Gitarre und Musiklehre, U. Meyer

Tonleiteraufbau oder: alles hängt miteinander zusammen.

tonleiter

Wenn man die Grundlagen der Musiklehre soweit verstanden hat, ist die Beschäftigung mit Tonleitern eine großartige Sache!

Tonleitern sind systematisch, einfach, die Strukturen bleiben gleich und die Gesetzmäßigkeiten werden schnell sichtbar! Man lernt an ihnen, was die Welt der Musik zusammenhält, was Verwandtschaft stiftet, was Spannung erzeugt. Weiterhin lassen sich aus einer Tonleiter die Akkorde einer Tonart ableiten, es ist also sehr sinnvoll, sich mit Tonleitern vor den harmonischen Begriffen zu beschäftigen.

Verschiedene Arten von Tonleitern

Eine Tonleiter ist eine ordentliche Aufreihung der Töne, die man in einem Musikstück benutzt. Es ist gut, sie zu kennen, da man dann weiß, welche Töne in einem Musikstück auf einen zukommen können, und es ist schlau, sie auf dem Instrument zu üben. Das schult die Geläufigkeit, die Koordination der Hände bei Saiteninstrumenten, und man braucht viele Läufe in Stücken kaum noch zu üben, weil man sie so oder so ähnlich schon viele Male gespielt hat.

Europäisch geprägte Musik

Die "klassische" Musik Europas hat auf der Welt eine ziemlich große Verbreitung. Das Material, mit dem Beethoven gearbeitet hat, kennt man auch in Japan, und es steckt auch im Jazz oder Grunge. Aber natürlich gibt es auf dem Planeten Tonleitern, die uns sehr fremd vorkommen, oder ähnlich sind, aber völlig anders benutzt werden. Aber hier bleiben wir mal bei den Tonleitern, die man für "Hänschen klein" oder Beethovens Neunte braucht.

Es gibt verschiedene Arten von Tonleitern, z.B. Durtonleiter, melodische Molltonleiter, phrygische Tonleiter, bei denen die Stufen in bestimmten Abfolgen von Ganz- und Halbtonschritten organisiert sind - diese Charakteristika muss man lernen, um die Tonleitertypen unterscheiden zu können.

In einfachen Stücken kommt unsere Musikkultur meist mit den Tönen einer Tonleiter aus. Benutzt man die Töne der As-Dur-Tonleiter, sagt man, das Stück stehe in As-Dur.

Die Durtonleiter

Die einfachsten Stücke unserer vertrauten Musikkultur benutzen die Dur-Tonleiter, deshalb beginnt die Reise mit ihr.

Es gibt eine Dur-Tonleiter, die mit den Stammtönen auskommt: C-Dur. In der Skala von c bis c ist die Abfolge von Ganz- und Halbtonschritten zufälliger Weise richtig, die natürlichen Halbtonschritte liegen genau da, wo eine Durtonleiter sie braucht. Baut man eine Tonleiter auf einem anderen Ton auf, braucht man mehr oder weniger Versetzungszeichen, um die Halbtonschritte an die richtigen Stellen zu legen.

Die C-Dur-Tonleiter

Wenn man die Töne von c bis c aufschreibt, hat man eine C-Dur-Tonleiter. Die Halbtonschritte müssen zwischen den Stufen 3 und 4, sowie 7 und 8 liegen, und in C-Dur ist das von alleine richtig. Deshalb ist diese Tonleiter unser Modell für alle des gleichen Typs.

C-Dur mit Halbtonschritten

Tetrachorde

Man teilt Tonleitern der Übersicht wegen gerne in zwei Hälften ein, die man Tetrachorde nennt (tetra = vier, chorda = Saite). Auf diese Weise wird bei der Durtonleiter sofort sichtbar, dass die Halbtonschritte am Ende des ersten und des zweiten Tetrachords liegen. Alle anderen Abstände sind Ganztonschritte.
Der Taktstrich nach vier Tönen im Notenbeispiel steht also der Ordnung halber da, nicht weil die Tonleiter im 4/4-Takt steht.

Die Sache mit den Tetrachorden scheint heute in der Schule nicht mehr gelehrt zu werden, jedenfalls sagen die Schüler heute eher:

Dur ist: Ganzton Ganzton Halbton Ganzton Ganzton Ganzton Halbton
Ich finde: Ganzton Ganzton Halbton | Ganzton Ganzton Halbton

übersichtlicher, wobei man natürlich wissen muss, dass bei dem senkrechten Strich, der die Grenze zwischen den Tetrachorden repräsentiert, auch ein Ganzton zu denken ist. Die beiden Tonleiterhälften sind gleich aufgebaut; das wird mit den Tetrachorden deutlicher.

Wie entsteht das erste Kreuz?

Beginnt man eine Durtonleiter mit einem anderen Ton als c, braucht man Versetzungszeichen, um die Lage der Halbtonschritte zu korrigieren.

Um die Tonleiter zu finden, die genau ein solches Korrekturzeichen benötigt, muss man nicht einen Ton nach oben gehen und auch nicht einen Halbton. Man muss sich von c eine reine Quinte nach oben oder unten bewegen, um zur nächsten Tonart zu gelangen.

Der nächste Verwandte

Den Grund dafür findet man in der Obertonreihe, die die physikalischen Grundlagen unserer Musik zeigt. Dort taucht über dem Grundton als erster Oberton dessen Oktave, also wieder derselbe Ton, und danach die Quinte auf. Sie ist der erste Ton, der nicht dem Grundton entspricht, also zugleich der erste Fremde und der nächste Verwandte.

Wenn man Quinte auf Quinte folgen lässt, entsteht nach und nach unser Tonvorrat an Stammtönen, und die Abfolge der Tonleitern gestaffelt nach der Anzahl der Vorzeichen: eine Quinte von c entfernt braucht man ein oder ♭, zwei Quinten entfernt zwei Kreuze oder s, und so weiter. Um diese Abfolge darzustellen gibt es den Quintenzirkel.

Der Quintenzirkel

Der Quintenzirkel ist ein zentraler Dreh- und Angelpunkt der allgemeinen Musiklehre, wird deshalb in der Schule immer wieder durchgesprochen und ist darum auf dieser Seite x-fach verlinkt und mehrfach vorhanden. Die reine Quinte ist das Zusammenhang stiftende Intervall unserer Musikkultur - auch in der atonalen Musik, denn sobald sie dort auftaucht, wittert der gebildete Hörer Verrat...

Es hängen zusammen: Die Reihenfolge der Tonarten, der Quintenzirkel, die Reihenfolge der Kreuze und s, die Verwandtschaft der harmonischen Funktionen innerhalb einer Tonart - alle miteinander! Außerdem ist die Quinte auch beim Aufbau von Akkorden ein wichtiges Intervall.

Falls du wenig oder nichts mit dem Begriff "Quinte" anfangen kannst, solltest du vielleicht die Kapitel über Intervalle durcharbeiten. Über die reine Quinte findest du im Kapitel Intervalle und auf der Seite über Akkorde einen Text.

Die G-Dur-Tonleiter mit einem Kreuz

Die Durtonleiter, bei der das erste Kreuz gebraucht wird, wird auf dem Ton g aufgebaut, denn g ist die Quinte über c.

G-Dur falsch

Die "falsche" Tonleiter auf g mit dem Halbtonschritt zwischen 6. und 7. Stufe.

Fehlerkorrektur

Wenn du die Tonleiter auf g oben anschaust, wirst du sehen, dass einer der Halbtonschritte nicht an der richtigen Stelle steht.

Der natürliche Halbtonschritt h-c liegt richtig, nämlich zwischen den Stufen 3 und 4.
Aber der Halbtonschritt e-f fällt auf die Stufen 6 und 7, und zwischen 7 und 8 liegt ein Ganztonschritt. Wenn man von g aus eine Durtonleiter wie auf c haben möchte, muss man das f, also den siebten Ton, um einen Halbtonschritt erhöhen.

Das erste Kreuz

So wird das erste Kreuz geboren! Das Kreuz ist das Zeichen, das den Ton, vor dem es steht um einen Halbton erhöht. Der Notenname bekommt auf Deutsch die Endsilbe "-is". In der nächsten Grafik ist der Fehler von oben korrigiert.
Die "richtige" G-Dur-Tonleiter:

G-Dur richtig

Ich habe das Kreuz auf der obersten Linie am Ende der Zeile notiert, sozusagen als "Arbeitsergebnis". Normalerweise stehen die Vorzeichen eines Stückes direkt hinter dem Notenschlüssel.
Beim Vergleich der Tonleiter auf g mit der auf c fällt auf, dass das erste Tetrachord von G-Dur dem zweiten von C-Dur entspricht. Auch diese Tatsache wird einem leichter bewusst, wenn man den Begriff "Tetrachord" überhaupt kennt.

Die Reihe der Kreuztonleitern

Von g aus kommst du über die Quintverwandtschaft zum d als Grundton der nächsten Tonleiter. Jetzt kann man schon einige Gesetzmäßigkeiten ableiten:

  • Du brauchst das "fis" wieder, das erste Tetrachord von D-Dur entspricht wieder dem zweiten von G-Dur. Allgemein formuliert: die Vorzeichen der vorhergehenden Tonart werden übernommen.
  • Als letztes Kreuz (von immerhin zweien) wird das vor der siebten Stufe gesetzt. Die siebte Stufe heißt "Leitton". Einen Halbton höher findest du den Grundton, das heißt: bei einer Durtonleiter kannst du vom "letzten Kreuz" leicht den Grundton ableiten.

Kreuze werden "vererbt"

Dies wird auch in den folgenden Tonarten so sein: Die Kreuze der in der Quintenabfolge vorher entstandenen Tonleitern werden übernommen, und vor der siebten Stufe kommt das letzte der Reihe dazu.

Eine Aufgabe zum Nennen der Tonleitern findest du beim "Zirkeltraining". Wenn du die Entstehungsgeschichte der Kreuze aber wirklich begreifen möchtest, würde ich die folgende schriftliche Aufgabe durchführen!

Aufgabe:

Ich gehe davon aus, dass du das System verstanden hast, und schreibe die weiteren Kreuztonarten nicht auf. Um ein bisschen Übung zu bekommen, nimm Papier und Bleistift, versehe D-dur und die folgenden Tonleitern mit Stufenziffern und Halbtonschrittzeichen und trage die Kreuze in der Reihenfolge ihrer Entstehung hinter dem Doppelstrich ein. In Musikstücken stehen die Vorzeichen normalerweise direkt hinter dem Notenschlüssel, aber hier sind sie ja das "Ergebnis" deiner Überlegungen.
Am Beginn der letzten beiden Reihen steht schon der Grundton - das habe ich vorsichtshalber gemacht. "Eine Quinte weiter" heißt immer "eine reine Quinte", und dazu musst du wissen, was genau das ist!

Kreuztonarten Aufgabe
Lösung 01 Tonleitern

Arbeitsergebnisse:

Nachdem du diese Aufgabe gemacht hast, kannst du folgende Ergebnisse festhalten:

  1. Jede neue Tonleiter übernimmt die Vorzeichen der im Quintenzirkel vorhergehenden.
  2. Als letztes Kreuz kommt das vor der siebten Stufe dazu. Von ihm kann man ableiten, in welcher Kreuztonart man sich befindet.
  3. Diesen siebten Ton der Tonleiter bezeichnet man als Leitton.
  4. Dieser Leitton ist die Terz der Dominante, es gibt also einen Zusammenhang zwischen der Beziehung Dominante - Tonika und der Entstehung der Kreuze, der in Moll übrigens zum Entstehen der harmonischen Molltonleiter führt.
  5. Die Namen der erhöhten Töne werden regelmäßig gebildet: cis - dis - eis - fis - gis - ais - his. Man spricht "e-is" und "a-is" so aus, dass man sie unterscheiden kann, und nicht so, dass man an Nachtisch oder Schlittschuhlaufen denkt!

Man kann natürlich auch eine Tonleiter von h bis h aufschreiben, die Halbtonschritte einzeichnen, und dann so lange mit Kreuzen nacharbeiten, bis alles stimmt: auch auf diesem Weg kommt man zum richtigen Ergebnis! Allerdings erfährt man dann nicht, in welcher Reihenfolge die Kreuzchen eigentlich auf die Welt kommen...

Die richtige Reihenfolge

Da bei jeder neuen Tonart immer ein Kreuz hinzukommt, wenn man die Tonleitern nacheinander konstruiert, schreibt und sagt man diese auch immer in der Reihenfolge ihres Auftauchens auf. Die Vorzeichen von A-Dur heißen also nicht "cis, gis, fis" oder "gis, fis, cis", sondern immer "fis, cis, gis"!

Die Logik bleibt

Wenn man die Durtonleitern der Reihe nach immer weiter im Quintabstand konstruiert, kommt man natürlich irgendwann in Bereiche, wo der nicht vorgebildete Mensch denkt, Absurdes vor sich zu haben. Irgendwann kommt das erste Doppelkreuz, und dazu muss man gar nicht so weit im Quintenzirkel gehen, man braucht nur einen Dis-Dur-Akkord als Zwischendominante.

Das System bleibt streng logisch: Bei Fis-Dur braucht man als Leitton natürlich ein eis, denn f kann ja nicht als siebte Stufe von fis gelten. Und in der Cis-Dur-Tonleiter hat schließlich jeder Ton ein Kreuz, genauso wie in C-Dur keiner eines hat.