Griffwechsel
Akkorde auf der Gitarre baut man sich so, dass die erwarteten Töne vorhanden und möglichst gut erreichbar sind. Das Ergebnis ist oft "unordentlicher", als vielleicht ein Pianist für gut halten würde. Während beim D-Dur Griff der Grundton 2 mal, Terz und Quinte je einmal gespielt werden, was wunderbar ist, hat man im G-Dur Akkord 3 Grundtöne, 2 Terzen und eine Quinte. So ist halt die Gitarre.
Trotzdem eignet sie sich wunderbar zum Begleiten von Liedern; das größte Hindernis, das es davor zu überwinden gilt, ist das flüssige Wechseln von Griffen. Dafür habe ich drei wichtige Grundregeln:
Prioritäten beim Einüben von Griffwechseln
1. Wenn ein Finger liegen bleiben kann, bleibt er liegen.2. Wenn man einen Finger auf einer Saite schieben kann, schiebt man.
3. Wenn man mehrere Finger "als Block" versetzen kann, versetzt man sie als Block.
Natürlich muss man erst mal merken, dass bei einem Griffwechsel eine dieser Regeln anwendbar ist. Analysiere also zunächst genau, welcher Finger welchen Weg machen muss. Die Aufgabe ist immer wieder: alle Finger heben nach Griff 1 gleichzeitig vom Griffbrett ab (wenn sie denn abheben müssen), werden in der Luft neu organisiert, und landen dann gleichzeitig auf dem Griffbrett zu Griff 2. Man sollte nicht in Panik die Finger in die Luft schleudern und dann in der bequemsten Reihenfolge nacheinander hinstellen, denn dadurch übt man ein, die Finger nacheinander hinzustellen, und das gibt unsaubere Griffwechsel.
Beobachte genau! Wer bleibt liegen, wer kann geschoben werden, welche Gruppierungen gibt es? Wo sind Spannungen in der Hand?
Beispiel für Regel 1: Finger liegen lassen
Wenn man von
E - Dur nach H7 (in der Tabelle: B7) wechselt, lässt man den 2. Finger auf dem
2. Bund der A-Saite stehen.
Achtung: von Bild zu Bild sieht man zunächst keine großen
Unterschiede - das soll auch so sein! Niemand braucht riesige Bewegungen bei
Griffwechseln!
1. Der E-Dur-Griff.
Die Finger 3 und 2 werden die Saiten tauschen...
2. Der zweite Finger bleibt stehen, Finger 1 geht von der g- zur d-Saite, Finger 3 von der d- zur g-Saite.
3. Die Finger gruppieren sich in der Luft über den richtigen Bünden, der 4. Finger ist über dem 2. Bund der e-Saite.
4. H7 Griff - fertig.
Der Mittelfinger hat seine Position nicht verlassen.
Beispiel für Regel 2: Finger schieben
Wenn man von D-Dur nach A-Dur wechselt, kann man den Ringfinger vom dritten Bund der h-Saite in den 2. Bund der h-Saite schieben. Die beiden anderen Finger setzt man quasi "als Block".
1. Hier der Wechsel von
D-Dur...
2. Der 3. Finger rutscht in Richtung 2. Bund, die Finger 1 und 2 heben ab und bilden einen "Block"...
3. Die Finger 1 und 2 landen als Block auf d- und g-Saite; der 3. ist unterwegs in den 2. Bund...
...4. nach A-Dur.
Beispiel für Regel 3: Finger als Block setzen
Wechselt man von E-Dur nach A-Dur, setzt man die Finger 2 und 3 "als Block". Der Zeigefinger wird individuell vom 1. Bund der g-Saite zum 2. Bund der d-Saite bewegt.
1. Der E-Dur-Griff
2. Alle Finger werden angehoben.
3. Der Zeigefinger bewegt sich entgegen der Richtung des Blocks "2 & 3".
4. Der fertige A-Dur-Griff.
Es ist sehr nützlich, beim Erlernen eines neuen Griffwechsels diesen extrem langsam, wie in Zeitlupe zu beobachten (Die vier Bilder, die ich hier zu jedem Wechsel gemacht habe, sind als "Zeitlupenauflösung" noch viel zu grob). Welcher Finger legt welchen Weg zurück? Wenn die Finger gleichzeitig in der neuen Position ankommen sollen, müssen sie sich unterschiedlich schnell bewegen. Eine Frage der Choreografie!
Alternative Griffweisen
Viele Menschen greifen bestimmte Griffe immer auf die gleiche Weise, und viele vermeiden den kleinen Finger, weil er der schwächste ist. Am Beispiel des D-Moll-Griffes kann man zeigen, dass der Standard-Fingersatz mit 1,2 und 3 nicht unbedingt der beste ist:
Von D-Moll nach C-Dur: ich greife D-Moll häufig mit dem 4. Finger auf der h-Saite. Bei diesem Griffwechsel sieht man den Nutzen:
1. Beim Wechsel von D-Moll nach C-Dur greife ich das d auf der h-Saite mit dem 4. Finger.
2. Der 3. Finger bewegt sich noch mehr als in Bild 1 in Richtung A-Saite...
3. Der 1. und 2. Finger sind unterwegs zur jeweils nächst tieferen Saite; der 3. hat das tiefe C fast erreicht, der 4. ist in der Luft.
4. Ankuft bei C-Dur.
Ähnlich ist es beim Wechsel von D-Moll nach F-Dur: der zweite Finger kann stehen bleiben, der
dritte ist unterhalb des vierten schon unterwegs zum C auf der A-Saite,
und der vierte wird mit ihm als Block auf die d-Saite gesetzt.
Beim Wechsel mit B-Dur kann
der kleine Finger sogar stehen bleiben.
Mehrere Finger austauschen
Gut ist auch, wenn man Griffe mit unterschiedlichen Fingersätzen greifen kann. Normalerweise greife ich G-Dur mit den Fingern 1, 2 und 3; im Wechsel mit C-Dur greife ich gerne mit 2, 3 und 4 und setze beim Wechseln 3 und 2 als Block um.
Lieblingsfingersatz
Es lohnt auch, die "häufigsten und wahrscheinlichsten Wechsel" in Betracht zu ziehen, wenn man seinen Lieblingsfingersatz für einen Akkord im Langzeitgedächtnis verankert. E-Moll greife ich normalerweise immer mit 2 und 3. Beim Wechsel zur Subdominante A-Moll kann man diese beiden als Block versetzen, beim Wechsel mit H7, dem Dominantseptakkord, kann der 2. Finger stehen bleiben. E-Dur greift man genauso, nur der erste Finger kommt auf der g-Saite dazu. Also gibt es nicht wirklich viele Argumente, E-Moll gewöhnlich mit 1 und 2 zu greifen, obwohl das natürlich möglich und beim Wechsel mit D-Dur tatsächlich bequemer ist.
Bei Wechseln mit Barrégriffen sollte man sehr darauf achten, den Zeigefinger lieber als letzten statt als ersten Finger zu platzieren. Meist drückt man den Zeigefinger ziemlich kräftig herunter, und wenn viel Kraft in eine Richtung geht, lassen sich die anderen Finger nicht mehr so unabhängig bewegen. Generell gilt: je schwieriger der Griffwechsel, desto genauer sollte man überprüfen, ob die drei Regeln von oben irgendwie anwendbar sind!
Akkordwechsel üben
Nachdem ich im vorigen Abschnitt meine Grundregeln für Griffwechsel, Hauptfingersätze etc. aufgeschrieben habe, folgen hier ein paar Übestrategien:
Vor längerer Zeit hatte ich mal eine Schule für Folkpicking auf dem Notenständer. Neben dem
ersten "Pick", also einem Takt mit einem zerlegten Akkord, stand "50000x".
Ich dachte zunächst "Das kann er doch nicht ernst meinen, wenn das '50000 Mal spielen!'
heißen soll", habe dann aber kurz überschlagen, wie oft man den Takt in gemütlicher
Anfangsgeschwindigkeit so spielen kann und kam zu dem Ergebnis: Der Autor des Buches will
einfach nur, dass der Lernbegierige diesen Takt so 8 bis 10 Minuten lang vor sich hin zupft. Na,
doch nicht so absurd. Wenn man sich dem Fingerpicking widmen möchte, sollte man dem Anfang
gebührende Aufmerksamkeit und Respekt zollen!
Langsam und oft
Genau dies muss man mit den ersten Akkorden auch machen: Wenn man sich sagt "OK, nach 20 Mal D-Dur und A-Dur wechseln muss das klappen, sonst ist das doof...", hat man eigentlich schon verloren.
Also: genau beobachten, sehr langsam spielen und sehr viele Male hin und herwechseln. Statt auf die Uhr, lieber aus dem Fenster gucken, das hilft auch beim "Treffen ohne Hinschauen", ein bisschen dabei vor sich hin träumen, dann wieder akribisch die Bewegungen studieren, kontrollieren, ob alle Finger gleichzeitig landen und nicht einer nach dem anderen gesetzt werden.
Man lernt schnell dazu
Man sollte dabei guten Mutes sein: für die ersten Griffwechsel braucht man ziemlich viel Zeit, aber wenn man den fünften Griff in sein Pensum integriert, merkt man: es geht immer schneller. Das Gehirn lernt, präzisere Befehle zu geben, und die Finger lernen immer besser zu reagieren.
Nachdem man den ersten Griffwechsel eine Zeit lang "frei" geübt hat, sollte man anfangen,
im Takt zu spielen. Wichtig dabei: auf der "Eins" des neuen Taktes muss der
Griff stehen.
Das heißt: du nimmst dir vor der Eins soviel Zeit, wie du für den
Wechsel brauchst, aber auf der Eins musst du fertig sein mit dem
Wechsel.
Mache dazu die folgende Übung: Die spielst immer einen Takt E-Moll und einen Takt D-Dur (zum
Beispiel), und zählst dabei langsam bis vier. Anfangs spielst du nur auf der "Eins" und hast
die Zählzeiten Zwei bis Vier für den Wechsel.
Wenn das lässig klappt, spielst du auf Eins und Zwei, und hast nur noch die Drei und die
Vier für das Umgreifen. Dann nimmst du dir nur noch die "Vier" für das Wechseln, und dann
kannst du durchspielen.
Diese Grundübung für Griffwechsel solltest du anfangs bei jedem neuen Griff machen, nachdem du genau analysiert hast, ob Finger liegen bleiben, geschoben oder als Block versetzt werden können, und welcher Finger welche Strecke zurückzulegen hat!
Singen beim Spielen
Wenn du dir ein bisschen Zeit für die Übung nimmst, klappt das garantiert, und als nächstes kannst du dann "What shall we do with the drunken sailor" probieren und dabei singen. Zu singen ist äußerst hilfreich, denn dabei übst du dein rhythmisches Gefühl, du trainierst "auf den Punkt" mit dem Griffwechsel fertig zu werden, du wirst unabhängiger, das Begleiten wird immer selbstverständlicher. Außerdem musst du noch den Text auswendig wissen oder lesen, du wirst also auch nicht dümmer.
Anschlagsmuster
Beim Begleiten der ersten Lieder halte ich sehr wenig davon, "Anschlagsmuster" vorzugeben. Wenn man beim Spielen singt, motiviert man sich, pünktlich mit dem Griffwechsel zu sein, Betonungen mit der Begleitung zu unterstützen und unbetonte Stellen lockerer zu nehmen - so entwickelt man eigene Kreativität.
Eine Faustregel ergibt sich quasi von selbst: man sollte mit der Anschlagshand rhythmisch nicht dasselbe wie die Singstimme machen. Wenn gerade viele schnelle Noten zu singen sind: lässiger und weniger anschlagen; wenn der Gesang "Pause hat" kann man mehr machen.
Übetabelle für Griffwechsel
Ein anderer, leicht stupider, aber wirksamer Trick ist, sich eine Tabelle wie im Bild rechts auf
Papier zu kritzeln, und nach dem Motto "jeden Griff mit jedem wechseln" zu verfahren.
Wenn man ganz stur ein Bleistiftpünktchen in ein Kästchen für 20 überlebte Wechsel macht,
ist das in manchen Fällen sicher übertrieben: der Wechsel zwischen
Em und E ist doch deutlich einfacher, als der
zwischen C und B7, aber vom Grundprinzip her... man darf auch ruhig mal streng mit sich selber sein!
Als nächstes ist man dann bitte sehr kreativ, denkt sich kleine Akkordfolgen aus wie zum
Beispiel
Em / / / | C / D / :||: Am / Em / | B 7 / / / :||
und übt diese fleissig vor sich hin. Ich persönlich glaube ja nicht an
"Online-Gitarreschulen" und dergleichen - man lernt etwas, wenn man selber etwas tut!
Akkorde lesen
Ein großes Drama ist das Auftauchen von Akkorden in "normalen" Gitarrenstücken. Man spielt so vor sich hin, eine simple zweistimmige Allemande, und plötzlich - ein Ungetüm in Takt zwei! Da kann man erst mal nur aufgeben - sechs Töne übereinander: unles- und unspielbar. Und falls man irgendwie herausbekommen hat, was in Takt 2 auf der Eins steht - danach kommt etwas ganz komisches, eine Überbindung, hohe und tiefe Töne durcheinander - auch hier kann es erstmal nur eine Lösung geben: alle Finger vom Griffbrett!
So etwa, nämlich mit Panik, reagieren die meisten Gitarrenschüler zunächst, und es lässt sich noch mehr falsch machen: nachdem man die Finger also vom Griffbrett genommen hat, spielt man auf der Drei natürlich ein g statt eines gis. Weder hier, noch im dritten Takt auf Drei und Vier bemerkt man, dass man immer noch und wieder einen E-Dur-Akkord vor sich hat.
Selbst in fröhlichen Heften mit spanisch angehauchten Folkstücken, in denen überhaupt nur sechs verschiedene Akkorde auftauchen, bringen es Schüler fertig, bis zum Schluss immer wieder zu deklamieren "Wie geht noch mal der Akkord? Den habe ich zu Hause irgendwie nicht hingekriegt..."
Kann man da etwas machen, die Sache strategisch angehen?
Ich fürchte, es wird im Wesentlichen auf eine Predigt mit 1. Fleiß, 2. Fleiß und -
Überraschung - 3. Fleiß hinauslaufen, aber ein paar Ideen hätte ich schon.
Tipp 1: Von unten nach oben lesen und setzen!
Alle Gitarrenschüler fürchten tiefe Noten auf Hilfslinien (Es gibt sechs Stück! Eigentlich kein Grund, jahrelang zu jammern). Also beginnen alle mit dem Zusammenbauen von Akkorden bei den hohen Tönen. Das ist taktisch unklug, denn die meisten Akkorde, denen man begegnet, stehen in der Grundstellung. Das bedeutet: Der Basston, also der tiefste Ton, gibt wahrscheinlich den Namen des ganzen Gebildes an. Wenn man den Basston weiß, kann man schon mal raten.
Basston wahrscheinlich der Grundton
Nehmen wir wieder den Akkord auf der
Eins des zweiten Taktes in Beispiel 1 oben. Die tiefste Note
ist ein E, also tippe ich mal, dass es sich um
E-Dur, E-Moll oder
E7 handelt.
Theoretisch könnte es
natürlich auch C-Dur mit Terz im Bass,
A-Moll mit Quinte im Bass oder gar
Fis7 mit der Septime im Bass sein, aber -
besonders wahrscheinlich ist das nicht.
Nach dem Herausfinden der restlichen fünf Töne erkennt man: es ist ein E-Dur-Akkord. Dies merkt man entweder, weil man den Griff schon kennt, oder weil man über eine solide Vorbildung in Sachen Musiktheorie verfügt.
Oberstimme kann alles sein
Die höchste Note des Akkordes ist aber auch ein e - kann man daran nicht auch erkennen, dass es E-Dur ist?
Nein. Während tatsächlich sehr viele Akkorde als Grundakkorde auftreten, sind Grundton, Terz oder Quinte als Spitzenton einigermaßen gleichmäßig verteilt. Ganz abgesehen davon, dass Septimen, Nonen, Dreizehn und Quartvorhalt melodische Vorgänge und damit prädestiniert sind, in der Oberstimme aufzutauchen. Aus dem Basston lässt sich auch nicht sicher etwas ableiten, nur wahrscheinlich. Die Oberstimme hingegen sagt so gut wie nichts aus.
Im letzten Takt von Beispiel 1 ist auf der Eins oben wieder ein e, im Bass aber ein A. Und was findet man heraus? Es handelt sich um A-Dur mit Quinte im Diskant.
Den schwierigsten Ton zuerst
Es gibt noch einen zweiten guten Grund, die Akkorde von unten nach oben aufzuschlüsseln:
Die tiefen Töne mit der Greifhand zu erreichen ist meist schwieriger, als die Noten auf den
hohen Saiten. Diesmal sei das Beispiel der letzte Akkord der folgenden Notenzeile
"Beispiel 2".
Auf beiden e-Saiten muss man ein
g greifen. Wenn man das hohe g hat, ist es
schwierig, an das tiefe G auf der 6. Saite heranzukommen, es ist so weit
weg! Greift man dieses zuerst, liegt das hohe g sozusagen "auf dem Weg".
Das ist der zweite, der technische Grund, weshalb man "unten" beginnen solte.
Tipp 2: Teile von Akkorden zuordnen.
In Beispiel 2 steht in der oberen Zeile ein Ausschnitt aus einem Renaissancestück mit vielen Akkorden. In der Zeile darunter habe ich die Noten der "kompletten Griffe" aufgeschrieben.
Gitarristen leben ja oft lange in dem Glauben, nur
der komplette E-Moll-Griff mit sechs Tönen sei der "richtige" E-Moll-Akkord,
und nur den müsse man sich merken. Tatsächlich heißt "E-Moll" ja, dass ein Gebilde vorliegt, das
aus den Noten e, g und h besteht, die irgendwo auf dem Griffbrett in
irgendeiner Höhe, Lage, mehr oder weniger komplett, mit Tonverdoppelungen und vielleicht
gleichzeitig gespielt werden.
Wenn es einfach ist, ist es tatsächlich ein Teil des
"Standardakkordes", wie in allen Fällen oben:
In Takt 1 fehlen nur das tiefe E und das H auf den Saiten E und A zum kompletten E-Moll-Griff.
Im zweiten Takt steht auf der Eins ein H-Dur-Akkord. In der unteren Zeile habe ich H7 notiert (englisch B7), weil der Fingersatz für diesen Griff hier am besten funktioniert. Beim H-Dur oben darf man nicht alle Saiten anschlagen, denn die g-Saite würde ja mitklingen. Der Standardgriff für H-Dur ist übrigens ein völlig anders aussehender Barrégriff.
In Takt 2 auf Drei steht C-Dur ohne das e auf der d-Saite - nein, man darf nicht alle Saiten anschlagen, aber man darf die große Verwandschaft mit dem darunter notierten kompletten C-Dur-Akkord erkennen!
Auch bei dem G-Dur-Akkord in Takt 3 vorne muss man vermeiden, die A- und d-Saiten anzuschlagen. Auf der A-Saite greift man das H nicht, und das d würde zwar zum Akkord passen, aber es ist im Stück eben nicht gesetzt!
Auf der Drei des dritten Taktes steht einfach ein kompletter D-Dur-Akkord, und ganz am Schluss kommt noch ein mal G-Dur.
Tipp 3: Zerlegte Akkorde erkennen
In Beispiel 3 kommt es mir auf die Takte 3 und 4 an; die beiden Akkorde in Takt 1 sind ja unspektakulär.
Takt 3 bringt einen zerlegten D-Moll-Akkord mit angehängten Melodietönen, Takt 4 einen Teil von E-Dur, ebenfalls arpeggiert zu spielen, auf den überleitende Töne im Bass folgen. Beides klappt natürlich viel besser, wenn man sich bewusst ist, das ein bekannter Griff vorliegt, dessen Töne man eben auch gleichzeitig greifen sollte. Mehr hierzu auf der folgenden Seite.
Ich greife übrigens gerne komplette Griffe, um Anschlagsfehler "abzumildern". Greife ich in Beispiel 3 im letzten Takt erst ab der d-Saite, schlage aber aus Versehen die A-Saite an, erklingt ein A, das zum E-Dur-Akkord wirklich nicht passt. Wenn ich den "kompletten E-Dur-Griff" greife, also das H auf der A-Saite mitsetze, erklingt auch ein Ton, der nicht in den Noten steht, aber immerhin einer, der zu E-Dur passt. Also ein Fehler, der klanglich nicht so dramatisch ist.
Tipp 4: Die Sache mit dem Fleiß...
...muss jetzt ja auch noch folgen:
Du lernst nur, was du benennst! Wenn du weiter kommen willst, verbiete dir einfach Formulierungen im Stile von "Wie geht noch mal der da?" und "Wie heißt noch mal die Note?"
Jemand, der die Gelegenheit hat, eine Zeit als Austauschschüler in einem anders sprachigen Land zu leben, lernt die fremde Sprache, weil er darauf erpicht ist, seine Umgebung "verbal in Besitz zu nehmen". "Schulpsychologe, Computerraum, Mensa, Essensmarke, sich anstellen, abschreiben" - Begriffe des täglichen Lebens von unmittelbarer Wichtigkeit werden gelernt, weil man die Worte wieder und wieder hört und selber benutzt.
Auch der brave Gitarrenlehrer behält die Namen der neuen Achtergruppe schneller, wenn er sich zwingt, die Kinder mit Namen zu nennen statt "Du da!" zu sagen.
Genauso geht es dem Lernenden mit den Akkorden! Wieviele davon braucht der Anfänger denn? Meine Grifftabelle für den Hausgebrauch ist wirklich nicht sehr umfangreich, aber mit ihr kommt man erstaunlich weit! Und was darüber hinaus auftaucht - lernt man halt!
Entweder man lernt auswendig - 2 auf der A-Saite im 2. Bund, 3 auf der d-Saite im zweiten und 1 auf der g-Saite im ersten ist E-Dur; 2 auf der A-Saite im 2. Bund, 3 auf der d-Saite im zweiten und nix auf der g-Saite ist E-Moll - oder man lernt ein bisschen Theorie und weiß irgendwann, dass e - gis - h ein Durakkord, e - g - h aber ein Mollakkord ist.
Jedenfalls sollte man versuchen, die Akkordbuchstaben ausgeschriebenen Noten zuzuordnen und umgekehrt. Eine Vokabel nach der anderen. Nur so geht es.
Nach Gehör begleiten
Wenn man sich ein bisschen mit Akkorden auskennt und einige flüssig wechseln kann, kann man mal probieren, Lieder nach Gehör zu begleiten. Man kann die Melodie natürlich pfeifen oder summen, aber es ist doch schön, wenn man ein bisschen Text weiß.
Volkslieder sind nicht jedermanns Sache, und Kinderlieder kennen nicht mehr alle. Also ist man auf das Radio angewiesen, und an die Texte kommt man leicht übers Internet. Es gibt aber noch eine saisonale Alternative: Weihnachtslieder kennt man, und sie zu singen ist allemal weniger peinlich als anderes Liedgut.
Wann, wenn nicht in der Vorweihnachtszeit kennt man Liedtexte? Deshalb steht im übernächsten Abschnitt eine kleine Liste unterschiedlicher winterlicher Lieder mit ihrem Tonumfang und den nach meinem Dafürhalten nötigen Akkorden, jeweils bezogen auf die Tonart C-Dur oder A-Moll.
Transponieren
Man muss also zunächst mal probieren, ob man das Lied in C-Dur singen kann, oder ob man es wegen des Tonumfangs transponieren muss. Dann muss man die Akkorde ebenfalls in die neue Tonart versetzen.
Wenn man "O Tannenbaum" von g bis a' zu tief findet, könnte man es eine Quarte höher legen, also von c' bis d''. Dann steht das Lied allerdings in F-Dur, und man braucht als Akkorde F, Bb, (B-Dur) C, C7, Dm, Gm, also drei Barrégriffe!
Dann überlegt man noch mal neu, liest das Kapitelchen über den
Kapo und spielt danach mit den Akkorden von
D-Dur, D, G, A, A7, Bm, (H-Moll) und Em und mit
dem Kapo im dritten Bund, damit das Lied wieder in F-Dur erklingt. So hat man nur einen
Barrégriff!
Vielleicht kann man auch gleich nach G-Dur transponieren, dann benötigt man
als Griffe G, C, D, D7, Em, Am - das wäre doch
perfekt, nur braucht man als Sänger dann eine Sopran- oder Tenorstimme.
Es gibt also viel zu überlegen! Und Weihnachtslieder sind in der Regel nicht so einfach - in der Liste stehen nur wenige, die mit zwei oder drei Akkorden auskommen...
Jedenfalls nimmt man seine Gitarre, sein Klavier oder Akkordeon, sucht sich den Anfangston, schaut maximal in der Liste unten nach, welche Akkorde wohl vorkommen werden, und dann geht es los.
Natürlich findet man im Web auch zu jedem Weihnachtslied die Akkorde, aber das war hier nicht
der Plan: erst eine eigene Version erarbeiten, dann kann man vielleicht mal spekulieren, was die
Schwarmintelligenz des Internet vorschlägt!
Man singt los, beginnt sich mit dem zuerst genannten Akkord zu begleiten (es ist ziemlich
unwahrscheinlich, dass ein Lied in C-Dur nicht mit dem C-Dur-Akkord
beginnt) und passt auf, ab
welcher Stelle es nicht mehr gut klingt. Dort muss man den Akkord wechseln. Dazu kommt im
folgenden Abschnitt ein praktisches Beispiel.
Mit der Zeit wird man immer besser darin, sogar im Voraus zu hören, wann und wohin man wechseln muss!
Praktisches Beispiel: Ihr Kinderlein kommet
Um das Begleiten nach Gehör ansatzweise vorzuführen kommt hier das Lied "Ihr Kinderlein kommet" als Beispiel. In der Liste der Weihnachtslieder unten schlage ich in C-Dur die Akkorde C, F, G, Dm, Am zum Begleiten vor. Da ich es lieber in D-Dur spielen möchte, muss ich zunächst mal die Akkorde alle um einen Ganzton nach oben transponieren, damit sie zur Melodie passen: D, G, A, Em, Hm.
Begleitung 1:
Als erstes hört man die erste Zeile der Melodie, und als
Begleitakkord ausschließlich den D-Dur-Akkord. Das stand schon im vorigen Abschnitt als
Grundanleitung: beginne mit dem Grundakkord der Tonart. Irgendwann klingt dieser aber nicht mehr
richtig.
Kommentar: Takt 3 klang nicht richtig,
dort muss man wohl den ersten Griffwechsel machen.
Begleitung 2:
Ich füge in der Audiodatei dort einen G-Dur-Akkord ein, da ich in der Melodie ein
g entdecke.
Kommentar: Na, das klang nicht so falsch wie Version 1, aber richtig
"richtig" eben auch nicht.
Begleitung 3:
In der Melodie ist in Takt 3 nicht nur ein g,
sondern auch ein e - zwei Töne, die im E-Moll-Dreiklang vorkommen.
Probieren wir es damit!
Kommentar: Ganz falsch klingt das nicht, aber doch nicht wirklich
befriedigend. Der E-Moll-Akkord ist für die Töne e und
g als Begleitung zwar richtig, aber er "führt" das Geschehen nicht so
zwingend weiter...
Begleitung 4:
Als nächste Alternative wähle ich den A-Dur-Akkord für Takt 3. Das
e ist seine Quinte, das g wäre seine Septime. Da
A-Dur die Dominante in D-Dur ist, hätte ich also einen Dominantseptakkord. Muss ich dann nicht
auch A7 spielen? Hören wir erstmal, wie es
klingt!
Kommentar: Das ist für mich die bisher beste Version! Der Akkord
passt, und die Dominante führt zur Tonika.
Ich könnte in Takt 3
A7 nehmen, aber durch das
g in der Melodie ergibt sich der Septakkord ja im Zusammenklang. Es
kann besser klingen, wenn die Begleitung auch die Septime enthält, es kann aber auch
etwas banaler sein, wenn die Gitarre der Melodie die Sonderstellung als Dissonanz "wegnimmt".
Wenn ich in der ersten Takthälfte von Takt 3 E-Moll, und
in der zweiten A-Dur spielen würde, hätte ich mit dem abschließenden
D-Dur eine "II-V-I - Verbindung" - ein charakteristisches Element des Jazz. Bleiben wir mal
weihnachtlich-konservativ und spielen eine einfache Dominante!
Begleitung 5:
Jetzt geht es um Zeile 2, Takt 5 bis 8. Als erstes hört man A-Dur,
G-Dur, D-Dur, G-Dur.
Kommentar: Die Subdominante G-Dur am Schluss klingt ja gut, aber in
Takt 6?
Begleitung 6:
Probieren wir es wieder mit einem A-Dur-Akkord, der also in
Takt 5 und 6 durchklingt!
Kommentar: Ja, nicht falsch, aber langweilig.
Begleitung 7:
Nächster Versuch für Takt 6: ein E-Moll-Akkord.
Kommentar: Das klingt doch deutlich feierlicher, probieren wir, für
den nächsten Takt auch noch eine Alternative zum hausbackenen D-Dur zu finden!
Begleitung 8:
Da ich weiß, dass die Tonikaparallele in D-Dur der H-Moll-Akkord ist, der das
fis von Takt 7 auch enthält, probiere ich für
diesen Takt mal H-Moll.
Kommentar: Experiment gelungen, oder? Wenn man noch einmal auf den
Link in "Begleitung 6" klickt, hört man: das ist in Ordnung, man kann dieses Lied mit den 3
Akkorden D-Dur (Tonika), G-Dur (Subdominante) und A-Dur (Dominante) durchaus begleiten, aber mit
den Mollakorden der 2. und 6. Stufe klingt es doch viel schöner.
Begleitung 9:
Hier das ganze Lied mit den Akkorden aus "Begleitung 4" für Zeile 1, "Begleitung 8" für Zeile 2, und in den letzten vier Takten einfach mit A-Dur - D-Dur, A-Dur - D-Dur, die nach der Aufregung in Takt 5 bis 8 durchaus ausreichen.
Tonumfang und Akkorde einiger Weihnachtslieder
In einer Glosse über die Probleme, die man als Instrumentallehrer in der Weihnachtszeit hat, habe ich eine Einteilung von Weihnachtsliedern in vier Gruppen vorgenommen, die ich auch in der folgenden kleinen Tabelle beibehalte. Sie zeigt Weihnachts- und Winterlieder mit ihrem Tonumfang und möglichen Begleitakkorden.
Zu vielen Liedern gibt es unterschiedliche Melodien, und auch bei der Begleitung ist man schnell im Zweifel, besonders bei sehr alten Liedern, zu denen man Harmonisierungen aus Renaissance oder Barock im Ohr hat.
Tonumfang und Akkorde sind auf die Tonart C-Dur bezogen, man muss also eventuell transponieren. Akkorde in Klammern sind für eine ausgefeiltere Harmonisierung; Vorhaltsakkorde, die gerade im Gesangbuch häufiger auftauchen habe ich nicht berücksichtigt. Hier die folgenden Tabellen zum Ausdrucken: Seite 1, Seite 2.
1. Volkstümliche Lieder
Titel: | Tonumfang: | Akkorde: |
---|---|---|
A, a, a, der Winter, der ist da | Quinte: c' - g' | C, G, (Am, Em, Dm) |
Alle Jahre wieder | Oktave: c' - c'' | C, F, G, Dm |
In einem kleinen Apfel | Oktave: c' - c'' | C, F, G, G7 |
Inmitten der Nacht | Sexte: c' - a' | C, F, G |
Lasst uns froh und munter sein | Oktave: c' - c'', ohne h | C, F, G, (G7) |
Morgen kommt der Weihnachtsmann | Sexte: c' - a' | C, F, G |
O laufet Ihr Hirten | Sexte: h - g' | C, G |
Schneeflöckchen, Weißröckchen | Oktave: c' - c'' | C, F, G, Dm |
Still, still, still | None: h - c'' | C, Dm, G, G7 |
Was soll das bedeuten | Quinte: c' - g' | C, F, G |
2. Lieder aus dem Gesangbuch
Titel: | Tonumfang: | Akkorde: |
---|---|---|
Engel haben Himmelslieder | None: g - a' | C, F, G, Am, Dm |
(Les anges dans nos campagnes) | ||
Es ist ein Ros' | None: g - a' | C, F, G, Am, Dm, Em, D, A, F6 |
Es kommt ein Schiff geladen | Oktave: a - a' (A-Moll / C-Dur) | Am, G, Em, C, Dm, F |
Heiligste Nacht | None: g - a' | C, G, D, F, Dm, Am |
Herbei o ihr Gläub'gen | Oktave: g - g' | C, F, G, Am, Am#6, D, G7, Em |
Ihr Kinderlein kommet | Oktave: c' - c'', ohne h | C, F, G, Dm, Am |
In dulci jubilo | Oktave: a' - a' | C, Am, Dm, G, D, F, E, Em |
Kommet ihr Hirten | None: g - a' | C, F, G, (Em) |
Lobt Gott, ihr Christen | Sexte: c - a' | C, F, G, Dm, Am, D, Em |
Macht hoch die Tür | Sexte: c - a' mit fis' | C, F, G, D, Dm, Am, Em |
Maria durch ein' Dornwald ging | None: e' - f'' (A-Moll) | Am, E, G, C |
Nun komm, der Heiden Heiland | Sexte: g - d'' (A-Dorisch) | Am Em, Dm6, E, A, Dm, C, G6, F, G |
O du fröhliche | Oktave: c' - c'' | C, F, G, G7, D, Dm |
Tochter Zion | None: h - c'' mit fis' | C, G, G7, Dm6, Am, E, E7, Am, D, Em, C6 |
Wir sagen euch an den lieben Advent | Sexte: h - g' | C, G, (F) |
Zu Bethlehem geboren | None: g - a' | C, F, G |
3. komplizierte Volkslieder
Titel: | Tonumfang: | Akkorde: |
---|---|---|
Als ich bei meinen Schafen wacht | Sexte: gis' - e'' | C, F, G, Am, E |
Am Weihnachtsbaum | Oktave: c' - c'' | C, F, G, G7, Dm, Am |
Es ist für uns eine Zeit angekommen | Sexte: c - a' | C, G, G7, F, Dm |
Fröhliche Weihnacht | None: g - a' | C, F, G, Am, Dm, A |
Kling, Glöckchen | Sexte: c' - a' mit fis' | C, F, G, (G7), Dm, Am, D |
Leise rieselt der Schnee | Septe: g - f' mit cis' | C, C7, F, G, G7, Dm, Am, |
Lieb Nachtigall, wach auf | Oktave: g - g' | C, G, Em, Dm, Am, D |
Morgen, Kinder wird's was geben | None: g - a' | C, F, G, Dm |
O Tannenbaum | None: g - a' | C, F, G, G7, Am, Dm |
O Tannenbaum du trägst | None: e' - f'' (A-Moll) | Am, Dm, E, C, (G) |
Stille Nacht | Undezime: c' - f'' (!) | C, F, G, G7 |
4. "Popsongs" und englische Lieder
Titel: | Tonumfang: | Akkorde: |
---|---|---|
Away in a manger | None: g - a' | C, G, A, Dm, Am, D7 |
Ding dong merrily on high | Oktave: g - g' | C, F, G, Am, Dm |
In der Weihnachtsbäckerei | Undezime: g - c'' | C, F, G, G7, Am, Dm |
Jingle Bells | None: g - a' | C, F, F6, G, G7, Dm, Am, |
Joy to the world | Oktave: c' - c'' | C, F, G, G7 |
Rudolph, the red-nosed reindeer | Oktave: d' - d'' | C, F, C7, G, G7, Am, Dm, D7, Em, E7 |
We three kings of orient are | Oktave: g - g' | Am, E, C, F, G, Dm |
We wish you a merry christmas | Oktave: g - g' | C, F, G, Dm, Am, E, D |