Intervalle singen
Nachdem du hoffentlich ein gutes Grundwissen über die technischen Seiten der Intervalle hast, geht's zur Praxis des Hörens und Singens: Indem du dir für jedes Intervall Klangbeispiele einprägst, lernst du sie wiederzuerkennen. Zuerst eine Liste mit Beispielen für Intervalle aufwärts. Die Intervalle abwärts stehen weiter unten... Ich habe versucht Lied- und Stückanfänge zu finden, ein paar Mal gibt es ein Zitat mitten aus einem Lied, und für einige Intervalle gebe ich Wege an, wie man sie über Tonleitern oder Dreiklänge "ersingen" kann.
Du solltest immer versuchen, dir bewusst zu sein, was du gerade harmonisch bzw. in Stufen hörst. Die große Sekunde bei Meister Jakob hat als Ausgangspunkt die erste Stufe einer Durtonleiter; das Beispiel für die übermäßige Sekunde, die Stufen 6 und 7 einer harmonischen Molltonleiter, ist ganz anders gelagert. Wenn du dir eine Note als Grundton einer Durtonleiter vorstellst, ist es vielleicht weniger einfach, von dort aus eine übermäßige Sekunde zu singen!
Anders ausgedrückt: Wenn du einfach eine kleine Terz singst, um eine übermäßige Sekunde zu finden, solltest du dir bewusst sein, dass der erreichte Ton eine ganz andere Funktion hat. Das Intervall c - es wird in einer Melodie (normalerweise) eine andere Fortsetzung haben, als das Intervall c - dis.
Urspünglich wollte ich die Grafiken mit Audiodateien verknüpfen, damit man die Beispiele anhören kann, allerdings denke ich doch, dass du sie mit deinem Instrument selber spielen solltest, wenn du dich schon so weit für diese Thematik interessierst.
Notenbeispiele für Intervalle aufwärts
Kleine Sekunde:
ein Halbtonschritt. "Kommt ein Vogel geflogen" beginnt auf der 3. Stufe einer Durtonleiter. Das zweite Beispiel ist eine Kadenz in Oktavlage in Moll mit neapolitanischem Sextakkord. Hier gibt es zwei kleine Sekunden aufwärts, und dazwischen liegt eine verminderte Terz abwärts!
Große Sekunde:
ein Ganztonschritt. Alle Lieder, die wie eine Dur- oder Molltonleiter beginnen, können als Beispiel dienen.
Übermäßige Sekunde:
1 ½ Tonschritte. Dieses Intervall kommt in der harmonischen Molltonleiter zwischen den Stufen 6 und 7 vor. Beim unteren Beispiel ist das dis ein Leitton zur großen Terz der Durtonleiter - ähnlichen Phrasen kann man in Gitarrenstücken aus der Klassik begegnen.
Verminderte Terz:
nur 1 Ganztonschritt, und trotzdem eine Terz, die z.B. zwischen Leitton und tiefalterierter zweiter Stufe einer (Moll-) Tonleiter denkbar wäre.
Kleine Terz:
1 ½ Tonschritte; das untere Intervall des Molldreiklanges.
Große Terz:
Zwei Ganztonschritte. Das untere Intervall des Durdreiklanges.
Verminderte Quarte:
2 Ganztonschritte, also rechnerisch so groß wie die große Terz. Liegt z.B. zwischen der erhöhten 7. Stufe und der Terz der Molltonleiter. Das Beispiel ist aus John Dowlands "Flow my tears".
Reine Quarte:
2 ½ Tonschritte. Alle Lieder, die mit der 5. Stufe unter dem Grundton beginnen, starten mit diesem Intervall!
Übermäßige Quarte:
3 Ganztonschritte. Der Song aus Bersteins West Side Story enthält den Tritonus.
Verminderte Quinte:
wie das komplementäre Intervall 3 Ganztonschritte. In Ermangelung eines bekannten Beispiels schlage ich vor, den Tonleiterabschnitt rechts zu üben. Die v 5 liegt zwischen der 7. und der 4. Stufe.
Reine Quinte:
3 ½ Tonschritte: "Morgen kommt der Weihnachtsmann" enthält das Intervall am Anfang, das auch der Rahmen von Dur- und Mollakkorden ist.
Übermäßige Quinte:
Vier Ganztonschritte, denkbar zwischen der 3. Stufe und dem Leitton in der Molltonleiter. Übe den übermäßigen Dreiklang zu singen!
Kleine Sexte:
ebenfalls vier Tonschritte. Das erste Beispiel ist der Beginn der Sonate op. 49,1 für Klavier von Beethoven. Darunter der Anfang des "Chanson d'Orfee" oder "Manha de Carnaval" aus dem Film "Orfeu Negro".
Große Sexte:
4 ½ Tonschritte. Auch große und kleine Sexte definieren den Unterschied zwischen Dur und Moll: In allen vier Beispielen für die Sexten geht es um die Tonleiterstufen 5 und 3. Bei "San Francisco" kann man sich bei "going" einen F-Dur-Akkord als Harmonie denken.
Verminderte Septime:
auch 4 ½ Tonschritte. Das Beispiel ist aus der 4. zweistimmigen Invention von J.S. Bach. Man sollte einen verminderten Septakkord singen und erkennen können.
Kleine Septime:
5 Tonschritte. Der zweite Teil des Liedes "Zogen einst fünf wilde Schwäne" beginnt mit diesem Intervall, das auch der Rahmen des Dominantseptakkordes ist.
Große Septime:
5 ½ Tonschritte oder 11 Halbtonschritte. Beispiel eins ist der Anfang des Jazzstandards "Misty"; das andere Beispiel zeigt das Intervall zwischen Grundton und Leitton einer Durtonleiter. Übe den großen Septakkord zu singen!
Reine Oktave:
6 Tonschritte oder 12 Halbtonschritte. Das Beispiellied stammt aus dem Film "The Wizard of Oz".
Auf der nächsten Seite folgen Beispiele für die Intervalle abwärts.