Kapo: Einsatz und Wirkung
Die Gitarre gehört zu den ganz wenigen Instrumenten, bei denen man mechanisch die gesamte Tonhöhe in gewissen Grenzen verändern kann.
Man kauft für wenige Euro einen Kapo (Tipp: beim Einkauf darauf achten, ob er gewölbt oder gerade ist, damit er zur Konzertgitarre oder eben zur Western- oder E-Gitarre passt!), setzt ihn auf den dritten Bund, und - Zauberei! - schon ist die Gitarre anderthalb Töne höher gestimmt.
Man wird den Kapo auf der Konzertgitarre kaum höher als in den 7. Bund setzen - einmal ist darüber kaum noch Platz zum Greifen, zum anderen beginnt irgendwann die Kurve des Halsfußes, und dann ist der Hals auch zu dick.
Im entsprechenden Abschnitt auf der Zubehör-Seite ist der Kapo allgemein beschrieben. Im Folgenden möchte ich konkrete Beispiele dafür geben, wie man ihn einsetzt, was er bewirkt und was er nicht kann.
Cembalo und Blockflöte
Am ehesten kann man noch bei Cembalo und Blockflöten etwas Vergleichbares beschreiben:
Bei Blockflöten gibt es Instrumente mit austauschbaren Mittel- und Fußstücken - mit den kürzeren hat man zum Beispiel eine Flöte in 440 Hertz, mit den längeren ist die Flöte auf 415 Hertz herunter gestimmt. Das ist sehr aufwändig und nicht ganz billig: quasi der größte Teil der Flöte wird ausgetauscht, und wenn das Kopfstück nicht gut funktioniert und die Flöte leicht "heiser" wird, hat man leider zwei unerfreuliche Instrumente...
Altflöte auf 440 beziehungsweise 415 Hertz nebeneinander - so viel an Umfang und Länge macht also ein Halbton aus. Wenn man eine Flöte mit austauschbarem Mittel- und Fußstück besitzt, sollte der Kopf gut funktionieren!
In der rechten Bildhälfte sieht man das herausnehmbare Holzstück - das Cembalo ist gerade in "tiefer Stimmung".
Bei
Cembali
freut man sich über eine Transponiervorrichtung: links neben der Tastatur befindet sich ein
herausnehmbares Holzstück in Tastenbreite. Man nimmt es heraus, schiebt die gesamte Tastatur
entsprechend nach links, platziert die "Pseudo-Taste" außen rechts, und schon schlägt jede Taste
die nächst tiefere Saite an.
Das ist auch nicht so einfach, denn wenn das Cembalo nicht genau gleichschwebend gestimmt
ist (und Cembali sind meistens nach "Kirnberger 3" oder "Werckmeister X" gestimmt), wird das
Ergebnis nicht schön. G-Dur wird zu Ges- oder Fis-Dur, und das ist definitiv keine der von
diesen Stimmungen bevorzugten Tonarten, was bedeutet: man darf das gesamte Instrument neu
stimmen. Aber immerhin: man
kann
auf den Stimmtönen 440 und 415 Hertz spielen, also Musiker begleiten, die entweder die
moderne
oder die
tiefe Stimmung
bevorzugen.
Digitalos
Natürlich - oder sollte man lieber sagen "unnatürlich"? - gibt es an Keyboards und Digitalpianos eine elektronische Transponiervorrichtung, aber die hat weder mit Kapos noch mit unterschiedlichen Saxophongrößen viel zu tun. Trotzdem: auch wenn es Mikroprozessoren noch nicht so schrecklich lange gibt, werden sie uns doch wohl in Zukunft begleiten und unser Verständnis von Musik und ihren Möglichkeiten beeinflussen.
Die Gitarre wird kürzer und höher
Die Gitarre wird kürzer
Der Kapo übernimmt ja die Rolle des Sattels: dadurch, dass man einen Kapo kurz hinter dem
dritten Bundstab platziert, wird dieser zum "nullten Bund" oder Sattel.
Eine Gitarre mit normaler
Mensur (65 cm) hat dann nur noch
eine Saitenlänge von knapp 55 cm. Das ist viel bequemer zu greifen, und deshalb bekam man als
Kind in den "guten alten Zeiten" eine normale Gitarre auf den Schoß, Kapo auf den fünften Bund,
und dann konnte man sehen, wie man zurechtkam.
Das ist für kleine Gitarrenschüler natürlich eine schlechte Lösung, denn der viel zu große Korpus der Gitarre, der nicht zwischen die Beine eines kleinen Menschen passt, sorgt dann dafür, dass sich das Kind eine furchtbare Haltung angewöhnt, die Wirbelsäule verdreht und entweder die Lust am Gitarre spielen verliert oder orthopädische Probleme bekommt.
Die Gitarre wird höher
Der Kapo im dritten Bund bewirkt weiterhin, dass die Gitarre höher wird. Während die leeren Saiten E, A, d, g, h, e' heißen, ändert sich die Stimmung mit Kapo im dritten Bund zu G, c, f, b, d', g'. Die ganze Gitarre ist eine kleine Terz höher. Manche Komponisten (Maria Linnemann, Fabian Payr...) geben bei Stücken an, dass man sie mit Kapo spielen soll, damit sie etwas höher klingen.
Lautenmusik auf der Gitarre
Für Renaissancelautenstücke wird gerne ein Kapo im dritten oder zweiten Bund der Gitarre
gesetzt. Im dritten, wenn man den heute üblichen Kammerton
A=440 Hertz
oder im zweiten, wenn man "tiefe Stimmung", also einen Halbton tiefer annimmt.
Die Instrumente für virtuose Solostücke waren nicht nur kleiner und höher gestimmt als
Basslauten, sondern auch kleiner als moderne Gitarren. Als Stimmung wird allgemein
G oder A für die sechste Saite angenommen. Man
erleichtert sich also die ganz schlimmen Streckungen in der Greifhand (Die Komponisten der
Renaissance waren da nicht zimperlich!) und passt die Tonhöhe an.
Veränderungen bei der Liedbegleitung
Die Tonhöhe für Liedbegleitungen ändert sich
Beispiel 1:
Nehmen wir an, ich möchte "Alle Vögel sind schon da" singen (bitte in Gedanken den aktuellen Hit einsetzen - wegen des Copyright wähle ich Volkslieder als Beispiele) und mich dabei mit Akkorden begleiten. Eigentlich passt das Lied in C-Dur zu meinem Stimmumfang, aber etwas höher würde es noch besser klingen.
Also transponiere ich das Lied nach D-Dur und verwende die entsprechenden Akkorde.
Statt dessen kann ich aber auch den Kapo im zweiten Bund setzen, und auf diese Weise die Gitarre
um einen Ganzton erhöhen. Dann lese ich die Noten des oberen Notenbeispiels, spiele die Akkorde
des oberen Beispiels (
C, F und G), aber heraus kommt das, was im
unteren Beispiel zu sehen ist!
Effekt des Kapo 1:
ich behalte die gewohnten Akkorde bei, und bekomme durch den Kapo eine höhere Tonart.
Beispiel 2:
Die Akkorde C, F und G gefallen mir gar nicht, vor allem den F-Dur-Griff bekomme ich nicht gut hin. Viel besser kann ich A, D und E! Also muss ich das Lied in A-Dur spielen:
Zum Singen ist das aber wirklich zu tief! Also nehme ich den Kapo, platziere ihn auf dem 3.
Bund, und bekomme als klangliches Ergebnis die C-Dur-Version aus dem ersten Notenbeispiel. Mit
dem Kapo im 5. Bund klingt das Ganze wie im Beispiel 2, also in D-Dur.
Effekt des Kapo 2:
ich wähle einfachere Akkorde einer tiefer liegenden Tonart, und stelle die angenehmer zu
singende höhere Tonart durch den Kapo wieder her.
Beispiel 3:
Der Kanon "Es tönen die Lieder" hat einen großen Tonumfang: Eine Oktave und eine Quarte. Ich habe das Lied in G-Dur vor mir (im Beispiel stehen immer nur die Anfänge der Kanoneinsätze):
In dieser Lage können das ein geübter Sopran oder Tenor singen, aber leider singe ich Alt oder Bass und schaffe das so nicht. Das Lied müsste tiefer sein! Wenn ich aber den Kapo zum Beispiel auf den 5. Bund setze, klingt es so (ich greife die Akkorde des oberen Beispiels, aber sie klingen wie im unteren Beispiel):
Das geht natürlich überhaupt nicht, aber ich helfe mir mit dem einfachsten Trick überhaupt: ich spiele die Akkorde zwar eine Quarte höher, also wie im ersten Beispiel, oktaviere die Gesangsnoten aber einfach nach unten. Dabei mache ich mir das Prinzip der Umkehrung der Intervalle zu Nutze: eine Quarte hoch entspricht einer Quinte abwärts! Das klangliche Ergebnis sieht so aus:
Effekt des Kapo 3: ich spiele durch den Kapo höher, spiele die gewohnten Akkorde, singe aber tiefer, indem ich oktaviere.
Eine Diskussion über das Beziehung zwischen Barregriffen und Kapo findet sich hier...
Der Kapo kann die Gitarre nicht tiefer machen
Obwohl man also bei Begleitungen die Solostimme tiefer machen kann, indem man die Gitarre durch den Kapo höher stimmt und dann die Melodie nach unten oktaviert, kann der Kapo eines nicht: er kann die Gitarre nicht tiefer machen, nur höher.
Trotzdem kann man bei Arrangements für zwei Gitarren den Kapo nutzen, um den Umfang der Instrumente zu vergrößern, wie das auch bei Lautenduetten für Bass- und Tenorlaute schon gemacht wurde. Da hat man zum Beispiel eine Laute in G und die andere eine Quarte tiefer auf D, und dadurch den verfügbaren Gesamtumfang um eine Quarte erweitert.
Ich nehme als Beispiel den Anfang einer Bearbeitung meines alten Lieblingsliedes "Als zum Wald Petruschka ging" für zwei gleich gestimmte Gitarren:
Der gesamte Umfang beider Stimmen in dieser Zeile geht vom E bis zum f', beträgt also zwei Oktaven und einen Halbton. So klingt Gitarre 1:
Beide Stimmen zusammen:
Arrangement mit Kapo
Als nächstes ändere ich das Arrangement: Gitarre 1 bekommt die Angabe "Kapo im 5. Bund platzieren". Dadurch wird sie von A-Moll nach D-Moll transponiert. Die zweite Stimme muss ich natürlich umschreiben wie in den Noten unten zu sehen. Während die erste Stimme gleich bleibt, stimme ich für die zweite die tiefe E-Saite auf D um und ändere die Noten etwas:
Klanglich kommt dabei folgendes heraus:
Jetzt geht der Ambitus vom D bis zum b', also über zwei Oktaven und eine kleine Sexte.
Natürlich ist dies eine Technik, die man auch umgehen könnte, indem man die erste Stimme einfach entsprechend höher spielt. Allerdings muss man dann in den höheren Lagen greifen, was die Stimme viel schwieriger macht. Also ist der Kapo bei Arrangements für weniger fortgeschrittene Spieler das Mittel der Wahl.
Man liest normale Noten!
Auch wenn die Gitarre durch den Kapo um einen Halbton oder eine Quinte erhöht wird: man liest eigentlich immer "normale Noten". Persönlich kenne ich nur ein Buch, das Stücke mit Kapo "real" notiert: in Jorge Cardosos "24 Piezas Sudamericanas" stehen die Stücke, für die er Kapobenutzung vorschlägt in zwei Systemen abgedruckt. "Aguinaldo" steht im unteren, klein gedruckten System in A-Moll, und darüber etwas größer in Cis-Moll, der Tonart, die durch Setzen des Kapo im 4. Bund erklingt. Komischerweise stehen in diesem System die Fingersätze, obwohl es ziemlich bösartig ist, eine leere Cis-Saite zu haben, und das His auf der tiefen Gis-Saite mit dem 3. Finger im 4. Bund zu greifen - ich steige da jedenfalls nicht durch! Ob "Vals Criollo" in C-Dur / Cis-Dur mit Kapo im 1. Bund leichter zu lesen ist?
Normalerweise schreibt man einfach ganz normale Noten und überlässt die Transposition dem Kapo - dafür ist er schließlich da, und Klarinettisten tun nichts anderes, wenn sie von der A- zur B-Klarinette wechseln und die ganze Zeit in C notierte Noten lesen. Wie sich das für Absoluthörer anfühlt weiß ich nicht, ich weiß nur, dass alle so verfahren.
Ein prominentes Beispiel dafür, dass der Notensetzer einfach davon ausgeht, das Instrument
befinde sich in normaler Stimmung, und die geänderte Stimmung sorgt für die richtigen Töne ist
die
5. Solosuite für Violoncello von J.S. Bach: Bei dieser Suite ist die höchste Saite
von a auf g herunter gestimmt. Die Noten werden
aber so geschrieben, als sei die höchste Saite auf a gestimmt.
Im zweiten Takt verlangt
das Stück ein as als höchste Note, es steht aber ein
b da. Der Spieler spielt greift ein b auf der
höchsten Saite, und erhält das as, das er braucht. In der zweiten Zeile
sieht die hohe Note nach der Viertelpause wie ein d aus, es erklingt
aber der Ton c. Die umgestimmte Saite sorgt für die Töne, genauso wie
der Kapo.
Das ist natürlich ein bisschen komisch, sozusagen so, als ob man ein teilweise transponierendes
Instrument hätte, aber so macht man das in diesem Fall eben.
Bei den "richtigen"
transponierenden
Instrumenten ist das auch so: wenn ein Altsaxophonist ein es spielen
möchte, hat er ein c in den Noten, und wenn der Tenorsaxophonist ein
b braucht, steht in den Noten ebenfalls ein c.
Das Leben des Gitarristen ist mit oder ohne Kapo kompliziert genug! Und wir lesen bei auf D umgestimmter E-Saite oder auf fis gestimmter g-Saite für Lautenmusik die Noten ohne den Trick der Cellosuite.