Enharmonische Modulation
"Enharmonische Modulation" bedeutet nicht, dass man in einer Akkordfolge zum Beispiel einen Fis-Dur-Akkord enharmonisch verwechselt in Ges-Dur und dann in dieser Tonart weiterschreibt. Der Begriff meint, dass man in einem Klang eine Note enharmonisch umdeutet, wodurch sich eine neue Leittonfunktion ergibt, die eine Modulation einleitet.
Man nutzt dafür besonders gerne sogenannte
"symmetrische Akkorde", Akkorde, die aus lauter gleichen Intervallen bestehen,
wie den verminderten Septakkord oder den übermäßigen Dreiklang.
Diese Art der Modulation
braucht wieder sehr genaue Kenntnis und Vorstellung.
In der Grafik rechts ist angedeutet, dass man mit dem verminderten Septakkord
gis-h-d-f, dem
D7♭9 ohne Grundton
von A-Moll mindestens nach C-Moll, Fis-Moll und Es-Moll modulieren kann.
Die Modulationen
in die gleichnamigen Durtonarten sind möglich, aber da der verminderte Septakkord leitereigen in
der harmonischen Molltonleiter steht, sind sie etwas "gewollter".
Enharmonische Modulation mit dem verminderten Septakkord
Der verminderte Septakkord besteht aus lauter kleinen Terzen und entsteht von Hause aus in der harmonischen Molltonleiter auf der erhöhten siebten Stufe. Er ist ein Dominantseptnonakkord ohne Grundton mit kleiner None. Man kann als Grundton eine große Terz unter jedem seiner vier Töne annehmen, also kann man ihn in vier verschiedene Zielklänge auflösen; wenn man die Durvarianten dazunimmt sogar in acht.
Rechts ein Beispiel einer einfachen Kadenz in A-Moll in Oktavlage: nach der Subdominante mit
sixte ajoutée folgt der Dominantseptnonakkord mit kleiner None ohne Grundton, hier mit Quinte im
Bass, und der löst sich in die Tonika auf.
Dabei entstehen übrigens Quintparallelen
zwischen Alt und Bass - "Vermindert - rein... das lass sein!"
Von A-Moll nach C-Moll
Möchte man modulieren, werden einer oder mehrere der Töne des verminderten Septakkordes enharmonisch umgedeutet. In der ersten Beispielserie "von A-Moll nach C-Moll" betrifft dies die Terz gis, die als as umgedeutet wird.
Beispiel 49: Von A-Moll nach C-Moll, enharmonisch, Oktavlage.
Nach der
s56 lasse ich den Basston
d liegen, ebenso die Mittelstimmen h und
f, nur der Diskant geht vom a zum
gis, das zum as umgedeutet wird (In Viertelnoten
mit Haltebogen geschrieben).
Damit ist das d im Bass nicht mehr
die Septime der Dominante ohne Grundton zu A-Moll,
E7♭9, sondern
die Quinte der Dominante ohne Grundton zu C-Moll,
G7♭9. In der Oberstimme liegt das as, die kleine None, der Leitton
h findet sich im Tenor.
Um Quintparallelen zwischen den
Außenstimmen zu vermeiden ("... vermindert - rein: das lass sein!") führe ich den Bass
zunächst in die Terz der Tonika, um dann mit
s56 und Dominante mit Quartvorhalt
abzuschließen. Die sixte ajoutée "muss" kommen, um Oktavparallelen aus dem Weg zu gehen.
Beispiel 50: Von A-Moll nach C-Moll, enharmonisch, Terzlage.
Die in Terz- und Quintlage beginnenden Beispiele sind ansonsten genauso gemacht wie das in Oktavlage. Die Quintparallelen wären zwar nicht so exponiert wie dort, trotzdem habe ich den ersten C-Moll-Akkord mit Terz im Bass gesetzt.
Beispiel 51: Von A-Moll nach C-Moll, enharmonisch, Quintlage.
Beispiele als PDF für Klavier und Gitarre.
Von A-Moll nach Es-Moll
Möchte ich von A-Moll nach Es-Moll modulieren, muss ich meinen Akkord folgendermaßen umdeuten: aus gis-h-d-f wird as-ces-d-f, oder, um den D7♭9 komplett zu zeigen: aus E-gis-h-d-f wird B-d-f-as-ces. Im Beispiel liegt zunächst die Septime im Bass, die in die Terz der neuen Dominante umgedeutet wird.
Beispiel 52: Von A-Moll nach Es-Moll, enharmonisch, Oktavlage.
Beispiel 53: Von A-Moll nach Es-Moll, enharmonisch, Terzlage.
In der Terzlage führe ich die Quinte f der Dominante aufwärts in die Terz der neuen Tonika, um Quintparallelen zu vermeiden.
Beispiel 54: Von A-Moll nach Es-Moll, enharmonisch, Quintlage.
Beispiele als PDF für Klavier und Gitarre.
Von A-Moll nach Fis-Moll
Um nach Fis-Moll zu gelangen deute ich die Dominante
E-gis-h-d-f zu
Cis-eis-gis-h-d um. Im umgedeuteten Akkord
liegt die kleine None im Bass. Sie wird natürlich in die Quinte der neuen Dominante geführt. Ich
habe in den folgenden Beispielen diesen Zielklang als Dominantquartsextvorhalt interpretiert,
gehe von dort in einen Trugschluss zum Tonikagegenklang und setze dann den üblichen Rest der
Kadenz.
Das h, die Septime der Dominante, führe ich nach unten in
die Terz von Fis-Moll. Dadurch wird die Terz statt der Quinte verdoppelt. In der Mittelstimme
hätte man das h auch zum cis führen können.
Beispiel 55: Von A-Moll nach Fis-Moll, enharmonisch, Oktavlage.
Im folgenden Beispiel 55b habe ich nach der umgedeuteten Dominante einfach die neue Tonika mit Quinte im Bass angenommen (wieder mit verdoppelter Terz) und gehe von dort über s56 und D4-3 zum Schlussakkord. Das ist sozusagen die Abkürzung von Beispiel 55.
Beispiel 55b: Von A-Moll nach Fis-Moll, enharmonisch, Oktavlage.
Beispiel 56: Von A-Moll nach Fis-Moll, enharmonisch, Terzlage.
Die Beispiele 56 und 57 sind einfache Umkehrungen der Version in der Oktavlage. Ich hoffe, ich habe alle Verdoppelungen richtig gesetzt - im Klaviersatz sieht man die Stimmführung nicht so deutlich wie in der weiten Lage, dafür kann man die Sachen besser alleine am Klavier durchspielen als vierstimmig singen.