Voraussetzungen für den Gitarrenunterricht
Vorbemerkung
Diese Webseite ging 2007 online, und gerade die Texte auf dieser Seite stammen aus der ersten
Zeit und spiegeln meine Gedanken über Unterrichtsprobleme wieder. Strukturelle Probleme unseres
Bildungssystems haben sich bis 2024 nicht wirklich verbessert, und der Einfluss technischer
Geräte auf das Leben von Kindern ist eher größer geworden, als in den gemütlichen Tagen von
Windows 3.1. Bewegungsmangel, Haltungsschäden, Lesefähigkeit, Handschrift - viele Dinge werden
fast täglich in den Medien bejammert.
Diese Abschnitte reflektieren also meine Wahrnehmung, wie wir zum heutigen Zustand gekommen
sind.
Wenn man darüber nachdenkt, in welchem Alter Kinder mit dem Gitarrenunterricht sinnvoll beginnen
können, ist die Frage: "Was bringt der Lernwillige mit, wie ist er vorbereitet?" Darauf möchte
ich in diesem Abschnitt eingehen. Dabei geht es auch darum, wie Kinder heute aufwachsen.
"Was muss im Gitarrenunterricht bewältigt werden, welche Probleme stehen an?" Ist der
zweite Fragenkomplex, um den es im Abschnitt "Einstiegsalter" gehen wird.
Voraussetzungen
Bei Schulkindern scheint es sinnvoll zu sein, wenn sie in der gleichen Klassenstufe sind und
Lesefähigkeit und Konzentrationsvermögen ähnlich entwickelt sind. Erstklässler, die noch gar
nicht lesen können sind Zweitklässlern sehr unterlegen. Wenn sie viel musikalische Begabung
mitbringen, interessiert sind und die Gruppe und der Lehrer dies auffangen, kann es
trotzdem gut laufen.
Aber die Fähigkeiten, die man zum Beginn eines Instrumentalunterrichts braucht, Auffassungsgabe,
motorische Koordination, die Fähigkeit, zu beobachten und zu imitieren, Merkfähigkeit, werden
nicht erst in der Schule trainiert. Kinder kommen mit unterschiedlichen
Vorraussetzungen zum Gitarrenunterricht, weil sie entweder viel oder wenig draußen
gespielt, gemalt, gebastelt,
gepuzzelt und vorgelesen bekommen haben, oder viel Zeit mit dem Smartphone, dem Laptop oder vor
dem Fernseher verbracht haben.
Nach meiner Meinung werden gute Startbedingungen nur im Glücksfall in der Ganztagsbetreuung
geschaffen, sondern eher mit den Familienmitgliedern. Die Pisa-Ergebnisse und die
Berichterstattung der Medien durch die Jahre über die Kompetenzen unserer Kinder lassen ahnen,
dass möglichst viel verbrachte Zeit in schlecht ausgestatteten Schulen nicht gut sein könnte.
Technisierung und Sprachlosigkeit
Hat die Technisierung unseres Alltags Folgen? Erwachsene schauen auf ihr Handy oder
telefonieren, wenn sie einen Kinderwagen schieben, statt mit ihrem Kind zu sprechen; jeder hat
ständig Stöpsel im Ohr.
Alle verbringen deutlich mehr Zeit vor Bildschirmen und mit individueller
Musikberieselung und damit weniger mit der direkten Wahrnehmung der Umwelt.
Kann Gitarrenunterricht therapeutisch wirken?
In vielen Vorgesprächen zum Unterricht klingt an, dass der Nachwuchs eher zappelig ist,
Konzentrationsschwierigkeiten hat und vielleicht sogar Ergotherapie eingesetzt wird. Also fragen
sich Eltern "Wird Musikunterricht mein Kind ruhiger machen?"
Dass Kinder unruhig sind, ist ja an sich nicht schlecht. Aufgeweckte Kinder sind eben keine
Trantüten, sie sind beteiligt, sie fragen, sie melden sich zu Wort. Aber mit Glück können sie
sich auch mal konzentrieren, zuhören, an einer Sache arbeiten.
Warum wird mein Kind immer dann aufgedreht, wenn es um ruhige Beschäftigung geht?. Abgesehen von
Vererbung, die immer "Schuld sein" kann, gibt es andere Faktoren. Zu wenig spielen und toben, zu
viel passive Beschäftigung mit Medien, eventuell hoher Zuckerkonsum gelten als mögliche
Ursachen. Der Montagvormittag ist der härteste Tag in Schulen, weil die Kinder am
Wochenende zu viel "zocken" und fernsehen. Das sagen gestresste Lehrer nicht aus Weinerlichkeit,
es stimmt einfach.
In den Unterricht werden immer mehr Bewegungsphasen eingebaut, in Randstunden wird immer
häufiger "Schulunterricht" durch Spielen ersetzt, in Betreuungsstunden wird, wenn es irgendwie
geht, draußen gespielt und gelaufen, statt zusätzliche Förderung anzubieten. Der Grund dafür
ist, dass die Kinder am Wochenende viel zu wenig Bewegung haben.
Abgesehen davon dass ich älter und weniger geduldig wurde, waren meine Beobachtungen
-
dass die Kinder schlechter zuhören können. Viele Kinder (nicht die berühmten Einzelkinder)
halten es kaum aus, mal nicht im Mittelpunkt zu stehen.
-
Dass die Kinder wenig gruppenfähig sind: Man hört höchstens zu, wenn der Lehrer dies (laut)
einfordert - wenn ein anderes Kind vorspielt, wendet man sich unbeteiligt ab, so wie die
Erwachsenen es ständig vormachen: wenn gerade "nichts passiert" nimmt man das Smartphone und
wischt und tippt. Es ist ja Pause! Dadurch lernen die Kinder nicht viel von einander.
-
Die Fähigkeit zu beobachten und etwas nachzuahmen hat eklatant abgenommen. Etwas zeigen,
vormachen und zur Imitation auffordern reicht kaum mehr aus, ich muss zum Kind gehen, den
Finger an die richtige Stelle schieben (und dann wird er sofort wieder weg genommen) - das
Kind kann gesehene Bewegung nicht mehr in eigenes Körpergefühl und Handeln übersetzen.
Diese Defizite haben sich in den letzten Jahren verstärkt, und die Tendenzen werden nicht so
einfach umzukehren sein. Dazu müssen wir etwas tun - vor dem Gitarrenunterricht!
Eltern als politische Macht
Eltern sind eine gesellschaftspolitisch äußerst relevante Gruppe. Sie sind eine inhomegene
Gruppe, deren politische Ansichten von links bis rechts reichen. Sie sind eine benachteiligte
Gruppe: die Nicht-Eltern können sich besser selbst verwirklichen und haben mehr Geld zur
Verfügung.
Sie sind aber vor allem gesellschaftspolitisch wichtig: von ihnen wird die
nächste Generation geprägt!
Als Mediziner, Soziologen und Pädagogen in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg den Eltern
einredeten "Wenn Ihr Kind schreit - lassen Sie es ruhig schreien. Füttern sie nicht nach
Nachfrage, sondern nach Zeitplan. Seien Sie sachlich und relativ unbeteiligt bei der
Versorgung." wurde eine Generation emotional unterkühlt und bereits im Babyalter diszipliniert
aufgezogen, und zwar so gut wie von allen, von konservativ bis fortschrittlich.
Als die
Gegenbewegung einsetzte, verwöhnen, kuscheln und gewaltlose Erziehung en vogue waren, hatten
alle Kleinkinder es in emotionaler Hinsicht hoffentlich besser.
Bevor Schulen und andere staatliche oder religiöse Einrichtungen "Zugriff" auf die Kinder
bekommen, hat die wesentliche Prägung schon stattgefunden, und auch danach hat
die Gruppe der Eltern noch massiven Einfluss darauf, was für Menschlein heranwachsen.
Gesellschaftspolitische Experimente
Eigentlich finden so gesellschaftspolitische Experimente statt, ohne dass dies angekündigt oder
ins Bewusstsein gehoben wird. Und die Menschen sind sich auch nicht bewusst, wer die Experimente
steuert. Ist es das Bundesgesundheitsministerium, oder doch die Werbung, wegen der wir
Pausensnacks und Softdrinks konsumieren?
Die Ergebnisse des derzeitigen Experiments in
Sachen Ernährung sind am Gewicht ganz gut zu erkennen. Ob zu viel Zucker ein Grund für mehr
Unruhe bei Kindern ist, werden die einen bestätigen und andere abstreiten.
Bewegungsmangel und Umgang mit Fernseher, Computer und Smartphone sind für mich das größte
derzeit laufende "verdeckte Experiment". Existiert es überhaupt, also verändert es das
Aufwachsen der kommenden Generation? Wie wirken sich diese Dinge aus?
Jedenfalls sind wir Eltern die politisch relevante Gruppe, die hier Einfluss hat. Wir lesen
unserem Kind vor, oder es bekommt ein Smartphone mit einem Spiel in die Hand, damit es Ruhe
gibt. Das sind - vereinfacht - die Alternativen.
Was diese Veränderung beim Aufwachsen von Kindern bewirkt, darüber wird es dann später einen
wissenschaftlichen Diskurs geben. Im Moment reagieren alle nur: Inklusion ist
das Allheilmittel, Sozialpädagogen werden in Schulen eingestellt, um der Probleme Herr zu
werden, mehr und mehr Betreuung wird organisiert, Leute wie ich jammern unausgesetzt.
Die
Kinder selbst können kaum aus den neuen Verhaltensweisen ausbrechen, sie werden darüber erst als
Erwachsene reflektieren können und dann als neue Angehörige der Gruppe "Eltern" politisch
handeln, ohne überhaupt zu merken, dass dies Politik ist.
Der derzeitige Diskurs in den Medien über den Umgang mit Computertechnologie läuft immer wieder
darauf hinaus, dass Schulen die Kinder dafür fit machen sollen. Es wird wenig darüber geredet,
wie viel Zeit die Geräte Menschen stehlen, die sie früher für spielen, Bewegung und Interaktion
hatten, und ob die Eltern hier eingreifen müssen.
Dazu müssten sie reglementieren, Verbote
aussprechen, Zeitrahmen setzen. Telefonierend Fahrrad fahren ist nicht erlaubt, aber - welche
Mutter, die selber im Auto das Handy benutzt, kann ihren Kindern da glaubwürdig Vorschriften
machen?
Können wir denn überhaupt noch zurück? Natürlich wird das Internet nicht wie eine Grippe
vorbeigehen, es ist ja auch nützlich, aber jeder Mensch muss lernen, dass
leben vielleicht auch noch außerhalb der social media stattfinden könnte. Wie
soll ein Kind Zeit fürs Üben finden, wenn es nicht mehr weiß, dass Dinge wichtig oder unwichtig
sind, und dass man - je nachdem, wie man sich entscheidet - ein unterschiedlicher Mensch ist und
wird? Dass das wirkliche "liken" darin besteht, etwas zu tun, was man mag, und dass man dadurch
eine komplettere statt eine ewig nur kommentierende Person wird?
Falls Sie dies gerade lesen und kleine Kinder haben, fragen Sie sich nicht, ob man die
Entwicklungen umkehren kann! Fragen Sie sich lieber, wie lange und auf wessen Rat Sie noch
warten wollen! Die Zeit für Ihr Kind ist jetzt!
Einstiegsalter für den Gitarrenunterricht
Nachdem der geneigte Leser den klagenden Ton des vorigen Textes über Voraussetzungen und Politik
überstanden hat, soll es hier um das Einstiegsalter in Relation zu Inhalten des
Gitarrenunterrichts gehen. Die Frage "Gitarrenunterricht - ab welchem Alter?" lässt sich nicht
pauschal beantworten, aber ich möchte versuchen, Aspekte zu beschreiben, an Hand derer man sich
fragen kann "Wie sieht es in dieser Beziehung bei uns aus?"
Beginn mit Einzelunterricht
Der beste Zeitpunkt, mit dem Gitarrenunterricht zu beginnen ist relativ: im Einzelunterricht
kann man sicher sehr früh anfangen. Noten kann man mit fünf Jahren lernen, auswendig lernen
Kinder in dem Alter sehr gut, wenn man also eine wirklich ausreichend kleine Gitarre nimmt, kann
es losgehen.
So früh werden die Fortschritte aber langsam kommen, und man wird beobachten, dass begabte
Kinder, die später anfangen, den "Frühstarter" locker einholen. Das ist aber ja egal: was man
früh lernt, lernt man besonders gründlich, und Zeit mit Musik ist nie verlorene Zeit.
Einstieg im Gruppenunterricht
Gibt es ein ideales Anfangsalter oder ein Mindestalter für den Beginn im Gruppenunterricht?
Viele Eltern kommen sehr früh auf die Idee, ihr Kind ein Instrument ausprobieren zu lassen. Wenn
die Kinder eine musikalische Früherziehung besucht haben, halten Eltern es oft für sinnvoll,
dass sich der Instrumentalunterricht direkt daran anschließt. Je jünger ein Mensch ist, desto
wahrscheinlicher ist es aber, dass der Unterrichtsanfang schwierig wird. Das hängt natürlich von
der Vorbildung ab, und wenn der
Unterricht in einer Gruppe startet, sollten die Mitglieder möglichst ähnlich alt sein.
Die ideale Unterrichtsform
Wenn man die ideale Unterrichtsform träumen dürfte wäre es sicherlich
-
Einzelunterricht, eventuell mit punktueller Zusammenarbeit mit anderen Schülern zum
Ensemblespiel,
-
die Unterrichtsdauer wäre völlig frei, das heißt wenn der Schüler etwas gekonnt spielen kann,
spielt er es vor und bekommt sein Feedback,
-
Unterricht wäre also nach Bedarf mehrmals in der Woche, das Dilemma, eine Woche warten zu
müssen, ob man richtig oder falsch geübt hat wäre aus der Welt.
Das klingt sehr nach "Unterricht bei Mama oder Papa", denn solche Flexibilität bieten
Musikschulen kaum an. Unterricht bei einem Elternteil ist aber in der Regel keine gute Idee!
Aber es lohnt sich immer, bei einer Musikschule anzufragen, ob Unterricht zweimal in der
Woche erteilt werden kann!
Im Folgenden ein Versuch, möglichst viele Aspekte des Gitarrenunterrichts zu
beleuchten:
Haltung
Die Haltung des Instruments ist anfangs ein
sehr wichtiger Unterrichtsinhalt. Wie gut man spielen lernt, hängt wesentlich davon ab, wie
geschickt man sich in dieser Hinsicht anstellt.
Die Gitarre steht nicht von alleine wie ein Klavier. Gutes
Körpergefühl und die Fähigkeit, still zu sitzen sind extrem
hilfreich. Pausen helfen gegen Zappeligkeit, aber wer mehrmals in der Unterrichtsstunde die
Fußbank umkippt oder gar vom Stuhl rutscht, könnte vielleicht noch ein Jahr warten.
Denken Sie einmal kurz darüber nach, was alles unternommen wird, um das Schreiben lernen zu
erleichtern: es gibt höhenverstellbare Schultische, die man außerdem kippen kann, mit Mulden für
Stifte und Rändern, die das Heft stabilisieren helfen, höhenverstellbare Stühle mit und ohne
Rollen, kippbaren Sitzflächen, "Wackelkissen", Sitzbälle, die das Sitzen an sich angenehmer
machen sollen, Füller mit besonderen Griffmulden für die Finger, und alles nur, damit jemand
einen Stift über Papier führen lernt...
Eine Gitarre wird schräg auf einem Bein balanciert, das durch eine Fußbank höher platziert wird,
man muss die zwei Hände optimal an ihre "Arbeitsplätze" bringen und ziemlich verschiedene Dinge
mit ihnen tun, wobei man nicht wirklich sehen kann, was man tut - das ist wesentlich komplexer
als ein Stift auf Papier!
Im Stehen spielen
Tatsächlich denke ich immer wieder darüber nach, mit Anfängern im
Stehen zu spielen, und tue es dann
doch nicht, weil ich mich vor den Nachteilen fürchte. In kleinen Gruppen oder im
Einzelunterricht könnte es funktionieren, aber man weiß vorher nicht, wie die Gruppe insgesamt
sein wird. Blockflöte unterrichte ich viel lieber im Stehen, bis dann Gruppen mit überwiegend
unruhigen Kindern kommen, die ständig mit ihren Flöten gegen den Notenständer stoßen, sich
gegenseitig schubsen, und trotz vorhandenem Bewegungsdrang nach kurzer Zeit jammern "Ich kann
nicht mehr stehen".
Vorteile beim Stehen wären:
- Einige Aspekte der Haltung wären leichter zu regeln:
- man kann nicht zu weit hinten auf dem Stuhl sitzen,
- die Höhe der Gitarre vor dem Körper wäre leichter festgelegt,
- der Abstand zum Notenständer ist leichter wählbar.
- Man kann sich etwas zur Musik bewegen, Takt wird erfahrbar.
- Man kann mit Gurt bei Ermüdung auch in korrekter Haltung im Sitzen spielen.
Mögliche Nachteile:
- Großer Aufwand zur Vorbereitung - Gurtpins und Gurte anschaffen und anbringen.
- Man kann sich zu viel Bewegen - Zusammenstöße mit den Nachbarn sind vorprogrammiert.
-
Statt mit Fußbank oder Stuhl umzukippen kann man wunderbar mit der Gitarre Notenständer,
Tische oder Kollegen stoßen.
-
Genau wie Kinder Fußbänke gerne auf die extremste Stufe stellen, kann man Gurte verstellen.
-
Beim Wechsel vom Stehen zum Sitzen und zurück muss man jedesmal die Notenständer neu
einstellen - das kostet Zeit und Nerven.
- Die Identifikation mit der "klassischen Haltung" ist erschwert.
Würde man in Kooperation mit den Eltern Gurtpins anbringen und Gurte anschaffen, müsste man von
vornherein klarmachen, dass bei Scheitern des Experiments diese Ausgabe eben leider umsonst war.
Koordination
Selbstverständlich ist eine gut entwickelte
Feinmotorik wichtig. Auch wenn es sehr modern ist, seinen Kindern im frühesten
Alter alle kulturellen und sportlichen Angebote zu unterbreiten, sollte man gerade wegen dieses
Aspektes Vorsicht walten lassen: wer sich in der ersten Klasse nicht wirklich geschickt mit
Stift oder Schere anstellt, bei Bastelarbeiten eher grobe Ergebnisse abliefert, schnuppert
vielleicht ins Gitarrespielen hinein, um festzustellen, dass das viel zu schwierig ist (ganz im
Vertrauen: so einfach ist es wirklich nicht...), und dann war's das. Schade, wenn ein, zwei
Jahre später das Ergebnis ein anderes gewesen wäre.
Die
Koordination der Hände miteinander und mit dem Gehirn ist ein weiterer Punkt:
ich muss nicht nur auf der richtigen Saite greifen, sondern diese auch noch anschlagen, und wenn
ich die Nachbarsaite erwische, muss das Gehirn dies bemerken und korrigieren. Natürlich werden
durch das Tun die Vernetzungen in der Denkzentrale hergestellt, früher Instrumentalunterricht
ist eine tolle Förderung der Intelligenz; man sollte aber im Kopf behalten: je früher man
anfängt, desto mehr Probleme und Frustrationen kann es geben.
Griffbrett und Noten
Die Töne auf dem Gitarrengriffbrett sind
nicht so übersichtlich angeordnet wie auf einem Tasteninstrument, und den
Vorteil der einmal gelernten Grifftabelle wie bei Blasinstrumenten hat man auch nicht, weil man
immer wieder andere Finger nimmt, um die Töne in unterschiedlichsten
Kombinationen zu greifen.
Hierfür sind gutes räumliches Vorstellungsvermögen, Merkfähigkeit und überhaupt
Intelligenz nicht schlecht. Wenn ein Kind Schachspielen begreift, also eine
Vorstellung entwickeln kann, welche Felder der Springer bedroht, oder die Diagonalen der Läufer
beachtet, sind ähnliche Fähigkeiten im Einsatz. Der Gitarren - Lehrling lernt die Verbindung
zwischen Zeichen (Note) und Aktion (was muss ich greifen und anschlagen) und die korrekte
Bezeichnung (Notenname) auswendig, denn die grundlegenden Eigenschaften unserer
Musik - Ganz- und Halbtonschritte, Intervalle, die letztlich klären, welcher Ton in welchem Bund
ist - sind bei sehr jungen Schülern schwer zu vermitteln.
Noten sind eine grafische Benutzeroberfläche - je höher die Note im System,
desto höher der Ton - die problemlos mit Vorschulkindern zu lernen ist. Bedingung: die
Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit unserer Zeichen - Bedeutung - Welt ist gegeben.
Irgendwann sind Kinder fasziniert von der Tatsache, dass man mit kleinen schwarzen Krakeln auf
Papier und Bildschirmen Informationen transportieren kann und wollen lesen und
verstehen und mitmachen.
Mit dem Schulbeginn lernen Kinder außerdem eine noch etwas andere
Einordnung in Gruppen als im Kindergarten, trotz aller Relativierung des
Frontalunterrichts: man hat einen Lerngegenstand, und den versuchen alle zu packen, und dafür
ist man auch mal still und hört einem anderen zu - manchmal sogar dem Lehrer.
Wenn dieses Verhalten eingeübt ist und das Interesse an unserer Schriftkultur geweckt, ist der
Start mit einem Musikinstrument einfacher.
Arbeit und Entspannung
Mit dem Schuleinstieg wird eine weitere
Kulturtechnik eingeführt, der
zentrale Bedeutung beim Erlernen eines Musikinstrumentes zukommt:
Hausaufgaben machen und üben. Üben, fleißig sein, etwas wiederholen, etwas
wieder und wieder tun um sich darin zu verbessern - das sind Dinge, die in unseren Breiten
gerade in Vergessenheit zu geraten drohen oder gar einen negatives Image haben. Es scheint
selbstverständlich, das auch jüngere Kinder im Abendprogramm Actionfilme, Comedyshows und bis
nach 23 Uhr "Wetten, dass" gucken, aber fünf Minuten täglich Gitarre üben? Muss
das denn wirklich sein? Welchen Schlag "Schlag den Raab" dem Biorhythmus versetzt ist
nebensächlich, aber - sonntags das Instrument anfassen? Undenkbar! Da muss man sich entspannen!
Ein gesundes Verhältnis zu regelmäßigen Übeprozessen geht in unserer Welt völlig verloren.
Außerdem hat sich der unversöhnliche Gegensatz zwischen
Freizeit und Arbeitswelt absolut fest in den Hirnen verankert. Freitags nach
Schulschluss ist Schicht, danach werden bis Montag früh bestenfalls Hausaufgaben gemacht, nichts
Sinnvolles zu tun ist Pflicht. Die sich
in den Nachmittag ausdehnende Schule tut ein übriges: hohe Leistungen im Sport
oder mit einem Musikinstrument sind nur noch bei Halbverrückten zu beobachten, erfolgreiche
Teilnehmer bei "Jugend musiziert" sind Aliens.
Benehmen und Gruppenfähigkeit
Nicht wirklich altersabhängig, aber doch ein Thema, das einem spontan zu Schulkindern einfällt
und auch ein Faktor beim frühen Instrumentalunterricht sein kann: Erziehung,
angemessenes Benehmen. Eine gewisse Artigkeit, Respekt vor
anderen, vielleicht sogar Lehrern und auch Sachen gegenüber (Behandlung des Instrumentes) zu
nennen mag bieder erscheinen, aber die sprachliche Verrohung und die auch physische
Distanzlosigkeit von mehr und mehr Kindern macht diese nicht sympathischer. Schon deshalb
sollten sich Eltern trauen, zu erziehen!
Wenn der Lehrer sich nicht anders zu helfen weiß, als ein Kind zum Beruhigen vor die Tür zu
schicken oder gar bei den Betreuungskräften der verlässlichen Grundschule abzugeben, damit der
Unterricht weiter gehen und er sich auch den anderen Gruppenmitglieder widmen kann, dann muss
irgendwo etwas schief gelaufen sein. Bei aller fröhlichen Diskussion über Schule, Lehrer, den
Segen des Ganztagsunterrichtes und so weiter: der Mörtel für den schiefen Pisaturm wird in den
Familien angerührt. Zu erwarten, dass die
Grundlagen für freundliches zwischenmenschliches Verhalten von Menschen gelegt
wird, die eigentlich damit befasst sind, Mathematik oder Grammatik zu lehren, ist vielleicht
nicht der richtige Ansatz.
Motivation, Interesse
Dass die
eigene Motivation, Gitarre spielen zu lernen ein absolut entscheidender Faktor
ist, und nicht das Denken der Eltern "Das würde meinem Kind bestimmt gut tun" oder "Früher hätte
ich das selber gerne gelernt, aber das ging nicht - jetzt soll mein Kind die Chance bekommen"
sollte völlig klar sein.
Das
Interesse der Eltern am Lernprozess des Kindes ist aber um so wichtiger, je
jünger die Kinder sind. Nein, die
Eltern müssen nicht Gitarre spielen
oder Noten lesen können oder lernen. Andererseits stehen in der Gitarrenschule
Grafiken, die erklären "wenn du
diese Note siehst, musst du genau diese Saite in exakt dem Bund herunterdrücken". Vergleichbare
Grafiken zu verstehen ist für Erwachsene Alltag. Die Aufbauanleitung der Ikea - Kommode
funktioniert ganz ähnlich, und beim Lego - Technik - Raumgleiter setzt man auch Grafiken in
Handlungen um.
Vor allem können Eltern ihrem Nachwuchs vermitteln: wenn du etwas nicht weißt, kannst du im Buch
nachschauen, da ist es erklärt. Die Kulturtechnik
"Verwendung eines Lexikons", in der Grundschule mit dem "Schülerduden"
eingeführt,
unser ganzes Leben in Form von Vokabellisten, Gebrauchsanweisungen, Landkarten durchziehend -
bei ihrer Vermittlung der Sicherheit "Wenn du etwas nicht weißt, gibt es immer eine Stelle, wo
man Informationen finden kann" können Eltern entscheidend mithelfen. Und dazu, zum Geben von
Sicherheit und zum freundlichen Begleiten haben Kinder schließlich Eltern.
Alle genannten Dinge, Koordination, Feinmotorik, Intelligenz, Lesewillen, Gruppenfähigkeit,
Fleiß und angemessenes Verhalten greifen in einander und überschneiden sich. Alle beeinflussen
sich gegenseitig, und können relativiert werden durch einen weiteren zentralen Faktor:
Willen.
Willen
Wer etwas wirklich will, schafft auch etwas. Das
Herunterdrücken der Saiten fällt kleinen Kindern anfangs doch ganz schön schwer
- Kinder mit Biss machen das spielend. Willen, Hartnäckigkeit, sich etwas beweisen wollen,
ehrgeizig sein, das sind Tugenden, die einen voran bringen, die Zappeligkeit ausgleichen können,
die einen frühen Unterrichtsbeginn erfolgreich machen können. Bitte nicht verwechseln mit
Wünschen und Hoffen der Eltern - das muss aus den Kindern selbst kommen.
Absichtlich nicht erwähnt habe ich bisher die
Musikalität, weil ich diesen Abschnitt so schreiben wollte, dass er auch
Gültigkeit für andere Bereiche haben könnte. Wer etwas lernen möchte, das nützlich ist, oder
vielleicht zum Menschsein dazugehört (Nein, nicht jeder muss ein Instrument spielen können!)
ohne dass es produktiv ist oder vermarktet werden kann, braucht gewisse Grundbedingungen. Für
Musiker hilft natürlich Musikalität...
Jungen und Mädchen
Ja,
Mädchen und Jungen sind unterschiedlich. Da Jungen, auch kleine, enorm damit
befasst sind, "richtige Kerle" zu sein und zu werden und deshalb frech sein müssen,
keinesfalls als Streber gelten dürfen und in diesem "Lernfeld" einem starken Gruppendruck
unterliegen, verpassen sie oft sehr viel oder lernen Dinge unbemerkt und trotz allem.
Allerdings machen Jungs in der Pubertät häufig einen gewaltigen Sprung. Plötzlich wird
Können in einem Bereich als Identifikationsmöglichkeit entdeckt, oder die Gitarre wird zum
Ventil für Frustrationen aller Art, und die Jungs machen Fortschritte, die vor ein paar Jahren
undenkbar schienen, während die Mädchen, eher brav und angepasst, kontinuierlich weiter
arbeiten, aber die Aufgaben mit weniger (positiver) Aggressivität angehen.
Diese Rolle
eines Ventils wird aber zunehmend von Computer- und Konsolenspielen und dem Smartphone
übernommen.
Während die Jungen das eine Lernprogramm durchlaufen, haben Mädchen irgendwann die Phase, in der
sie unheimlich mit schön sein befasst sind. Dann sind sie praktisch nicht davon zu
überzeugen, dass man mit langen Fingernägeln an der Greifhand einfach nicht sauber greifen kann
und fallen zurück. Dass gekonntes Gitarrenspiel auch sehr viel an Schönheit, Stimmigkeit und
Persönlichkeit ausdrücken kann, ist in diesem Alter kaum zu vermitteln.
Altersunterschiede, Geschwisterdrama
Altersunterschiede in Gruppen müssen nicht, können aber ein Problem sein.
Natürlich können jüngere Kinder mit schneller Auffassungsgabe mit älteren mithalten, und wenn
man es schafft, in einer Unterrichtsgruppe ein tolerantes Klima herzustellen kann alles
wunderbar funktionieren. Problematische Sprünge liegen zwischen Kindergarten- und Lesealter oder
dritter / vierter Klasse und Jahrgang 5 und 6. Je mehr die Kinder mit der Sache Musik befasst
sind, desto besser.
Geschwister in einer Gruppe zu unterrichten ist mir persönlich noch nie mit
großem Erfolg gelungen. Obwohl ich selber ein Sandwich - Kind und Vater zweier Kinder bin,
Geschwisterrivalität also aus vielen Perspektiven kenne, kann ich es schlicht nicht empfehlen,
und würde immer dazu raten, die Kinder verschiedene Instrumente probieren zu lassen oder in
unterschiedlichen Gruppen unterzubringen. Wenn die ältere Schwester auch im Gitarrenunterricht
schneller voran kommt, hat das jüngere Kind "denselben alten Blues", der den Alltag zu Hause
prägt. Wenn das jüngere Kind das ältere überholt ist die Lage noch ernster. Wenn Zwillinge sich
gut verstehen scheint es aber funktionieren zu können.
Vertrauen in den Lehrer
Jeder Lehrer möchte guten, erfolgreichen Unterricht machen. Das hat viel mit
Langsamkeit und Gründlichkeit zu tun - man will erreichen, dass der Schüler
wirklich Gitarre spielen lernt. Das bedeutet, dass das Können auf dem Instrument in
kleinen, sinnvollen Schritten so entwickelt wird, damit man nicht irgendwann vor einer Wand
steht, die man nicht mehr überwinden kann.
Häufig berichten Kinder von Freunden, die bei einem anderen Lehrer Unterricht haben, und schon
"Smoke on the water" spielen können. Ok, sage ich mir, das Kind ist viel begabter, fleißiger,
der Lehrer macht besseren Unterricht, was mache ich falsch?
Dann kommt es irgendwann zu
einem Unterrichtsbesuch, und es stellt sich heraus, dass der Freund zwar die berühmte Tonfolge
spielen kann, sonst aber noch nicht über die ersten fünf Töne hinaus ist und nicht mal die
sicher unterscheiden kann (Selbstverständlich gibt es auch den Fall, dass der Freund wirklich
viel weiter ist!).
Vertrauen in den Lehrer, der dann hoffentlich auch etwas taugt, heißt also: die
Unterrichtsschritte mitgehen, die er vorschlägt, das Können kontinuierlich aufbauen, warten
können, bis man soweit ist, schwierigere Dinge anpacken zu können.
Komplizierte Rhythmen lernt man, wenn man die einfachen beherrscht, Barrégriffe, wenn man A-Dur
und D-Dur wechseln kann, "Nothing else matters", wenn man die Angst vor höheren Lagen
wegtrainiert hat. Genies dürfen natürlich sofort mit dem Schwierigsten beginnen - wenn
sie technisch alles richtig machen, ist das in Ordnung. Ansonsten ist und bleibt Bescheidenheit
eine Zier und ein guter Berater!
"Zu spät" ist es nie!
Grundsätzlich ist nach meiner Erfahrung ein
guter Zeitpunkt für den Beginn die zweite Klasse. Die Kinder wissen, wo der
Lehrer steht, lernen oder können lesen und haben gelernt, sich in einer Gruppe angemessen zu
verhalten.
Kann man auch
zu spät mit dem Lernen eines Instrumentes beginnen? Nein. Ältere Kinder und
Jugendliche haben bei der Gitarre weniger Probleme mit der nötigen Kraft, dem Verstehen der
Zusammenhänge zwischen Noten und Griffbrett, sind vielleicht selbst wirklich motiviert und haben
klare Ziele.
Ältere Menschen, die ihre Finger nie zu so merkwürdigen Dingen wie
Gitarrespielen eingesetzt haben, werden über die Schwierigkeiten bei den vertrackten Bewegungen
staunen, beobachten, dass es für das Gehirn gar nicht so einfach ist, dem Ringfinger einen
präzisen Befehl zu geben, während die anderen Finger brav stehen bleiben, aber - man tut ja
schließlich etwas für sich und muss niemandem sonst etwas beweisen! Solange man weiß, was das
Ziel ist, kann man die Frage "zu spät?" nur mit "nein" beantworten.
Gruppenunterricht
Die Gitarre gehört mittlerweile zu den klassischen Gruppenunterricht - Instrumenten an
Musikschulen. Sie hat einige Eigenschaften, die sie dafür prädestinieren. Welche Vorteile hat
Gruppenunterricht, was muss man beachten, damit er erfolgreich läuft?
Hier steht etwas über Einzelunterricht,
und hier sind meine Regeln für Gitarrengruppen.
Die
Gründe dafür, dass die Gitarre ein häufiges Gruppeninstrument ist, liegen auf
der Hand: Gitarren sind vergleichsweise günstig, gut zu transportieren, brauchen zwar mehr Platz
als Blockflöten, aber deutlich weniger als Klaviere oder Drumsets, sind nicht so laut, und geben
erträgliche Töne von sich, wenn sie gut gestimmt sind.
Dass Gitarren für wenig Geld zu erwerben sind, man dabei aber gewisse Grenzen nicht
unterschreiten sollte, habe ich an anderer Stelle breit
diskutiert. Wenn man zu billige und damit
schlechte Gitarren nimmt, ist die Sache mit der Stimmbarkeit ein ewiges Problem, und schräge
Töne wirken sich auf die Motivation aus. Trotzdem muss der Geigenlehrer bei einer Vierergruppe
wahrscheinlich mehr Dissonanzen ertragen als ich in gleicher Situation.
Leicht zu transportieren (im Vergleich zu Schlagzeug und Klavier) sind Gitarren allemal, wenn
auch das Auspacken, Aufbauen von Stuhl, Fußbank, Notenständer und Noten sowie das Stimmen
einiges an Zeit brauchen (je selbstständiger die Schüler, desto flotter geht es), und für
größere Gruppen braucht man auch ganz schön Platz - die Arbeit in Schulräumen ist ein
ordentliches Training für den Lehrer mit Tische schieben und Stühle tragen!
Dynamik am Anfang
Ein großer
Vorteil des Beginns in einer Gruppe: auch wenn es am Anfang mal etwas rumpelt,
weil die Mitglieder unterschiedlich viel Interesse haben - es ist die beste Chance, Partner zu
finden, mit denen man längere Zeit zusammen arbeiten kann!
Andererseits sollte man nicht vergessen und bedenken: es ist sehr wahrscheinlich, dass in einer
großen Gruppe sowohl begabte Kinder, als auch Kinder angemeldet werden, deren Eltern einen
quasi therapeutischen Nutzen erhoffen. Es heißt ja, ein Instrument zu lernen
bringe einen in Sachen Koordination, Konzentration oder gar überhaupt Intelligenz weiter. Das
ist hoffentlich zum großen Teil richtig, aber wenn ein Kind z.B. Koordinationsprobleme hat,
sollte man das vorher thematisieren und eventuell Absprachen treffen. Niemand ist gerne längere
Zeit in der Situation, mit Schwierigkeiten zu kämpfen, die für andere normale Herausforderungen
sind. Weder der Lehrer noch die anderen Kinder und Eltern rechnen damit, eine Art Ergänzung zur
Ergotherapie zu machen, das sollte allen Beteiligten klar sein. Ein Musikinstrument zu erlernen
ist nicht unbedingt einfacher, als sich Lesen, Schreiben und die
Grundrechenarten anzueignen.
Unzufriedenheit kann man vorbeugen, indem der Unterricht als
"Schnupperangebot" startet, bei dem nach einer Testphase überlegt wird, ob
Instrument und Gruppe so passen.
Vorteile beim Lernen
Viele Dinge lassen sich sehr gut in einer Gruppe erlernen. Die
grundlegenden Lernfelder am
Beginn des Gitarrenunterrichts - wo
finde ich die Töne auf der Gitarre, wie schlage ich richtig an, mit welchem Finger muss ich
greifen, wie sieht die zugehörige Note aus, wie heißt der Ton, wie lang sind Viertel und Achtel
- kann man mit aufmerksamen Kindern gut gemeinsam erarbeiten.
Kinder, die anfangs nicht so
sicher sind, "schwimmen in der Gruppe mit" und profitieren vom gemeinsamen Musizieren. Dadurch
kann das Gefühl für Rhythmus vielleicht entspannter aufgebaut werden als im Einzelunterricht, wo
der Lehrer eher dazu neigt, das Ganze zu "verintellektualisieren". Das Kind wird früher
aufgefordert sich zu äußern - wie zählt man da, klopfe mal mit dem Fuß den Taktschlag - wo es in
der Gruppe mehr Chancen bekommt, durch Beobachtung und Nachahmung zu lernen.
Durch dosiertes "in-Ruhe-lassen" von leicht gestressten Kindern kann man diese vorsichtig in
eine Situation hineinwachsen lassen, vor der sie sonst zu viel Angst gehabt hätten.
Um Erfolg mit dieser Unterrichtsform zu haben, müssen die Schüler
aufmerksam sein und beobachten. Viele Kinder passen aber nur noch auf, wenn sie
direkt angesprochen werden; sobald die Gruppe als Ganzes gefordert ist, oder eine Frage an ein
anderes Kind gerichtet wird, schalten sie vollkommen ab und sind, wenn man nachfragt, was sie
gerade gehört oder beobachtet haben, nicht in der Lage sich zu äußern. Zu dieser Problematik
steht einiges im Absatz über das
Einstiegsalter.
Rolle der Eltern
Nicht nur die Kinder sind für den Erfolg des Gruppenunterrichts wichtig, sondern in besonderem
Maße die
Eltern. Sie sind dafür verantwortlich, bei versäumtem Unterricht
nach den Hausaufgaben zu fragen. Die Sitte, mitzuteilen, dass und warum ein
Kind nicht kommen konnte ist inzwischen akut vom Aussterben bedroht. Inzwischen - mehrere Jahre
nach Verfassen dieses Artikels - ist die Hauptfrage, ob Eltern die per Mail oder Messenger
übermittelte Hausaufgabe an ihr Kind weitergeben.
Fehlen in einer Gruppe die Mitglieder über Wochen umschichtig, ist ein Weiterkommen sehr
erschwert, wenn niemand bereit ist etwas nachzuarbeiten. Das macht dann den Unterricht schnell
langweilig, besonders natürlich für die begabteren Kinder. Diese
Mitverantwortung jedes Einzelnen für das Gruppentempo ist ein ganz
entscheidender Faktor. Musikunterricht ist ein Hobby, und man sollte seine Freizeitvergnügen
nicht mit der Schule vermengen, aber ein bisschen Einsatz ist trotzdem nicht schädlich, denn
Gruppenunterricht ist nun mal ein "Mannschaftssport".
Selbstverständlich sollte sein, dass man sich in der Gruppe
verträgt. Niemand muss niemanden heiraten, aber Rivalitäten und Ablehnung, weil
jemand aus dem anderen Ortsteil kommt, eine Schulklasse tiefer besucht, beim Fußball ruppt oder
dergleichen haben im Musikunterricht für mich nichts zu suchen.
Wenn alles gut funktioniert, kann man mit Gruppen viel erreichen und viel Spaß haben (und mit
Spaß erreicht man mehr!). Gesunder Ehrgeiz und Hilfsbereitschaft und gegenseitiges Unterstützen
bringen gute Lernfortschritte und gute Ergebnisse bei Vorspielen.
Dynamik am Schluss
Dann muss man aber auch merken, wann die Geschichte vorbei ist. Wenn ein Kind
besonders begabt ist und schneller vorankommen könnte als die Gruppenkollegen,
muss der Lehrer die Eltern alarmieren, und die Eltern ihrerseits den Lehrer anrufen, wenn sie
beginnende Unlust wegen Unterforderung bemerken. Dann ist Unterricht in
kleineren Gruppen oder Einzelunterricht angezeigt, und die Diskussion über die Kosten des
Musikunterrichts - siehe unten - kann beginnen.
Und man braucht natürlich - je älter und
fortgeschrittener die Schüler sind - mehr Zeit für den Einzelnen, für die Hausaufgabe, für das
Erarbeiten des neuen Stückes, für die Kreativität beim Austüfteln des besten Fingersatzes.
Irgendwann ist die Form des Gruppenunterrichts nicht mehr die beste.
Die Geldfrage
Obwohl ich überzeugt davon bin, dass Gruppenunterricht in bestimmten Situationen eine sehr gute
Unterrichtsform ist, hängt seine Verbreitung natürlich daran, dass er
preisgünstiger zu machen ist. Wobei folgende Fragen kritisch zu beleuchten
wären:
-
Kostet Musikunterricht heute im Verhältnis mehr Geld als etwa in den Siebzigern (in denen
viele Musikschulen entstanden)?
- Haben die Leute heute wirklich weniger Geld?
- Haben sie mehr Kinder, also weniger Geld pro Kind zur Verfügung?
- Geben wir alle mehr Geld für andere Dinge aus?
- Gehen vielleicht mehr Kinder als früher zum Gitarrenunterricht?
Dass Instrumentalunterricht in den letzten Jahrzehnten unmäßig teurer wurde als Zigaretten, Kino
oder die Dienstleistung an der KFZ- Zulassungsstelle bezweifle ich. Allerdings müssen
Musikschulen mit öffentlicher Förderung, bei der die Angestellten von Kommunen oder Landkreisen
bezahlt werden, zum Teil mehr Geld für Personalkosten aufwenden. Die Lehrer werden schon mal
älter und verheirateter und bekommen Kinder. Dadurch steigen die Bezüge; erst wenn jemand in
Rente geht und dafür eine neue Lehrkraft eingestellt wird, die jung, ledig und kinderlos ist,
beginnt dieser Zyklus von vorne. Wenn ich mein Auto anmelde oder mein Kind in die Schule schicke
ist dort vielleicht auch jemand tätig, der 58 Jahre alt ist und drei Kinder hat, aber das wirkt
sich auf die Gebühr für den Führerschein nicht so aus. Hier werden diese Kosten aufgefangen. An
der Musikschule fließen sie zumindest teilweise in die Entgelte ein. Essen zu gehen und die
Markenjeans sind aber auch nicht wirklich billiger geworden.
Ob wir alle weniger Geld haben, führt direkt in eine politische Diskussion über
Lohnzuwachs und Umverteilung - dafür ist hier nicht der Ort.
Mehr Kinder als vor 30 Jahren haben wir im Schnitt nicht, also müsste pro Kind mehr Geld da
sein, aber daran schließt sich subito presto die Erörterung an, ob wir nicht auch mehr nach
Mallorca fliegen, höherwertige Autos fahren, mehr Geld für (Unterhaltungs-) Elektronik ausgeben,
mehr für angesagte Kleidung anlegen. Man hört als Lehrer, wenn man erwähnt, dass eine eigene
Gitarre guter Qualität sich lohnen würde tatsächlich "Dafür haben wir gerade kein Geld, die
Kinder haben gerade alle ein Handy bekommen.", was im Klartext ein Smartphone mit Obstlogo
bedeutet.
Wir haben definitiv einen anderen Lebensstil, und der ist so selbstverständlich, dass er gar
nicht mehr hinterfragt wird. Wir haben mehr Freizeit, die muss gefüllt werden, und wer füllt die
schon mit Gitarre lernen, Yoga üben oder gar
mit dem Erlernen einer Fremdsprache, um vielleicht ein Buch in der Originalsprache lesen zu
können - alles Dinge, die in erster Linie Zeit und Mühe kosten, nicht Geld...
Trotzdem probieren derzeit viel mehr Kinder als früher, ein Instrument zu erlernen, und das ist
gut so! Natürlich hören manche davon nach einiger Zeit wieder auf, weil Begabung, Lust oder
Motivation nicht reichen. Ich meine auch, dass heute viel mehr Kinder Hobbies wie Reiten, Tennis
und dergleichen (die früher als teuer galten) ausprobieren dürfen.
Wie man mit dieser Problematik umgeht ist jedermanns Privatsache. Der eine sucht sich die
günstigste Unterrichtsmöglichkeit (immer wieder mit dem Ergebnis, dass die Geschichte in einer
Sackgasse endet, das Kind vieles um- und neu lernen und sich an einen neuen Lehrer gewöhnen
muss, damit emotional überfordert ist etc.), der andere kann's bezahlen oder sagt sich "das ist
es mir wert". Zu hinterfragen, was die Dinge, die man so tut und kauft für einen Wert für das
eigene Leben haben, ist sicher nicht schlecht. Eine gute Alternative ist der Start in einer
Gruppe allemal. Wenn der Lehrer dem auch positiv gegenübersteht, im Gespräch mit den Eltern
bleibt und aktiv an der Umstellung von Gruppen dran ist, kann man im Fach Gitarre durchaus weit
kommen, bis irgendwann die Entscheidung über den klassischen Einzelunterricht ansteht.
Einzelunterricht
Im Gegensatz zum
Gruppenunterricht hat der
Schüler im Einzelunterricht den Lehrer für sich allein. Von Anfang an wird ein Mensch
bestmöglich gefördert. Wenn Begabung, Intelligenz, Fleiß und Lernwille vorhanden sind, stellt
nur das Können des Lehrers eine Grenze dar, auf langsamere Unterrichtspartner braucht man keine
Rücksicht zu nehmen.
Aber auch der andere Fall sollte idealerweise Raum finden: Wenn ein
Kind Begabung zur Musik hat, aber nicht so schnell begreift wie andere, sollte eine
Einzelförderung ins Auge gefasst werden, weil sich Musikunterricht auf den Menschen insgesamt
auswirkt.
Als Lehrer steckt man sofort in dem Dilemma, wie genau man sein will oder wie viel Spielraum man
lässt. Das Kind hält die Gitarre nicht schräg genug, der Gitarrenkopf ist zu weit unten, dadurch
wird die Greifhand beeinflusst. Oder die Beine stehen zu eng zusammen, die Gitarre wird deshalb
nicht gerade vor dem Körper gehalten, dadurch wird die Wirbelsäule zwischen Becken und
Schultergürtel in sich verdreht. Bemerkungen dazu kommen aber nicht an, der Schüler bleibt genau
so sitzen - was tun?
Ein ständiger Balanceakt zwischen Strenge und Laissez-faire beginnt, der Versuch, den
Schüler auf die Seite des Lehrers zu ziehen, der denkt "das und das müssen wir noch verbessern,
daran müssen wir noch arbeiten..."
Man muss also aufpassen, dass die Sache nicht zu
stressig wird und ganz entschieden von Freundlichkeit geprägt ist. Nicht immer einfach, gerade
bei jugendlichen Schülern, die häufig mit der Attitüde "Wieso soll ich das denn so
machen?" in den Unterricht kommen.
Alles geht schneller im Einzelunterricht, oder jedenfalls im richtigen Tempo für den
individuellen Schüler. Nun habe ich oben ausführlich zu beschreiben versucht, dass der
Gruppenunterricht in der Anfangsphase durchaus angemessen sein kann und vielleicht auch schlicht
mehr Spaß macht, und Spaß beim Lernen ist ein wichtiger Faktor! Trotzdem kommt irgendwann der
Zeitpunkt, wo die Gruppe sich vom Lerntempo her auseinander lebt, oder, vielleicht noch später,
wo das Besprechen der Interpretation des Schülers so viel Raum einnehmen muss, dass es in der
Gruppe nicht mehr zu machen ist.
Spätestens dann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem auch die Lernenden ein Recht auf individuelle
Förderung anmelden sollten, die eines der "klassischen Gruppenunterrichtsinstrumente" (Gitarre,
Blockflöte, Akkordeon, Keyboard) gewählt haben.
Sichtbare Lernfortschritte, Leistungen bei Vorspielen, großes Interesse an der Sache
(lieber Gitarre üben als immer nur an der Spielkonsole sitzen) gehören durchaus zum Thema. Das
sind Dinge, die Eltern und Lehrer wahrnehmen müssen, und die auch die Politiker in Betracht
ziehen müssen, wenn sie wieder über Zuschüsse für öffentliche Einrichtungen wie Musikschulen zu
entscheiden haben.