Grifftabelle für Gitarre
Der Ausgangspunkt mehrerer Seiten über Akkorde auf der Gitarre ist eine kleine Akkord- oder Grifftabelle.
Die Tabelle (klicke auf Download für eine PDF-Datei) mit den wichtigsten Standardgriffen und einigen Barrégriffen ist keineswegs vollständig. Es sind nicht mal alle Durakkorde enthalten, ich schlage vielmehr vor, sich weitere Griffe abzuleiten. Dazu steht hier ein Kommentar.
Sie ist in englischer Schreibweise verfasst:
- deutsch H heißt englisch B (B major)
- deutsch B heißt englisch B♭ (B flat major)
- deutsch Fis-Moll (wird manchmal so geschrieben: fis) heißt englisch F♯m (F sharp minor)
- deutsch H-Moll heißt englisch Bm (B minor)
Kommentar: Griffe, die in dieser Tabelle nicht enthalten sind.
Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten, einen C-Dur-Akkord auf der Gitarre zu spielen. Mit und ohne Barré, mit 3, 4, 5 oder sechs Tönen, auf benachbarten oder mit ausgelassenen Saiten - je kreativer man ist, desto mehr Variationen findet man. Also ist es kein Wunder, dass es Buchtitel wie "700 Griffe für die Schlaggitarre" gibt.
Weil es solche Bücher schon gibt, und man im Internet ja auch alles findet, ist meine
Grifftabelle nicht größer. Lieber möchte ich zu erklären versuchen, wie man weitere Akkorde
ableitet. Mit ein bisschen
Nachdenken kann man viel erreichen.
Als erstes solltest du den folgenden Abschnitt über
das Verschieben von Barrégriffen lesen, denn alle Akkorde, die in der Tabelle fehlen, findest du
als Barrégriff.
Barrégriffe verschieben
Die beiden ersten Akkorde meiner Tabelle oben sind Barrégriffe, und die angenehme Eigenschaft von Barrégriffen ist, dass man sie verschieben kann. Wenn man alle Töne eines Griffes verschiebt, wird nichts falsch, sondern nur anders. Dies habe ich auf der Seite über Barrégriffe genauer zu erklären versucht.
In der Notenzeile unten steht zuerst A-Dur, der die Grundlage für B-Dur (englisch B♭) ist, dieser Griff wird im nächsten Takt um einen Bund nach oben verschoben, dann hat man H-Dur. Im dritten Bund wird er zu C-Dur, im vierten zu Cis und so weiter.
Wenn man A-Dur als Barrégriff verschiebt, erhält man Durakkorde auf allen Tönen. Natürlich kann B♭ auch A♯ heißen, C♯ auch D♭, E♭ ist D♯, F♯ ist die enharmonische Verwechslung von G♭ und A♭ kann auch G♯ genannt werden.
Man kann der Sache mit zwei Fragen auf die Spur kommen:
- Was bekomme ich eigentlich, wenn ich diesen Griff in den 6. Bund verschiebe?
- Wo finde ich eigentlich Es-Dur auf Grundlage des A-Dur-Griffes?
Natürlich ist die eine Frage die Antwort auf die andere.
Mit dem zweiten Griff der Tabelle, F-Dur, geht das genauso: im 2. Bund erhält man Fis-Dur, im dritten G-Dur und so weiter. Und mit den Moll-Barrégriffen und den Dominantseptakkorden, die in der Tabelle auf h und fis (englisch Bm und F♯m) stehen klappt das auch. Als Beispiele stehen A-Moll im 5. Bund, Cis-Moll und Gis-Moll in der Tabelle.
Oben sieht man, wie aus dem Dominantseptakkord E7 per Barré F7, F♯7 und so weiter werden. Dabei habe ich F♯7 und G♯7 die enharmonischen Verwechslungen G♭7 und A♭7 gegenüber gestellt.
Grifftabelle nutzen
Was macht macht denn nun mit so einer Grifftabelle? So stehen die Akkorde ja aufgelistet, als ob sie nichts mit einander zu tun haben. Man müsste sie praktisch nutzen!
Entweder man nutzt sie in Liedern, die man begleitet, oder man merkt bei fortgeschrittenen Stücken, dass darin Akkorde vorkommen. Das ist ja auch logisch: wenn drei oder mehr Töne übereinander stehen, ergeben sich Akkorde. Auf alle Fälle ist es nützlich, sich mit Akkorden zu beschäftigen.
Kadenzen spielen
Ein Weg, die Akkorde in Zusammenhang zu bringen, wäre Kadenzen zu üben. Eine Standardkadenz in einer Tonart besteht aus der Akkordfolge I. Stufe, IV. Stufe, V. Stufe, I. Stufe. Das sind drei Akkorde, der vierte ist die Rückkehr "nach Hause".
Rechnen wir aus, welche Akkorde das konkret sind, zum Beispiel in C-Dur:
Die erste Stufe in C ist C.
Die vierte Stufe ist
C (1), D (2), E (3),
F (4).
Die fünfte Stufe ist noch einen Ton weiter in der
Stammtonreihe als F, nämlich G.
Die Kadenz in C-Dur besteht also aus der Akkordfolge C - F - G - C.
Achtung: Wenn man die Stufen abzählt, zählt man den Ausgangston, im obigen Beispiel C mit! Wenn man erst beim D "1" sagt, landet man als 4. Stufe beim G, und das ist falsch. Die erste Stufe einer Tonleiter ist der Grundton!
Wenn du das fleißig übst, speicherst du die drei Griffe ab, übst die Griffwechsel, und lernst
auch noch einen Barrégriff. Und du könntest, wenn es ein Lied zu begleiten gibt, dass
mit diesen Griffen funktioniert, versuchen, nach
Gehör zu begleiten.
Falls
du mal in der Situation bist, eine größere Gruppe beim Singen zu begleiten, wäre es ja schön,
wenn alle in der gleichen Tonart sängen und mit dem gleichen Anfangston begännen. Da ist das
beste Mittel, bevor es losgeht einige Male die Kadenz der Tonart zu spielen!
Eine Quinte weiter im Quintenzirkel
Der nächste Schritt wäre, eine Quinte von C weiter zu gehen und G als neue 1. Stufe zu nehmen, um eine Kadenz in G-Dur zu üben: G - C - D - G.
Wenn du das fortführst, also immer wieder eine Quinte hoch gehst, kommt nach D, A, E und H-Dur in Fis-Dur der Punkt, wo die Tabelle zu Ende ist und im Quintenzirkel die Kreuz- und die ♭-Tonarten zusammenstoßen:
Ges - Ces - Des - Ges heißen
(im Internet findet man gerne Gb - B - C♯ - Gb, also eine Mischung aus Fis-Dur und Ges-Dur.).
Ein Halbton höher
Eine andere, gedanklich einfache, aber praktisch schwierige Übung wäre, von C einfach einen Halbton hoch nach Cis (dann nach D, Dis/Es und so weiter) zu gehen. Natürlich heißt die Kadenz Cis - Fis - Gis - Cis - aber - wie spielt man das?
Leite also C♯ von B ab, F♯ steht in der Tabelle, und G♯ greifst du wie F♯, nur wieder zwei Bünde höher.
Gleichnamige Molltonart
Meine nächste Anregung: spiele die Kadenz in der gleichnamigen Molltonart, also in C-Moll. Dazu musst du wissen, dass hier die 1. und 4. Stufe Mollakkorde sind, während die 5. Stufe, die Dominante, eigentlich immer ein Durakkord ist.
Die Kadenz in C-Moll ist also Cm - Fm - G - Cm.
Auch hier musst du C-Moll und F-Moll wieder ableiten. Du findest H-Moll (Bm) in der Tabelle - C-Moll ist einen Bund höher, und F-Moll muss im 1. Bund sein, wenn F♯m
(Fis-Moll) im zweiten Bund ist. Alles ganz einfach!
Natürlich könntest du den G-Dur-Akkord auch als Barrégriff wie F-Dur, nur zwei Bünde höher spielen.
Wenn du Kadenzen in gleichnamigen Dur- und Molltonarten spielst, merkst du, dass die Griffe manchmal sehr verschieden und manchmal fast gleich sind. Zum Beispiel besteht der Unterschied zwischen E-Dur und E-Moll nur in dem gis beziehungsweise g auf der g-Saite, bei G-Dur und G-Moll hingegen hast du einmal einen Akkord mit drei gegriffenen Tönen und drei leeren Saiten gegenüber einem Barrégriff, der komplett anders geht.
Parallele Molltonart
Die
parallele
Molltonart zu C-Dur ist A-Moll, die Kadenz lautet:
Am - Dm - E - Am.
Für viele Songs braucht man nicht nur die Akkorde der Durtonart, sondern auch die der Mollparallele und umgekehrt. Es ist also sinnvoll, Kadenzen in C-Dur und A-Moll als "erweiterte Kadenzen" zusammen zu üben.
Erweiterte Kadenz in Dur
Wenn du eine erweiterte Kadenz in C-Dur spielen möchtest, nimmst du zu den Stufen I, IV und V die Dreiklänge der VI., II. und III. Stufe dazu, zum Beispiel so:
C-Dur, die Tonika, steht auf der I. Stufe, A-Moll, die Tonikaparallele auf der VI., dann
folgen die Subdominante F-Dur und deren Parallele D-Moll, die II. Stufe, die Dominantparallele
E-Moll, die auf der III.Stufe steht, und schließlich Dominante und Tonika, G-Dur und C-Dur.
Statt der Dominantparallele könnte man auch eine Dominante mit Quartsextvorhalt spielen,
aber so habe ich alle Dur- und Mollakkorde benutzt, die in der der C-Dur-Tonleiter
entstehen.
Erweiterte Kadenz in Moll
A-Moll, dessen Gegenklang F-Dur, die Subdominante D-Moll, dann auf der VII. Stufe G-Dur, das in reinem Moll vorkommt, die Tonikaparallele (tP) C-Dur, dann die Dominante E-Dur und zum Schluß wieder A-Moll.
Es ist natürlich schwieriger, diese erweiterten Kadenzen in andere Tonarten zu übertragen, aber
wenn du dich dieser Art Gehirnjogging etwas widmest, kommst du vielleicht in die Lage, die
Grifftabelle nicht nur als eine merkwürdige Grafik zu betrachten, und je länger du Gitarre
spielst, umso vertrauter wird dir das alles werden!
Alle Anregungen dieses Abschnitts
findest du hier als PDF-Datei zusammengefasst, und
hier gibt es einen Abschnitt mit
einer verschärften Version!
Akkorde ableiten
Um andere Akkorde ableiten zu können, muss man natürlich wissen, was die vielen Zusatzziffern
und Buchstaben bedeuten. Dass ein Dreieck hinter dem Akkordbuchstaben "große Septime hinzufügen"
und ein durchgestrichener Halbkreis "halbvermindert" heißt, muss einem erst mal gesagt werden.
Bei komplizierteren Akkordgebilden gibt es Bezeichnungen, die nicht immer einfach zu lesen
sind, besonders in handschriftlichen Noten. Wenn "D", "♭" und "9" undeutlich geschrieben hinter
einander stehen, ist nicht immer sofort klar, ob
"D♭9" (Des-Dur mit kleiner Septime und großer
None) oder "D♭9" (D-Dur mit kleiner Septime
und kleiner None) gemeint ist. Man muss außerdem wissen, das
D9
"d - fis - a - c - e" bedeutet; wenn man
"d - fis - a - e" haben möchte, muss man
"Dadd9" schreiben. Die Tabelle der verwendeten
Akkordsymbole am Anfang des New Real Book nach der
"Standard Chord Symbol Notation" von Brandt und Roemer umfasst eine ganze
Buchseite!
Major seventh
Als Beispiel siehst du unten im Bild normale Dur-Akkorde und Dur-Akkorde mit großer Septime (major 7th-Akkorde). Um diese abzuleiten, nimmst du bei jedem Griff einen auf einer hohen Saite liegenden Grundton, und spielst statt dessen die einen Bund tiefer liegende große Septime.
Im ersten Takt ist das c auf der h-Saite der höhere Grundton des
C-Dur-Akkordes, und dieser wird dann durch die große Septime h ersetzt.
Die beiden Noten sind durch eine blaue Linie verbunden.
Bei
E-Dur und Emj7 in der
zweiten Zeile liegen Grundton und große Septime auf der d-Saite, also ziemlich tief.
Dementsprechen unbefriedigend ist das klangliche Ergebnis. Der zweite
Emj7 - Griff, der so gebaut ist wie der
Dmj7 am Ende der ersten Zeile, klingt besser.
Auch bei F-Dur ist die Sache nicht so einfach: man kann nicht einfach die leere E-Saite im
Barrégriff spielen, also schlage ich dort als erste Lösung einen Griff vor, der nur die vier
höchsten Saiten umfasst.
Auch für Fmj7 wäre der zweite Grifftyp bei Emj7 , natürlich in der 3. Lage, eine gute Lösung! Er ist natürlich eine Barré-Version des Dmj7 - Griffes. Den Amj7 - Griff kann man auch als Barrégriff verschieben, um andere Akkorde zu spielen, und wenn man den letzten Griff des Beispiels mit vier Fingern greift, wird er ebenfalls verschiebbar.
Minor seventh
Mollakkorde mit kleiner Septime kann man ähnlich ableiten. Entweder man ersetzt einen hoch liegenden Grundton durch die kleine Septime zwei Bünde oder einen Ganzton tiefer, oder man sucht sich die kleine Septime drei Bünde über der Quinte.
Im Bild unten siehst du zunächst A-Moll, und dann
Am7, für den ich die Septime g einen Ganzton unter dem
a im 2. Bund der g-Saite nehme.
Um D-Moll zu
Dm7 zu machen, gehe ich auf der h-Saite einen
Ganzton unter den Grundton.
Im Falle von Em könnte man auf die
Idee kommen, einfach die leere d-Saite statt des e im zweiten Bund zu
spielen, aber das klingt recht grummelig. Lieber ersetze ich das h durch
das d im dritten Bund der h-Saite.
Beim Fis-Moll-Barrégriff kommt
allerdings doch der Trick mit der d-Saite zum Einsatz.
Andere verschiebbare Griffe
Das schöne an der Gitarre ist ja, dass man überhaupt alles, was man ohne leere Saiten spielt, auf dem Griffbrett verschieben kann. Auch C79, C7♭9 und C7♯9 (Bild rechts oben) kann man zu C♯79, D79 usw. machen (Bild rechts unten) und auf alle chromatischen Töne verschieben. Und man kann den Griff, der auf den Saiten 2 bis 5 liegt, auch auf die Saiten 1 bis 4 umbauen (im Beispiel ganz rechts), um so noch mehr Möglichkeiten zu erhalten.
Griffstrukturen
Über solcherlei habe ich mich auf der Seite über Griffstrukturen furchtbar ausgetobt. Dort habe ich versucht, möglichst viel zur Verwandtschaft zwischen Grifftypen, zur Ableitung von Akkordtypen, oder zu Intervalländerungen innerhalb von Griffen zu schreiben, also zu Fragen wie "Wie findet man eine Septime in einem Griff?", "Wie wird aus einem Dur- ein Mollakkord?" oder "Wie muss ich einen Griff, den ich auf der Saitengruppe 1-4 kenne umgestalten, damit er auf den Saiten 2-5 funktioniert?" Ich schätze, das ist alles sehr anstrengend zu lesen - soll aber im günstigen Fall dazu führen, dass man versteht, warum bestimmte Dinge so aussehen, wie sie aussehen.
Damit ist hier immer noch längst nicht alles erklärt. Wenn man kompliziertere Musik spielt, braucht man entweder Wissen über Harmonielehre oder entwickelt sein eigenes System, das dann aber anderen schwer zu erklären sein wird.
Weitere Fragen wie "Wann spielt man einen C79 mit Grundton, wann ohne?" oder "Impliziert C7♯9 automatisch eine ♯5 (♭13)?" führen dann ganz schnell in Bereiche, wo klar wird: entweder man nimmt wirklich soliden Unterricht in Jazzharmonielehre, oder man konsultiert ein dickes Buch oder das Web, wobei letzteres natürlich funktioniert wie immer: Sucht man nach "C7♭9" stösst man sofort auf Akkorde, bei "C79" findet man Tintenpatronen, optische Linsen, Rechtssprechung nach entsprechendem Paragraphen, Nierenbeckenmedizin, und dann den Akkord in einem Song von Cat Stevens... das Internet hat seine eigenen Gesetze...