Allgemeine Hinweise
Schon 1622 bei Castaldi die Geste der Wahl: Psst! Er muss noch stimmen!
Ich glaube nicht, dass man das Stimmen wirklich einfach beschreiben kann. Auch beim Erklären im
Unterricht braucht man viel Zeit und Aufmerksamkeit. Und
man braucht vor allem eines: Stille! In lebhaften Gruppenunterrichten ist es schon
nicht einfach für den Lehrer, die Gitarren zu stimmen, es den Schülern beizubringen ist noch
schwieriger.
Vor allem muss man das Stimmen praktizieren (üben)! Wenn man es zu selten
macht, lernt man es nicht ordentlich. Besonders vor Publikum gelingt es dann nicht...
Für
Nichtgitarristen, die in der Verlegenheit sind, eine Gitarre stimmen zu sollen: Man kann die
Töne für die Saiten ja auch mal von einem Klavier abnehmen. Hier steht, wie die Gitarrensaiten
in normaler Notation
aussehen!
Ein elektronisches Stimmgerät oder eine App zu benutzen verhindert zwar, dass man stimmen lernt, aber es hilft! Man sollte sich allerdings der Tücken bewusst sein, die diese Helfer haben. Und freuen wir uns doch bei allem Jammern über die Schwierigkeit des Stimmens, dass unsere sechs Saiten ziemlich flott in Ordnung zu bringen sind - Klavierspieler warten Wochen auf den Stimmer und zahlen dann...
Vergebliches Stimmen
Die wichtigsten Gründe dafür, dass man ganz gewissenhaft stimmt, nach kurzer Zeit aber doch das Gefühl hat, dass vieles schief klingt:
- der Spieler greift nicht sauber
- Temperaturschwankungen sind noch nicht ausgeglichen
- die Saiten schwingen nicht sauber
- das Instrument ist nicht besonders gut.
Ein Versuch, alle möglichen Gründe genau zu beschreiben findet sich hier.
Wenn alles zum Besten bestellt ist, manche Töne aber trotzdem etwas schief klingen, liegt das an der Diskrepanz zwischen reiner und temperierter Stimmung. Die ist zwar sehr gering, kann aber doch sehr stören, und man nimmt sie je nach Tagesform und Aufmerksamkeit unterschiedlich wahr. Siehe unten unter "Feinheiten".
Drei wichtige Regeln für das Stimmen:
- Den richtigen Wirbel drehen: erst mal schauen, welcher Wirbel zu welcher Saite gehört.
- Nicht zu schüchtern drehen: wenn man kaum dreht, passiert eventuell nichts, oder nicht genug, um es wahrzunehmen.
- Immer nur drehen, während man den Ton hört! Wenn man lange genug in eine Richtung dreht ohne etwas zu hören, kann eine Saite schon mal reißen!
Eine Standard-Aufgabe für das Gehirn
Stimmen ist kein mystischer Vorgang! Wenn man die Aufgabe bekommt, aus einer Karaffe ein Glas randvoll mit Wasser zu füllen, wird man erstens hinschauen, damit man das Glas trifft und nicht daneben gießt, zweitens genau beobachten, wann sich der Wasserstand im Glas dem Rand annähert und dann drittens aufhören zu gießen, wenn man das Ziel erreicht hat.
Komischerweise machen viele Menschen beim Stimmen erst mal Dinge anders: sie drehen an irgendeinem Wirbel, ohne zu schauen, ob es der richtige ist, sie schlagen die Saite nicht an, hören also gar nicht, ob sich der zu stimmende Ton dem Zielton annähert, und sie drehen munter drauf los, ohne zu kontrollieren, ob das Wasser schon überläuft, also ob der Ton schon zu hoch oder zu tief ist.
Doch man kann mit dem Gehirn das Stimmen ebenso gut überwachen, wie das Füllen eines Glases, das Treffen eines Dartpfeils, oder das Einparken eines Autos! Wenn man den Ton, nach dem man stimmt, und den zu stimmenden Ton gleichzeitig hört, hört man die sogenannte Schwebung, wenn die Töne nicht gleich sind. Wenn die Schwebung langsamer wird und schließlich ganz aufhört, hat man ein ähnliches Anzeichen für das Stimmen wie den Einparkassistenten, der in teureren Autos piepst...
Zuordnung der Saiten
Natürlich sollte man sich erst mal damit vertraut machen, welche Saite zu welchem Stimmwirbel gehört. Eigentlich ist das ganz einfach: die Saiten e', h, g, d, A, E laufen quasi im Halbkreis um den Kopf herum. Die äußeren Saiten e' und E sind den vorderen Wirbeln zugeordnet, die mittlere Plastiksaite h und die mittlere umsponnene Saite A den mittleren Wirbeln, und die beiden innneren Saiten g und d stimmt man ganz hinten am Kopf.
Die Zuordnung der Saiten auf der Gitarre für Rechtshänder ist genauso wie auf der Gitarre für Linkshänder. Sie sind nur spiegelverkehrt zu einander.
Wenn ich als Rechtshänder eine Linkshändergitarre in meiner gewohnten Haltung stimme, sind die tiefen Saiten unten. Beim Linkshänder sind sie oben.
Wie herum muss man drehen?
Es ist immer schwierig zu erklären, wie herum man drehen muss, wenn die Saite höher werden soll.
"Von dir weg drehen!" ist nicht eindeutig. Deshalb habe ich zwei Fotos gemacht.
Die Fotos
zeigen den Gitarrenkopf von vorne, aber wenn du stimmst, sitzt du ja hinter der
Gitarre!
In dieser Richtung, also von hinten gesehen gegen den Uhrzeigersinn, drehst du die Saite höher.
In dieser Richtung, also von hinten gesehen im Uhrzeigersinn, wird die Saite tiefer.
Achtung: Wenn man eine Linkshändergitarre als Linkshänder hält, also
mit der rechten Hand stimmt, muss man genau anders herum drehen! "Gegen den Uhrzeigersinn" (von
hinten gesehen) wird der Ton tiefer, im Uhrzeigersinn höher.
Die Lösung:
immer drehen, während man etwas hört, dann merkt man auch, wenn man am falschen
Wirbel dreht.
Achtung: Wenn eine Saite falsch herum aufgezogen ist, dreht man erstmal falsch!
Meine Stimmroutine
Auf dieser und den folgenden Seiten habe ich versucht, alles, was mir zum Stimmen eingefallen ist aufzuschreiben, weil ich das Thema wichtig finde.
Hier folgt zunächst eine bebilderte Beschreibung meiner Stimmroutine. Probiere sie doch mal
aus!
Folge den Anweisungen, stimme häufig, dann lernst du es schneller, und deine Gitarre
ist in Ordnung und klingt gut!
Im ersten Bild schlage ich die Stimmgabel an meinem Knie an. Man kann den Ton, nach dem man stimmen möchte natürlich von einer anderen Gitarre oder überhaupt einem anderen Instrument abnehmen. Oder man findet, dass die A-Saite einfach noch die richtige Höhe hat - ich habe an strategischen Plätzen Stimmgabeln griffbereit.
Den Ton abnehmen - die A-Saite stimmen.
Ich stelle die schwingende Stimmgabel auf den Steg oder auf die Decke der Gitarre. Dann hört man ein a' mit 440 Hertz.
Dann schlage ich den Flageolettton oder Oberton über dem 5. Bundstab auf der A-Saite an, der die gleiche Tonhöhe hat, und stimme ihn nach der Stimmgabel.
Die fünf anderen Saiten
Die d-Saite
Der Oberton über dem 5. Bundstab der A-Saite gibt die doppelte Oktave des Grundtones, also ein a'. Ich schlage ihn an und
stimme danach den Oberton über dem 7. Bund der d-Saite, die Oktavquinte, also ebenfalls ein a'. Man kann die Punkte für den 5. und 7. Bund an der Griffbrettseite erkennen, oder vom Korpusrand rückwärts zählen - es ist der 7. Bundstab.
In den Bildern erzeuge ich den Oberton mit dem kleinen Finger über dem Bundstab, damit man besser sieht, wo der Finger landet. Normalerweise mache ich die beiden Flageoletttöne mit Zeige- und kleinem Finger, schnell nacheinander und so, dass ich beide hören kann. Dann hört man auch die Schwebung.
Die tiefe E-Saite
Über dem 7. Bundstab der A-Saite erklingt deren Oktavquinte, also ein e'. Das schlage ich zuerst an,
danach schlage ich den Oberton über dem 5. Bundstab der E-Saite an, der die gleiche Höhe haben soll.
Die hohe e-Saite
Ich schlage wieder den Oberton über dem 7. Bund der A-Saite an und stimme danach
die leere e-Saite, die also eigentlich eine e'-Saite ist.
Die h-Saite
Bei der h-Saite bleibe ich meinem Vorsatz, möglichst alles von der A-Saite aus zu stimmen, damit sich Fehler nicht addieren, nicht ganz treu. Ich tue mehrere Dinge:
Erstmal schlage ich die leere e-Saite an, und stimme danach
die h-Saite, indem ich im 5. Bund dasselbe e' greife.
Dann erzeuge ich mit dem Oberton über dem 7. Bund der E-Saite ein h.
und kontrolliere danach die leere h-Saite.
Die g-Saite
Die g-Saite kann man auch nicht direkt über Obertöne von der A-Saite aus stimmen, also schummele ich wieder ein bisschen.
Der Oberton über dem 12. Bund, der bekanntlich am Korpusrand liegt, gibt auf der A-Saite ein a.
Danach stimme ich das gegriffene a im 2. Bund der g-Saite, wobei ich aufpasse, dass ich die Saite nicht verziehe und nicht zu stark drücke.
Kontrolle der oberen Bünde auf den Kunststoffsaiten
Jetzt habe ich alle Saiten gestimmt, und mache noch einige Vergleiche zur Kontrolle. Ob die Saiten in den oberen Bünden genauso stimmen, wie in der tiefen Lage oder als leere Saite?
Mit dem Oberton über dem 5. Bund der A-Saite
vergleiche ich das gegriffene a' auf der e-Saite im 5. Bund und
mit demselben Oberton über dem 5. Bund der A-Saite
vergleiche ich auch das gegriffene a' auf der h-Saite im 10. Bund.
Mit dem Oberton über dem 7. Bund der A-Saite, dem e'
vergleiche ich das gegriffene e' auf der h-Saite im 5. Bund und
wieder mit dem Oberton über dem 7. Bund der A-Saite
vergleiche ich das gegriffene e' auf der g-Saite im 9. Bund.
Endlich fertig - das ging doch schnell!
Nach dem Stimmen probiere ich noch ein paar Akkorde aus und vermittele zwischen den zu großen
Quinten und den großen Terzen, die
gerne klein sein wollen. Genaueres
kannst du hinter dem Link finden, und wenn du dich häufiger ärgerst, dass deine Gitarre trotz
aller Mühe nicht so toll stimmt, solltest du das wirklich mal lesen, oder
neue Saiten
aufziehen, oder vielleicht sogar eine
bessere Gitarre kaufen.
Möglicherweise weißt du noch nicht, dass du sehr musikalisch bist, und spielst auf einer
Gitarre von zweifelhafter Qualität, die man gar nicht vernünftig stimmen kann.
Jedenfalls fange ich nach dem Stimmen an, zu spielen. Und wenn ich nach einiger Zeit unzufrieden
bin, denke ich mir, dass das Wetter schuld ist, oder eine Saite sich noch mal gesetzt hat,
stimme noch mal nach, und dann geht es weiter.
Wenn du deine Gitarre häufig stimmst, dankt
sie es dir damit, dass sie die Stimmung gut hält!
Ob die Saiten die Stimmung gut
halten hängt auch davon ab, wie sie
aufgezogen wurden! Frisch
oder sehr nachlässig aufgezogene Saiten geben wochenlang nach - darauf kann man Einfluss nehmen!