Erklärung der Begriffe
Bevor man sich mit Umkehrungen beschäftigt, sollte man einige Begriffe klären, damit man weiß, wovon man spricht und die Dinge auseinander halten kann. Beginnen wir mit dem Wort "Umkehrung".
Umkehrung
Der Begriff bedeutet, dass man einen tiefen Ton eine Oktave nach oben versetzt, oder den höchsten nach unten oktaviert. Dadurch ändert sich nicht der Akkord an sich, aber ein anderer Ton als bisher wird zum Basston und ein anderer zum höchsten Ton. Natürlich kann man auch die zwei tieferen Töne nach oben oktavieren.
Auf diese Weise kann man Dreiklänge, Intervalle und natürlich auch Septakkorde umkehren.
Dreiklangstöne
Ein Dreiklang besteht - Überraschung - aus drei Tönen, und jeder dieser drei Töne hat einen
festen Namen. Sie heißen Grundton, Terz und Quinte. Welcher Ton was ist sieht
man am besten, wenn der Dreiklang genau so da steht, also in seiner Grundstellung. (In Quartklängen oder anderen
frei dissonanten Gebilden müssen die Töne natürlich anders heißen.)
Wenn man also eine Umkehrung analysieren will, um zu sehen, was der Grundton ist, muss man die
Umkehrung "rückgängig machen", bis man die Grundstellung sieht.
Nach dem Grundton ist der Dreiklang benannt, zum Beispiel "C-Dur", und Terz und Quinte machen es möglich, die Art des Dreiklanges zu bestimmen, zum Beispiel dur, moll, vermindert, übermäßig.
Stimmlage
Wenn man einen Dreiklang sieht, ist immer ein Ton der tiefste, einer ist in der Mitte, und der
dritte ist der höchste. Auch dafür gibt es Namen: "Basston" für den tiefsten,
"Diskant" oder "Oberstimme" für den höchsten, und "Mittelstimme" oder so ähnlich für den
mittleren.
Im vierstimmigen Satz nennt man die Töne gerne wie die Singstimmen:
Bass, Tenor, Alt, Sopran.
Jeder Ton hat also einen festen Namen, wie "Grundton", aber es ist nicht fest, wo er sich im konkreten Dreiklang befindet. Der "Grundton" kann ganz oben liegen, also nicht "auf dem Grund", aber er bleibt trotzdem der Grundton des Dreiklanges! Die nächsten zwei Punkte sollte man also auch verstanden haben:
Basston
Der tiefste Ton eines Klanges heißt Basston. Egal ob im vierstimmigen Satz oder bei den drei Stimmen, Der tiefste Ton heißt Basston, und von ihm aus analysiert man, welche Umkehrung vorliegt.
Der Basston ist nicht dasselbe wie der Grundton des Dreiklanges! Aber der Grundton kann natürlich im Bass liegen!
Grundton
Der Grundton eines Klanges ist nicht so einfach zu definieren. Für einen
Durdreiklang ist es relativ leicht: Der Grundton ist der Ton, auf dem die Töne über ihm
in der Obertonreihe aufbauen.
In der
Obertonreihe des Tones
c kommen die Töne e und
g vor, während in den Obertonreihen auf e oder
g die jeweils anderen zwei nicht auftauchen. Deshalb hört der
musikalische und tonal denkende Mensch das c als Grundton des C-Dur
Dreiklanges.
Für Mollakkorde oder übermäßige Dreiklänge funktioniert diese physikalische Erklärung nicht; hier sagt man analog zum Beispiel "Dur", dass derjenige Dreiklangston der Grundton sei, auf dem die beiden anderen als Terz und Quinte aufgebaut sind.
Beim verminderten Dreiklang ist es noch wieder anders: hier hört man den Klang als Terz, Quinte und kleine Septime eines zu konstruierenden Grundtones, der eine reine Quinte unter dem mittleren Ton des verminderten Dreiklanges in Grundstellung liegt! Der Grundton fehlt also. Auch dieser Klang taucht so in der Obertonreihe auf.
Der Grundton kann unten, oben oder in der Mitte liegen, oder sogar in Wirklichkeit gar nicht vorhanden sein!
Lage
Der Begriff "enge oder weite Lage" betrifft den Abstand zwischen den Akkordtönen. Mit enger Lage meint man, dass die Töne eines Akkordes so gesetzt sind, dass kein weiterer Akkordton dazwischen passt. "Weite Lage" hingegen bedeutet, dass man zwischen die Töne des Akkordes noch einen der Akkordtöne packen könnte. Im Notenbeispiel ist die Terz e eine Oktave nach oben versetzt, und schon hat man einen Akkord in weiter Lage.
Die drei Umkehrungen
Jetzt kommen endlich die drei Möglichkeiten, einen Dreiklang darzustellen. In den Noten habe ich den Grundton immer schwarz, die große Terz immer rot und die Quinte immer blau formatiert.
Grundstellung:
In der Grundstellung liegt der Grundton des Dreiklanges
im Bass, und darüber befinden sich eine Terz und eine Quinte.
Ob die Terz klein oder groß
ist, die Quinte rein, übermäßig oder vermindert spielt keine Rolle: die Bezeichnung
"Grundstellung" ist lediglich eine Aussage über die Stellung der Töne.
Wenn man zu Analysezwecken Ziffern unter Akkorde schreibt, wird ein Akkord in Grundstellung mit
gar nichts bezeichnet. Terzen sind in Dreiklängen normal, Quinten auch, und sie
werden deshalb nicht erwähnt. Unter einer Grundstellung steht also einfach nichts.
In weiter Lage liegen in Grundstellung eine Quinte und eine Dezime (Terz über eine Oktave)
über dem Basston.
Sextakkord:
Bei der 1. Umkehrung, dem Sextakkord, liegt die Terz des Dreiklanges im Bass, weil der Grundton zum Beispiel nach oben oktaviert wurde. Darüber kommen eine Terz und eine Sexte. Man schreibt als Bezifferung eine 6 unter den Dreiklang. Die Terz über dem Basston wird nicht erwähnt, weil Terzen normal sind. Die Sexte über dem Basston muss natürlich erwähnt werden, weil eine Quinte der Normalfall wäre!
Es geht um die Sexte über dem Basston, keinesfalls beschreibt man die Quarte über der Terz! Über die Verwirrung stiftende Taktik, Dreiklänge als Stapel von Tönen zu beschreiben, kann man mehr lesen, wenn man auf "Stapel" klickt.
Man beschreibt Dreiklänge grundsätzlich vom tiefsten Ton aus, und die Bezeichnung jedes seiner Töne bezieht sich auf den tiefsten Ton! Würde man den Sextakkord irgendwie als "Quartakkord" bezeichnen wollen, weil er eine Quarte über der Terz enthält, müsste man als nächstes nachschieben, was das für eine Terz ist, und bei Septakkorden käme man vollends in Teufels Küche!
Quartsextakkord:
Die 2. Umkehrung heißt Quartsextakkord und wird mit den Ziffern
4 und 6 unter den Noten bezeichnet.
Hier
liegt die Quinte des Dreiklanges im Bass, und darüber kommt zunächst
eine Quarte statt einer Terz, sie muss also angezeigt werden, und dann steht
über dem Basston (!) eine Sexte, die ebenfalls
deklarationsplichtig ist, da eine Quinte ja der Normalfall wäre.
Bitte merken:
Für Dur- und Mollakorde gilt (für verminderte Dreiklänge eingeschränkt, weil sie keinen Grundton haben):
Grundstellung: der Grundton ist im Bass, darüber liegen eine Terz und eine Quinte.
Sextakkord: die Terz liegt im Bass, darüber liegen eine Terz und eine Sexte.
Quartsextakkord: die Quinte liegt im Bass, darüber liegen eine Quarte und eine Sexte.
Zusammenfassung in Noten
Links sieht man die drei Stellungen des C-Dur-Dreiklanges nochmal live und in Farbe: Die
Grundstellung, den Sextakkord, den Quartsextakkord und die Wiederholung der Grundstellung eine
Oktave höher. Für dieses Bild habe ich die Akkordtöne in enger Lage systematisch umgeschichtet.
Der Grundton ist immer schwarz,
die große Terz rot,
und die Quinte blau.
Wenn du über diese Darstellung mit der Farbspielerei etwas nachgrübelst, geht dir vielleicht auf, dass es sehr sinnvoll ist, bei einer Akkordumkehrung nicht nur darüber nachzudenken, ob ein Sextakkord vorliegt, sondern welcher Akkord überhaupt vorliegt und welcher Dreiklangston jeder der Töne ist.
Du schaust den zweiten Akkord an und denkst zunächst mal: Ein Dreiklang, aber er hat keine Terzenstruktur! Sowas! Kehren wir ihn mal um, bis er in Terzen da steht... wenn ich das e nach oben oktaviere klappt es nicht, also packe ich das c nach unten - siehe da: c - e - g! Unten ist eine große Terz, die Quinte ist rein - das ist ein C-Dur-Dreiklang!
Mit zunehmender Erfahrung wirst du lernen, beim Sextakkord auch ohne "zurechtlegen" zu sehen, welchen Dreiklang du vor dir hast. Das obere Intervall (wieder beim Sextakkord) ist ja eine reine Quarte, die beim Umkehren zur reinen Quinte wird. Der oberste Ton muss also der Grundton, der in der Mitte die Quinte, und der Basston die (große) Terz sein. Überraschung: diese drei wohlbekannten Töne bilden den C-Dur-Dreiklang als Sextakkord!
Beispiele für Umkehrungen
Hier siehst du noch mal vier Möglichkeiten in Noten: in jedem Takt wird ein Ausgangsklang verändert.
In Takt 1 wird der Basston nach oben oktaviert. Aus dem C-Dur-Dreiklang in Grundstellung wird ein Sextakkord, der neue Basston ist die Terz e.
In Takt 2 ist das g der Oberstimme eine Oktave nach unten versetzt; dadurch entsteht ein Quartsextakkord. Ich hätte auch das c und das e nach oben oktavieren können!
Takt 3 sieht spektakulär aus, aber der Akkord bleibt in Grundstellung. Durch das Oktavieren der Terz e in der Mitte entsteht lediglich ein Dreiklang in weiter Lage - aber in Grundstellung.
Wenn der Ton in der Mitte nach oben oder unten versetzt wird bleibt der gleiche Ton im Bass, der Dreiklang wird also nicht umgekehrt, sondern es entsteht ein Dreiklang in weiter Lage.
Im letzten Takt 4 habe ich den Sextakkord aus Takt 1 genommen, ebenfalls den mittleren Ton nach oben versetzt, und erhalte so einen Sextakakkord in weiter Lage. Natürlich existiert auch der Quartsextakkord in weiter Lage.
Umkehrungen analysieren
In der Musikklausur wie auch beim Musizieren, wenn man gerne wissen möchte, was man eigentlich gerade spielt, muss man Umkehrungen irgendwie analysieren, und dazu muss man einen Dreiklang in seine Grundstellung bringen.
Beim Sextakkord sagt man, "die Terz liegt im Bass", und damit sagt man aus: egal, wie der Dreiklang geschichtet ist: sein Grundton bleibt immer sein Grundton (auch wenn er gerade oben ist), seine Terz die Terz, und die Quinte bleibt die Quinte. Und mir ist klar, dass hier gerade die Terz im Bass liegt.
Takt 1: Der Dreiklang h-e-gis befindet sich
nicht in Terzenstruktur, also kann das h nicht der Grundton sein.
Ich oktaviere dieses h nach oben, erhalte
e-gis-h als Ergebnis und weiß jetzt: es ist ein E-Dur-Dreiklang, bei dem
ursprünglich die Quinte im Bass lag. Da über dem h eine Quarte und eine
Sexte lagen, war das also ursprünglich ein Quartsextakkord.
Takt 2: Hier scheint am einfachsten, die oberste Note, das
es des Dreiklangs g-b-es eine Oktave nach unten
zu versetzen.
So sehe ich, dass der Dreiklang in Terzenstruktur
es-g-b heißt, der Klang vorher also ein Es-Dur-Dreiklang als
Sextakkord mit Terz im Bass war.
Takt 3: Das sieht sehr unübersichtlich aus, immerhin erkennt man
sofort: ein Dreiklang in weiter Lage!
Ich oktaviere den höchsten Ton nach unten und die
Bassnote nach oben, und erhalte den Dreiklang es-ges-b, einen
Es-Moll-Dreiklang. Da ursprünglich das b, also die Quinte der tiefste
Ton war, weiß ich jetzt: das war Es-Moll als
Quartsextakkord in weiter Lage.
Takt 4: Hier habe ich ein Beispiel für einen verminderten Dreiklang
geschrieben.
Die Oktavierung des fis nach unten zeigt schnell: der
Klang in Grundstellung heißt fis-a-c, es war also ein verminderter
Dreiklang auf fis als Sextakkord. Was aber ist
der Grundton?
Das fis ist zwar der tiefste Ton in der Grundstellung, aber nicht der
Grundton, denn die Quinte c darüber ist vermindert. Deshalb
interpretiert man das fis als Terz des Klanges.
Den Grundton
konstruiere ich eine Quinte unter dem mittleren Ton, dem a: es ist das
d, und der vollständige "Dominantseptakkord" (der verminderte Dreiklang
ist als unvollständiger Dominantseptakkord zu verstehen) heißt
d-fis-a-c.
Aber das Ergebnis der Analyse von
Takt 4 bleibt "Verminderter Dreiklang auf
fis als Sextakkord".
Verminderter Dreiklang
Hier siehst du links die drei Umkehrungen des gerade erwähnten verminderten Dreiklanges, der
auch bei den
Schreibweisen für
Akkorde vorgestellt wird.
Die Quinte des Dreiklanges ist vermindert (als Quarte bei den
Umkehrungen Sextakkord und Quartsextakkord übermäßig) - trotzdem kann man ihn natürlich umkehren
und analysieren.
Übermäßiger Dreiklang
So wie es einen verminderten Dreiklang gibt, gibt es auch einen übermäßigen Dreiklang: er besteht aus einer großen Terz und einer übermäßigen Quinte, z.B. c - e - gis. Er entsteht in der harmonischen Molltonleiter als Dreiklang der 3. Stufe.
Nachdem du jetzt weißt, wie die Umkehrungen eines Dreiklanges entstehen und wie man sie analysiert, wären vielleicht ein paar Übungen für das Erkennen von Umkehrungen in freier Wildbahn nicht schlecht...
Übungen zu Umkehrungen
Aufgabe:
Nenne bzw. bestimme die folgenden Umkehrungen.
Zeige mit der Maus auf die Frage, um die Antwort zu sehen.
Großbuchstaben bedeuten Dur-, kleine Buchstaben Mollakkorde, "v." bedeutet "vermindert", "ü." "übermäßig".
- F in Grundstellung
- d als Sextakkord
- e als Quartsextakkord
- a v. als Sextakkord
- d ü. in Grundstellung
- c als Sextakkord
- cis - e - a
- f - as - c
- f - h - d
- es - g - b
- gis - h - d
- f - b - d
- des - f - b
- e - as - c
- gis - cis - eis
- fis - a - dis
- b - es - g
- d - fis - h
- A als Sextakkord
- a als Quartsextakkord
- g v. in Grundstellung
- des ü. als Quartsextakkord
- gis als Quartsextakkord
- Fis in Grundstellung
- cis als Quartsextakkord
- H als Sextakkord
- c v. als Sextakkord
- fis ü. als Quartsextakkord
- Des in Grundstellung
- b in Grundstellung
- f - as - d
- b - es - ges
- dis - gis - h
- a - cis - e
- b - d - ges
- eis - gis - cis
- e - a - c
- dis - gis - his
- h - d - gis
- dis - fis - ais
- fis - b - d
- f - as - des
- as als Quartsextakkord
- cis als Sextakkord
- h ü. in Grundstellung
- es v. als Quartsextakkord
- Fis als Quartsextakkord
- b als Sextakkord
Übung:
Schreibe die folgenden Dreiklänge und Umkehrungen, jede Zeile ist ein Takt. Großbuchstaben sollen Dur- kleine Buchstaben Mollakkorde werden. Schreibe die letzten vier Dreiklänge in weiter Lage:
- D in Grundstellung, gis als Quartsextakkord, C als Sextakkord und des in Grundstellung.
- f als Quartsextakkord, Cis in Grundstellung, H als Sextakkord und Ces als Quartsextakkord.
- h in Grundstellung, a verm. als Sextakkord, e als Quartsextakkord und B als Sextakkord.
- Weite Lage: As als Sextakkord, a als Sextakkord, es als Quartsextakkord und Fis in Grundstellung.
Übung:
Bezeichne die folgenden Dreiklänge und ihre Umkehrungen. Bei Grundstellung steht einfach nichts außer einem Akkordbuchstaben unter den Noten!
Falls du der Meinung bist, hier nicht genug Material zum Üben zu finden - korrekt beobachtet! Aber die Musik ist voll von Akkordumkehrungen! Die Dinger kommen nicht nur in Musikklausuren vor, sondern auch in dem Stück, das du gerade übst!
Zum Beispiel beginnt die 11. Fantasie für Flöte solo von Telemann mit Akordzerlegungen: In den ersten zwei Takten spielt man B-Dur in Grundstellung, Es als Quartsextakkord, wieder B in Grundstellung, erst in enger, dann in weiter, dann wieder in enger Lage, und wieder Es als Quartsextakkord.