit hat man erstmal eine Menge zu tun, vor allem, wenn man beim Üben einen Akkordtyp von verschiedenen Tönen aus singt.

Umkehrungen der Dreiklänge

Bei den Umkehrungen der Dreiklänge denkt man natürlich zunächst daran, nacheinander die Umkehrungen etwa des C-Dur-Dreiklanges zu singen: c-e-g; e-g-c; g-c-e.
Eine ganz andere Übung wird es, wenn man von demselben Ton aus Grundstellung, Sextakkord und Quartsextakkord des Durdreiklanges singt! Im Beispiel unten sieht man, dass man dann auf c dies singen muss:
c-e-g; c-es-as; c-f-a, also C-Dur in Grundstellung, As-Dur als Sextakkord und F-Dur als Quartsextakkord.

Dreiklangsumkehrungen

Das ist erstens nicht so einfach zu singen, und zweitens darf man vorher ordentlich nachdenken, was denn nun anliegt!

Der verminderte Dreiklang

Beim vermindertern Dreiklang in Takt 3 kann man sich noch überlegen, was denn der "eigentliche Grundton" des gegebenen Klanges wäre. Man interpretiert den verminderten Dreiklang ja als "verkürzten Dominantseptakkord", als Dominantsepakkord ohne Grundton oder D7. Man konstruiert den eigentlichen Grundton (der unter den Noten genannte Ton ist nur der tiefste Ton des verminderten Dreiklangs), indem man die reine Quinte unter der Terz findet.
Unter der Grundstellung wäre der Grundton as, der vollständige D7 hieße as-c-es-ges und würde sich nach Des-Dur oder Des-Moll auflösen.
Beim Sextakkord liegt ja die Terz im Bass, also ist der Grundton f, und der vollständige Vierklang heißt f-a-c-es, bei der letzten Umkehrung liegt die tiefalterierte Quinte im Bass, a ist die Terz, also ist der Grundton d, der komplette D7 (Funktionsbezeichnung) wäre dann D7 (Akkordbezeichnung), in Noten d-fis-a-c.

Diese Überlegungen sind dann nützlich, wenn man nach dem Singen des verminderten Dreiklanges eine Auflösung singt.

Der übermäßige Dreiklang

Die Umkehrungen des übermäßigen Dreiklanges im letzten Takt sind natürlich eine Mogelpackung: wegen der Symmetrie des Akkordes singt man dreimal die gleichen Tonhöhen, die Namen sind nur unterschiedlich, da die Töne enharmonisch verwandelt werden.

Septakkorde erarbeiten

Die gewöhnlichsten Septakkorde stellen in der Gehörbildung ein noch größeres Problem als die Dreiklänge dar. Zum Glück sind Terzquartakkorde des Mollakkords mit großer Septime nicht das tägliche Brot des Interpreten barocker Arien! Nehmen wir diesen Abschnitt als Bildungsmaßnahme und Selbsterfahrung...

Septakkorde

Umkehrungen der Septakkorde

Auch bei den Septakkorden wäre die erste Idee, die Umkehrungen jeweils einen Vierklanges zu singen, also beim Dominantsepakkord zum Beispiel c-e-g-b; e-g-b-c; g-b-c-e; b-c-e-g. Interessanter ist es Grundstellung, Quintsextakkord (Terz im Bass), Terzquartakkord (Quinte im Bass) und Sekundakkord (Septime im Bass) jeweils auf einer Note aufzubauen. Dabei springt man natürlich wie wild durch die Tonarten.
Es folgen die Septakkorde der oberen Notenzeile mit Umkehrungen und einigen Tipps zum Singen. Die zweite Umkehrung, Quinte im Bass oder Terzquartakkord, dürfte immer am schwierigsten sein, da man hier nie einen Dreiklang "am Stück" singen kann.


übermäßiger Septakkord
übermäßiger Septakkord

Ein übermäßiger Dreiklang mit großer Septime. Beim Singen der Grundstellung kann man sich damit helfen, dass man ab dem Terzton einen Durakkord singt, beim Quintsextakkord hat man zunächst einen Durakkord, auf den eine kleine Sekunde folgt.


großer Septakkord
großer Septakkord

Durdreiklang mit großer Septime. Bei der ersten Umkehrung mit Terz im Bass liegt unten ein Mollakkord, auf den ein Halbtonschritt folgt. Der Terzquartakkord kommt einem bekannt vor, wenn man I feel pretty aus der West Side Story von Bernstein kennt. Bei der dritten Umkehrung, dem Sekundakkord, singt man zuerst einen Halbtonschritt aufwärts, und danach einen Durakkord.


Dominantseptakkord
Dominantseptakkord

Dur mit kleiner Septime. In der ersten Umkehrung singt man einen verminderten Dreiklang, dann einen große Sekunde, beim Sekundakkord einfach einen Ganztonschritt, danach logischerweise einen Durakkord.


Moll mit großer Septime
Moll mit großer Septime

Ein Septakkord, der sehr danach klingt, als solle sich die Septime leittonmäßig sofort in die Oktave auflösen. Der Sekundakkord ist wieder am einfachsten zu "konstruieren": Singe einen Halbton aufwärts, dann einen Molldreiklang.

Bei allen Akkorden mit kleiner Terz, also Moll, halbvermindert und vermindert, habe ich bei der ersten Umkehrung mit Terz im Bass "(b)" vor die "3" geschrieben, um zu verdeutlichen, dass es sich um die kleine Terz handelt, die da im Bass liegt. Das bedeutet nicht, dass das untere Intervall unbedingt eine kleine Terz ist!


kleiner Septakkord
kleiner Septakkord

Molldreiklang mit kleiner Septime. Die Grundstellung klingt sehr vertraut, die erste Umkehrung, ein Durakkord mit folgender großer Sekunde sehr nach Dur-Pentatonik. Mit diesen Tönen beginnt der unglaubliche Schlager Arrivederci Hans, den man vielleicht auch nicht kennen muss (Er beginnt natürlich mit einem Durakkord, auf den die Sexte folgt, aber das läuft auf die gleichen Töne hinaus...). Die dritte Umkehrung ist ein Ganztonschritt gefolgt von einem Mollakkord.


halbverminderter Septakkord
halbverminderter Septakkord

Ein verminderter Dreiklang mit kleiner Septime. Hier ist die Umkehrung mit Terz im Bass wieder am einfachsten zu entschlüsseln: du singst einen Mollakkord und danach eine große Sekunde.

Beim halbverminderten Septakkord ist wie beim verminderten Dreiklang und beim folgenden verminderten Septakkord der unter den Noten genannte Ton eigentlich nicht der Grundton. Wegen seiner verminderten Quinte wird der Klang als Dominantseptnonakkord ohne Grundton mit großer None, D79 gehört, man muss den Grundton eine Quinte unter der Terz, oder einfach eine große Terz unter dem als "Grundton" genannten Ton konstruieren.

Im Fall der Grundstellung wäre also as der wirkliche Grundton, und der komplette Akkord hieße as-c-es-ges-b.
Vor Jahrzehnten war dieser Septakkord, abwärts gespielt und mit zweifach nachschlagendem Grundton, Erkennungsjingle eines NDR-Radiosenders.
Der zweite Klang hieße in Grundstellung f-a-c-es-g, der Terzquartakkord hätte d als wirklichen Grundton, und der Sekundakkord am Schluss steht eigentlich auf b und heißt komplett b-d-f-as-c und löst sich leitereigen nach Es-Dur auf.


verminderte Septakkord
verminderter Septakkord

Der verminderter Dreiklang mit verminderter Septime. Dieses Gebilde ist wie der übermäßige Dreiklang total symmetrisch. Du singst bei den Umkehrungen immer die gleichen Töne, die Noten heißen nur verschieden. Wenn du dir Gedanken machen willst, wie der Klang aufzulösen wäre, musst du die wirklichen Grundtöne jeweils eine große Terz unter dem Ton konstruieren, der unter den Noten als "Grundton" genannt ist. Dies ist natürlich nur der Ton, auf dem der Akkord aufbaut.

Nehmen wir als Beispiel den zweiten Akkord der Grafik, c-es-ges-a.

Da dies ein Septakkord als Quintsextakkord, also mit Terz im Bass ist, wäre der "Grundton" des verminderten Septakkordes das a, so steht es auch unter dem Akkord.
Wenn ich diesen Ton aber als Terz eines D7b9, eines Dominantseptakkordes ohne Grundton mit tiefalterierter None auffasse, wäre der eigentliche Grundton das f, der komplette Fünfklang hieße f-a-c-es-ges. Dieser dominantische Klang löst sich nach B-Moll oder B-Dur auf.
Zu allem Überfluss könnte man den Klang noch enharmonisch verwechselt als eis-gisis-his-dis-fis notieren und nach Ais-Moll oder Ais-Dur auflösen, was durchaus so ähnlich mal vorkommt. In Takt 10/11 eines Preludio von Tárrega kann man das sehen.


Hier eine PDF mit den Beispielen, damit man sich das Ganze am Klavier anschauen kann.

Übungen zu Akkorden

Um sich selbst Aufgaben zu Akkorden zu stellen, muss man sich einen Zufallsgenerator basteln:

Version 1: nehme zwei Würfel. Die gewürfelte Zahl gibt die Note an, von der aus du singen musst. 2 = cis, 3 = d etc. Eine 1, also c, kann man mit zwei Würfeln nicht treffen...

Möglichkeit 2: tippe mit geschlossenen Augen auf dieses Blatt mit Noten, spiele den Ton auf dem Klavier, und singe den Akkord, den du dir zu üben vorgenommen hast.
In einem zweiten Auswahlschritt kannst du auf ein Blatt mit Akkorden tippen, um hier noch einmal den Zufall einzuschalten.

Das ist viel umständlicher, als mit einem Kollegen zu arbeiten, aber machbar!

Übung 1

Drucke das Blatt mit Notennamen aus, tippe mit geschlossenen Augen drauf, und singe von dem Ton aus den Drei- oder Vierklang, den du üben möchtest, in einem weiteren Schritt vielleicht abwechselnd auf- und abwärts.

Die nächste Stufe wäre, Akkorde durcheinander zu singen:

Übung 2

Drucke dieses Blatt mit getrennten Drei- und Vierklängen, oder dieses mit gemischten Akkorden aus, tippe mit geschlossenen Augen drauf. Vielleicht singst du die Akkorde zunächst von einem Ton aus, später kannst du das Notenblatt dazunehmen, um auch den Anfangston vom Zufall vorgeben zu lassen.

Oder du beginnst jeden neuen Akkord vom Schlusston des vorherigen aus, je nach Stimmumfang dann auf- oder abwärts.

Die Abkürzungen auf den "Akkordblättern" bedeuten:

  • v = verminderter Dreiklang, zum Beispiel "c-es-ges"
  • m = Mollakkord, zum Beispiel "c-es-g"
  • D ♭5 = Durakkord mit verminderter Quinte, zum Beispiel "c-e-ges"
  • D = Durakkord, zum Beispiel "c-e-g"
  • ü = übermäßiger Dreiklang, zum Beispiel "c-e-gis"

Bei den Septakkorden sind die Abkürzungen:

  • v 7 = verminderter Septakkord, "c-es-ges-heses"
  • hv = halbverminderter Septakkord, "c-es-ges-b"
  • m 7 = kleiner Septakkord oder Molldreiklang mit kleiner Septime, "c-es-g-b"
  • m ♯7 = Molldreiklang mit großer Septime, "c-es-g-h"
  • D 7 = Dominantseptakkord, Durakkord mit kleiner Septime, "c-e-g-b"
  • ♯7 = großer Septakkord, Durakkord mit großer Septime, "c-e-g-h"
  • ü♯7 = übermäßiger Septakkord, "c-e-gis-h"

Wenn man jeden neuen Akkord mit dem Schlusston des vorhergehenden beginnt, muss man gelegentlich Töne enharmonisch verwechseln, um nicht bei absurden Noten zu landen.

Um Umkehrungen zu üben, muss man wohl mit sich selbst Verabredungen treffen wie "erster Klang Grundstellung, zweiter als Sextakkord" etc., und wenn man noch nicht gleich sicher genug ist, kann man zunächst vielleicht jeden Akkordtyp und jede Umkehrung für sich üben.

Kadenzen und Akkordfolgen üben

Wenn man sich Übungen zu Kadenzen, erweiterten Kadenzen und ähnlichem ausdenkt, hat man es wieder etwas entspannter als bei zufälligen gemischten Aufgaben mit schrägen Akkorden, dafür braucht man eine andere Vorplanung. Deshalb gebe ich hier auch nur einige Beispiele; der Fantasie sind wenig Grenzen gesetzt.

Übung 1

Singe Dur- und Mollkadenzen in Akkordbrechungen ohne die Bassstimme. Diese Übung ist gut, um den "Tonraum" einer Tonart für sich zu erobern. Sie hat also auch mit "Stufensingen" zu tun.
Du singst im Notenbeispiel unten nacheinander C-Dur, F-Dur, G-Dur und C-Dur oder Tonika, Subdominante, Dominante und Tonika in C-Dur, jeweils in Quint- Oktav- und Terzlage.
Übe auch die entsprechenden Mollkadenzen.

Kadenzlagen
Übung 2

Eine erweiterte Kadenz mit der Abfolge C - Am - F - Dm - D - D7 - T, oder funktional ausgedrückt T - Tp - S - Sp - D - D7 - T, diesmal nur in einer Lage.

erweiterte Kadenz
Übung 3

Erweiterte Kadenz mit Zwischendominanten: C - A - Dm - H7 - E7 - A7 - D7 - G7 - C.

Dieses Beispiel beginnt mit der Tonika C-Dur, es folgt die Tonikadurparallele A-Dur, die als Zwischendominante zur Sp D-Moll fungiert, dann kommt durch chromatische Alteration H7 als Zwischendominante zu E7, das wiederum Zwischendominante zu A7 ist, der TP als Zwischendominantseptakkord zur DD7, die zum D7 der Tonart und schließlich zur Tonika führt.

Kadenz mit Zwischendominanten
Übung 4

Die vierte Übung ist ein Versuch, eine Modulation von D-Dur nach A-Dur einzufangen. Sie ist Beispiel 41 auf der Seite mit chromatischen Modulationen nachempfunden.
Die Triolen in der zweiten Zeile habe ich eingebaut, um den Fis-Moll-Akkord, den Trugschluss nach dem E7, und die Subdominante mit sixte ajoutée D-Dur mit dem h als Sexte komplett zu haben.

Modulation