Fröhliche Fehler
Da am Anfang der Intervalle-Seite steht, diese seien die böseste Falle in der Musikklausur,
möchte ich versuchen einige Fehler darzustellen und zu erklären, wie man sie vermeidet.
Mit ein wenig Übung sind Aufgaben wie "Bilde eine Quinte über d!"
oder "Eine kleine Septime unter a" durchaus lösbar, aber unter Zeitdruck
oder grimmigem Augenbrauenrunzeln des Fragenden kommen manchmal Fehler wie diese vor:
1. Frage: Wie heißt die reine Quinte über h?
Lösungsweg: Ich zähle bis zum fünften Ton:
Ergebnis: Die Quinte über h heißt
f.
Bewertung: falsch (war ja auch die Absicht...)!
Kommentar: Der banalste Fehler im Zusammenhang mit Intervallen: man vergisst, dass zwischen h und f beide natürlichen Halbtonschritte liegen: die Quinte h - f ist vermindert. (Siehe im nächsten Abschnitt: eine reine Quinte enthält immer genau einen natürlichen Halbtonschritt.) Zähle auf alle Fälle die Halbtonschritte!
Lösung: Die reine Quinte über h ist fis.
2. Frage: Wie heißt die kleine Sexte über c?
Lösungsweg: die kleine Sexte hat 4 Ganztonschritte oder 8 Halbtonschritte (siehe die Darstellung weiter vorn), also zähle ich ab:
Ergebnis: Die kleine Sexte über c heißt
gis!
Bewertung: natürlich wieder falsch.
Kommentar: Wenn du ein Intervall bilden sollst, zähle zuerst immer die Stammtonnamen ab! Eine Sexte über "c-irgendwas" heißt immer "a-irgendwas"! Die Halbtonschritte wurden korrekt gezählt, aber c - gis ist überhaupt keine Sexte, sondern eine übermäßige Quinte. Die richtige Lösung lautet c - as! Und: nein, gis und as sind nicht dasselbe!
Lösung:
Die kleine Sexte über c heißt as.
3. Frage: Was ist fis - as für ein Intervall?
Lösungsweg: Ich zähle die Halbtonschritte ab: von fis nach g, von g nach as - 2!
Ergebnis: 2 Halbtonschritte - das muss eine große Sekunde sein!
Bewertung: leider falsch!
Kommentar: Der Fehler ist wieder der gleiche: von
f nach a ist immer eine Terz!
Zähle:
f (1), g (2), a (3).
Da eine kleine Terz 1½ Tonschritte umfasst, muss fis - as eine verminderte Terz sein.
Lösung: fis - as: verminderte Terz.
4. Frage: Bilde die übermäßige Quarte über fis!
Lösungsweg: uff, über fis, also: g (1), a (2), h (3), c (4).
Und weil der Ausgangspunkt fis ist, muss das ein cis sein, oder etwa cisis?
Ergebnis: Die übermäßige Quarte heißt cis.
Bewertung: Na, falsch.
Kommentar: Diesmal habe ich einen anderen Fehler simuliert: ich habe den Ausgangspunkt nicht mitgezählt. Das passiert aber immer wieder (unter Zeitdruck oder Stirnzunzeln). Bei Intervallfragen bitte cool bleiben und die beiden Regeln bedenken:
- Bei der grundsätzlichen Größe (Intervallname) den Ausgangspunkt mitzählen,
- beim Abzählen der Halbtonschritte nicht!
Da fis - h eine reine Quarte ist, muss das richtige Ergebnis his lauten; fis - cis ist natürlich eine reine Quinte!
Lösung: Die übermäßige Quarte über fis ist his.
5. Frage: Wie heißt die große Terz über gis?
Lösungsweg: ich nehme meine Klaviertastatur und überlege "große Terz, das sind zwei Ganztonschritte, da gehe ich von der schwarzen Taste gis einen Ganzton zum ais, und dann kommt ja das h, ein Halbtonschritt, also muss ich noch einen Halbton weiter, das ist das c.
Ergebnis:
c.
Bewertung: Reingefallen!
Kommentar: Typischer Fehler beim Abzählen mit Hilfe der Klaviertasten: die c-Taste ist zwar das korrekte Ziel, weil sie vier Tasten, also scheinbar zwei Ganztonschritte von gis entfernt ist, aber die große Terz muss natürlich his heißen. Gis - c ist eine verminderte Quarte.
Lösung: Die große Terz über gis ist his.
Die ultimative Regel zum Vermeiden von Fehlern:
Immer zuerst das Intervall errechnen, also die Stammtonnamen abzählen, wobei du den Ausgangston mitzählst, und danach die Halbtonschritte zählen, wobei der Ausgangston nicht mitgezählt wird! Zähle laut und mit Hilfe der Finger! Irgendwann wirst du die Intervalle im Schlaf können, aber bis dahin - nimm den sicheren Weg!
Und noch ein Tipp: verlasse dich nicht auf Klaviertasten oder Gitarrenbünde! Dort steht nicht geschrieben, ob der Ton, den du errechnet hast gerade his, c oder deses heißen muss! Notenlinien sind eindeutig: die Note auf der mittleren Linie im Violinschlüssel kann nur etwas mit h sein, nie von c oder d abstammen!
Weiter oben findest du einige Übungen zum Abzählen der Intervallnamen, also quasi ein Basistraining für den ersten Schritt.
Intervalle aufbauen mit der Stammtonreihe
Irgendwann kannst du die Intervalle wie im Schlaf, habe ich oben behauptet, und das Erreichen
dieses Zustandes hängt natürlich von Übung ab. Dir werden die
Verhältnisse innerhalb der Stammtonreihe irgendwann so klar sein, dass du dir
sparen kannst, jedesmal Halbtonschritte abzuzählen, um herauszufinden, wie die kleine Septime
über as heißt.
Also möchte ich dir wie bei den
Dreiklängen
zeigen, wie man sich auch über die genaue Größe eines Intervalls mit Hilfe der Stammtonreihe
klar werden kann. Gehen wir offensiv die Intervalle der Reihe nach durch!
(Das entsprechende Kapitel bei den Dreiklängen gefällt mir besser, weil die immer gleichen Aufgaben die Sache übersichtlich machen, aber der Nutzen bei den Intervallen ist auch nicht zu verachten...)
Stammtonreihe mit Halbtonschritten - unbedingt auswendig wissen!
1. Sekunden
sind groß oder klein.
Regel a: Liegt eine Sekunde auf einem der natürlichen
Ganztonschritte, ist sie groß.
Beispiele:
c - d; d - e; f - g; g - a; a - h.
Regel b: Liegt sie auf einem der natürlichen
Halbtonschritte, ist sie klein.
Beispiele: e - f; h - c.
In den Notenbeispielen zu den Fragen ist der Ausgangston normal, der gesuchte Ton als kleine Stichnote gesetzt. Das Zeichen vor der letzten Note ist ein Doppelkreuz: fisis.
Fragen:
Wie heißt die große Sekunde über cis?
Da
c - d ein Ganztonschritt ist, muss die große Sekunde über
cis dis sein.
Nenne die kleine Sekunde unter es!
Hui! Na,
e - d ist ein Ganztonschritt, dann muss unter
es ein d reichen.
Wie heißt die große Sekunde über
eis?
Über e wäre das ein fis, weil
e - f ein Halbtonschritt ist, also ist
eis - fisis eine große Sekunde.
2. Terzen
sind ebenfalls groß oder klein.
Regel a: Wenn eine Terz keinen der natürlichen
Halbtonschritte enthält, ist sie groß.
Beispiele:
c - e; f - a; g - h.
Regel b: Enthält sie einen der Halbtonschritte
e - f oder h - c, handelt es sich um eine kleine
Terz.
Beispiele:
d - f; e - g; a - c; h - d.
Fragen:
Was ist die große Terz über
h?
"h - d" ist klein, also muss d zu dis erhöht
werden.
Wie lautet die kleine Terz unter
a?
Der Ton muss fis heißen, weil a - f eine
große Terz ist.
Was wäre eine übermäßige Terz über
es?
"e - g" ist klein, also ist es - g schon mal
eine große Terz. Eine übermäßige Terz über es wäre
gis.
3. Quarten
In der Stammtonreihe sind
alle rein - bis auf eine!
Regel a: Jede Quarte, die einen der natürlichen
Halbtonschritte enthält ist rein.
Regel b: Die Quarte
f - h
enthält keinen natürlichen Halbtonschritt und ist übermäßig.
Sie besteht aus drei
Ganztonschritten, heißt "Tritonus" und wurde der "Diabolus in musica" genannt,
also der Teufel in der Musik. Dementsprechend einfach ist das Finden reiner Quarten, wenn auch
der Abstand - man muss bis 4 zählen - langsam nervös macht...
Fragen:
Was ist die reine Quarte über es?
"e - a"
ist rein, also
es - as.
Wie heißt die reine Quarte unter b?
"h - f"
ist übermäßig, die Verkleinerung des Intervalls um einen Halbtonschritt reicht also aus:
b - f ist die Lösung.
Was wäre eine übermäßige Quarte unter
d?
Da d - a eine reine Quarte ist, muss
d - as eine übermäßige Quarte abwärts sein.
4. Quinten
zwischen Stammtönen sind alle mit einer Ausnahme rein: alle enthalten einen der natürlichen Halbtonschritte und damit die benötigten 7 Halbtonschritte. Nur die Quinte h - f enthält beide natürlichen Halbtonschritte, deshalb ist sie vermindert. Sie ist das Umkehrungsintervall der übermäßigen Quarte. (Die reine Quinte über h muss fis heißen.)
Regel a: Eine reine Quinte enthält genau einen der natürlichen
Halbtonschritte.
Regel b: Da zwischen
h und f beide Halbtonschritte liegen, ist diese
Quinte vermindert.
Fragen:
Was ist die reine Quinte über
fes?
"f - c" ist rein, also ist
fes - ces richtig.
Nenne die übermäßige Quinte unter
h!
Unter h heißt die reine Quinte e, also
muss ich das e erniedrigen, um die übermäßige Quinte
h - es zu erhalten.
Wie heißt eine verminderte Quinte unter
a?
"a - d" ist rein, also ist
a - dis vermindert.
5. Sexten
sind riesige Intervalle, kaum zu zählen! Ehrlich gesagt - bevor ich die Halbtonschritte einer Sexte abzähle, bilde ich ihr Komplementärintervall. Aber schauen wir doch mal genau hin:
Regel a: Eine große Sexte enthält nur einen der natürlichen
Halbtonschritte.
Beispiele: c - a; d - h; f - d und g - e. Ihr
Komplementärintervall ist jeweils eine kleine Terz.
Regel b: Kleine Sexten enthalten zwei natürliche Halbtonschritte.
Beispiele: e - c; a - f und h - g. Das Komplementärintervall ist
eine große Terz.
Zum Glück sind Sexten nur ein Stückchen größer als reine Quinten (und davon, dass du die aufsagen kannst wie deinen Namen gehe ich jetzt mal aus...): die kleine Sexte ist einen Halbtonschritt weiter, die große entspricht einer Quinte plus Ganztonschritt. Im Ernst: ich würde die Frage nach der großen Sexte über gis nicht mit den Halbtonschritten der Stammtonreihe verknüpfen - zu unübersichtlich! Mein Gedankengang wäre folgender:
Fragen:
Wie heißt eine große Sexte über
gis?
Möglichkeit a): Die Terz unter gis, gis - e, ist groß, die kleine
Terz wäre gis - eis, also heißt die große Sexte über
gis auch eis, weil die große Sexte über
gis der kleinen Terz unter gis entspricht.
Denkweg b): Die Quinte über gis ist dis,
die große Sexte ist ein Ganztonschritt weiter: gis - eis. (Nein, nicht
f! gis - f ist eine Septime, und das ändert sich auch nicht mehr! Zähle
bitte an den Fingern "gis - a - h - c - d - e - f" ab und akzeptiere,
dass Sexten und Septen verschiedene Intervalle sind!)
Nenne die kleine Sexte unter
as!
Weg a): as - c aufwärts ist eine große Terz, also ist
as - c abwärts eine kleine Sexte.
Weg b): Die Quinte unter
as wäre des, ein Halbton tiefer ist
c, also
as - c.
Was wäre die kleine Sexte über
f?
Weg a): die große Terz unter f ist des,
also ist f - des eine kleine Sexte.
Weg b): Die Quinte über
f ist c, ein Halbton höher ist
des, also
f - des.
6. Septimen:
hier ist endgültig der Bezug zur Oktave das Mittel der Wahl, bzw. die Umkehrung des Intervalls. Wer will schon wirklich bis 7 zählen, oder gar 10 Halbtonschritte für die kleine, und 11 für die große Septime ermitteln? Die Oktave hat 12 Halbtonschritte, und die Septen sind einen bzw. zweie kleiner, basta.
Der Ordnung halber sei aber eben festgestellt:
Regel a: große Septimen enthalten nur einen der natürlichen
Halbtonschritte.
Beispiele: zwischen c und h liegt nur einer der
Halbtonschritte, zwischen f und e ebenfalls.
Regel b: kleine Septimen enthalten beide natürlichen
Halbtonschritte.
Beispiele: d - c; e - d; g - f; a - g; h - a.
Stelle dir die Septime c - h vor, und frage dich, wie weit das h vom c darüber entfernt ist: einen Halbton. Also ist c - h eine große Septime. Bei d - c ist klar: das c liegt einen Ganzton unter dem nächsten d, also muss die Septime d - c klein sein. Wenn man einem Durdreiklang die kleine Septime hinzufügt, erhält man einen Dominantseptakkord.
Fragen:
Wie heißt die große Septime über
d?
Der gesuchte Ton liegt einen Halbton unter der Oktave:
d - cis.
Was wäre die kleine Septime unter
f?
Das muss f - g sein, denn g liegt einen
Ganztonschritt über der Oktave f. Außerdem ist
f - g aufwärts eine große Sekunde, also ist
f - g abwärts eine kleine Septime.
Nenne die große Septime unter gis!
Endlich eine schwierige
Frage! Einen Halbton über gis liegt a, und das
ist auch schon die Antwort.
Es gibt keine schwierigen Fragen zu Septimen, es gibt nur das Problem, dass man sein Gehirn in Bewegung setzen und überlegen muss "geht es nun 'rauf oder 'runter?".