Gitarre und Musiklehre, U. Meyer

Die Intervallarten rein und groß/klein

Zwei Intervallarten

Es gibt zwei Gruppen von Intervallen: die "reinen" Intervalle gibt es in der Obertonreihe nur in einer Form, andere tauchen in zwei Versionen, groß oder klein auf.

Obertonreihe

Man sieht: zwischen dem 3. und dem 4. Oberton, c und e, liegt eine Terz aus 4 Halbtonschritten, zwischen dem e und dem folgenden g sind es aber nur 3 Halbtonschritte. Das Intervall Terz existiert also in zwei gleichberechtigten Formen in unserem Tonsystem, während Oktave, Quinte und Quarte nur in einer Form auftauchen.

Die Einteilung in die Gruppen "reine" und "groß/kleine" Intervalle wurde nicht erdacht, um Musikarbeiten schwieriger zu machen, sondern beruht auf Physik. So existieren sie nun mal in der Obertonreihe. Die Formen "übermäßig" und "vermindert" gibt es zusätzlich bei beiden Gruppen.

Reine Intervalle

reine Intervalle

Groß / kleine Intervalle

gross / kleine Intervalle

Die Intervalle, die mehr als eine Oktave umfassen, also zum Beispiel None, Dezime etc. funktionieren genauso, wie die "kleinen Geschwister": So wie Sekunden sind auch Nonen groß oder klein, Undezimen sind wie Quarten rein.

Übermäßige und verminderte Intervalle

Jedes Intervall kann außerdem noch übermäßig oder vermindert sein. Eine Terz, die noch einen Halbton größer als eine große Terz ist, heißt übermäßig; und auch eine Quinte, die größer als eine reine Quinte ist, heißt übermäßig. Eine verminderte Prime wäre unlogisch, sie würde sozusagen in die Antimaterie führen. Ich nenne sie übermäßig in der Gegenrichtung.

Reine Intervalle

Hier zunächst die reinen Intervalle als übermäßige oder verminderte in Noten:

reine Intervalle in 3 Versionen

Groß / kleine Intervalle

Auch die Gruppe der groß/kleinen Intervalle gibt es als verminderte und übermäßige Intervalle. Die Grafik ist etwas umfangreicher, weil von jedem Intervall vier Versionen aufgeführt werden. Einige davon sehen sehr absurd aus und sind auch rein theoretischer Natur, andere, sehr komisch aussehende Gestalten werden sehr wohl gebraucht, was in den Abschnitten über enharmonische Intervalle näher beschrieben wird.

gross / kleine Intervalle in 4 Versionen

Genaue Größe in Halbtonschritten

Wie groß ist denn jedes Intervall in Halbtonschritten? Wenn man wissen will, ob eine Sexte groß oder klein ist, muss man eine Zahl im Kopf haben... beziehungsweise an den Fingern abzählen! Das Zahlensystem der Musik ist sehr kompliziert wegen der Halbton- und Ganztonschritte, also besser an den Fingern abgezählt als falsch geantwortet!

Fügen wir deshalb noch eine vergleichsweise einfache Liste ein:

Intervalle nach Halbtonschrittgröße

Intervall Halbtonschritte Ganztonschritte
reine Prime 0 0
kleine Sekunde 1 ½
große Sekunde 2 1
kleine Terz 3
große Terz 4 2
reine Quarte 5
übermäßige Quarte / verminderte Quinte 6 3
reine Quinte 7
kleine Sexte 8 4
große Sexte 9
kleine Septime 10 5
große Septime 11
reine Oktave 12 6

Um ein übermäßiges Intervall auszurechen musst du einen Halbtonschritt addieren; ein vermindertes erhälst du, indem du einen Halbtonschritt abziehst.
Eine verminderte Terz hätte also zwei Halbtonschritte, eine übermäßige fünf.

Alle Intervalle bis zur None

Die folgende Notengrafik enthält alle übermäßigen und verminderten Intervalle, nur die übermäßige Prime in der Gegenrichtung habe ich weggelassen. Lies die Abkürzungen so:
Unter den Noten stehen oben stehen die Intervallkürzel: kl = klein; gr = groß; v = vermindert; ü = übermäßig; r = rein.
Unten stehen die Tonschritte: ½ = 1 Halbtonschritt; 2½ = zweieinhalb Tonschritte oder 5 Halbtonschritte (das sind 5 Bünde auf der Gitarre)...

genaue Größe der Intervalle

Man sieht in dieser Notengrafik gut, dass viele Intervalle die gleiche Anzahl Halbtonschritte haben, aber verschieden heißen. Es gibt viele Überschneidungen.

Intervalle auf dem Instrument abzählen

Wohl dem, der ein Saiteninstrument oder ein Tasteninstrument spielt! Auf einer Klaviatur kann man Halbtonschritte sehr schön abzählen, gleiches gilt für eine Gitarrensaite: Jeder Bund ist ein Halbtonschritt. Aber Vorsicht beim "Denken durch Klaviertasten"! Pianisten machen gerne den Fehler, ein ais als b zu identifizieren, ohne weiter groß drüber nachzudenken...

Gleich große Intervalle

In der folgenden Tabelle habe ich mir als künstlerische Freiheit herausgenommen, das "häufiger auftauchende" Intervall blau und das weniger häufige grau einzufärben. Das ist bei einigen Exemplaren, die von großer Wichtigkeit für die Spannung in der Musik sind natürlich großer Quatsch (verminderte Quarte, übermäßige Sexte, verminderte Septime), aber so hat man immer ein Intervall, an dem man "sich festhalten" kann.
Übermäßige Quarte und verminderte Quinte sind natürlich absolut gleichberechtigt, auch wenn nur erstere "Tritonus" heißt!

In der Tabelle kann man dank der Farben auch sicher die Komplementärintervalle finden, die im nächsten Abschnitt erläutert werden: suche zu einem Halbtonschrittswert den Wert, der zwölf ergibt, wenn man sie addiert, zum Beispiel:
4 Halbtonschritte + 8 Halbtonschritte ergeben 12 Halbtonschritte.
Bei "4" steht in blau "große Terz", bei "8" kleine Sexte. Diese beiden sind also Umkehrungen von einander.

Halbtonschritte Ganztonschritte Intervalle Töne 1 Töne 2
0 0 reine Prime, verminderte Sekunde c - c c - deses
1 ½ übermäßige Prime, kleine Sekunde c - cis c - des
2 1 große Sekunde, verminderte Terz c - d c - eses
3 übermäßige Sekunde, kleine Terz c - dis c - es
4 2 große Terz, verminderte Quarte c - e c - fes
5 übermäßige Terz, reine Quarte c - eis c - f
6 3 übermäßige Quarte, verminderte Quinte c - fis c - ges
7 reine Quinte, verminderte Sexte c - g c - ases
8 4 übermäßige Quinte, kleine Sexte c - gis c - as
9 große Sexte, verminderte Septime c - a c - heses
10 5 übermäßige Sexte, kleine Septime c - ais c - b
11 große Septime, verminderte Oktave c - h c - ces
12 6 übermäßige Septime, reine Oktave c - his c - c

Umkehrungen der Intervalle

Intervalle kann man umkehren, indem man den tieferen der Töne zum höheren macht oder anders herum. (Hier steht etwas über das Umkehren von Dreiklängen und Septakkorden.)
Wenn ich bei der Terz c - e den unteren Ton nach oben oktaviere, oder umgekehrt den oberen Ton nach unten, erhalte ich die Sexte e - c. Das funktioniert für jedes Intervall: Prime & Oktave, Sekunde & Septime, Terz & Sexte, sowie Quarte und Quinte heißen die Paare.

Umkehrungen

Die Umkehrungsintervalle oder Komplementärintervalle ergänzen sich zu einer Oktave. Bei der Intervallberechnung des Namens zählt der Ausgangston mit:
Die Sekunde c - d hat den Intervallwert "zwei",
die Septime d - c den Wert "sieben".
2 + 7 = 9. Warum ist die Oktave plötzlich "9"? Ist sie gar nicht: das "d" in der Mitte wird ja zweimal gezählt, weil man den Anfangston beider Intervalle mitzählt!

Merke:

Die Namen der Komplementärintervalle ergänzen sich immer zur Zahl 9.

Bei der Berechnung der Größe in Halbtonschritten (H) läuft die Rechnung wieder etwas anders:

Die große Sekunde (2 H) und die kleine Septime (10 H) ergänzen sich zu einer Oktave, die bekanntlich zwölf Halbtöne enthält:
2 + 10 = 12!
Warum kommt hier nicht auch "einer mehr" heraus, also 13? Weil man einfach zwei Zahlen addiert und nicht zweimal einen Anfangston zählen muss!

Merke:

Zwei reine Intervalle ergänzen sich zur Oktave.
Ein kleines Intervall braucht ein großes zur Ergänzung und umgekehrt.
Ein vermindertes hat ein übermäßiges Komplementärintervall.

Mit diesem Wissen kann man langwierige Rechnungen abkürzen oder überprüfen:

Wie heißt die kleine Septime unter as? Ganz einfach: genau so, wie die große Sekunde über as, also b.

Ist fis - dis eine große oder eine kleine Sexte? Da d - f eine kleine Terz ist, muss dis - fis ebenfalls eine kleine Terz sein, und folglich fis - dis als Komplementärintervall eine große Sexte.

Hier die Komplementärinteralle im Notenbild:

Umkehrungen genau

Aussagen über ein Intervall

Ich fasse hier noch einmal zusammen, was man zum Beispiel über das Intervall c - as aussagen kann:

  1. c - as ist eine Sexte.
  2. c - as ist eine kleine Sexte.
  3. Von c nach as zählt man 8 Halbtonschritte. (Auf einer C - Saite wäre das as im 8. Bund.)
  4. Das Komplementärintervall, as - c, ist eine große Terz.
  5. c - as ist definitv nicht dasselbe wie c - gis!
  6. Als Klangbeispiel für die kleine Sexte aufwärts kann man diese Melodie abspeichern; diese für die kleine Sexte abwärts.