Modulation mit dem Neapolitaner
Der Neapolitaner gehört für Puristen eigentlich in die Mollkadenz. Trotzdem wird er sowohl bei H. Grabner als auch bei Salmen / Schneider als Möglichkeit gegeben, auch in Durtonarten sehr weit zu modulieren.
Zuerst möchte ich von C-Dur nach E-Moll modulieren. Dazu suche ich den
Neapolitaner der Zieltonart. In E-Moll heißt die Subdominante mit
tiefalterierter Sexte a - c - f. Das entspricht in C-Dur der
Subdominante mit Terz im Bass. Weil der Neapolitaner in der Zieltonart ebenfalls als
Subdominante auftaucht, also deren Grundton a verdoppelt werden sollte,
werde ich ihn auch in der Ausgangstonart mit Terz im Bass spielen.
Nach dem
Dominantquartsextvorhalt kommt als Trugschluss der Tonikagegenklang C-Dur.
Wenn ich von C-Dur nach E-Dur gehe, nehme ich im Prinzip den gleichen Weg. Der Trugschluss ist
jetzt naturlich die Tonikaparallele Cis-Moll.
Bei beiden Modulationen sehe ich zu, dass ich in der Oktavlage ende, weil die Kadenz mit
dem Neapolitaner so am deutlichsten wird.
Beispiel 32: Von C-Dur nach E-Moll mit dem Neapolitaner.
Beispiel 33: Von C-Dur nach E-Dur mit dem Neapolitaner.
Beispiele als PDF zum Download siehe nächster Abschnitt.
Mit dem Neapolitaner abwärts modulieren
Gehe ich hingegen vom Neapolitaner der Ausgangstonart als Modulationsmittel aus, komme ich im Quintenzirkel nach unten. Diese Beispiele beginnen in der Oktavlage.
In C-Moll ist der neapolitanische Sextakkord f - as - des, was einer Umkehrung von Des-Dur entspricht. Von C-Dur aus wäre das der gleiche Akkord (obwohl C-Dur ja von Hause aus nicht die Subdominante f - as - c hat), und mit beiden komme ich leicht nach As-Dur.
Sowohl von C-Moll als auch von C-Dur aus steuere ich den Neapolitaner an, der in der Zieltonart als Subdominante mit Terz im Bass interpretiert wird. Mit einer unspektakulären Kadenz bin ich in As zu Hause.
Beispiel 34: Von C-Moll nach As-Dur mit dem Neapolitaner.
Beispiel 35: Von C-Dur nach As-Dur mit dem Neapolitaner.
Die Dominante als Neapolitaner der Zieltonart
H. Grabner gibt ein Beispiel für die Umdeutung der Dominante in den neapolitanischen Sextakkord der Zieltonart.
Wenn ich in C-Dur die Dominante G-Dur mit Terz im Bass bringe, kann ich diesen Akkord als Neapolitaner in Fis-Moll oder Fis-Dur deuten. Im Beispiel 36 folgt auf den Neapolitaner ein Dominantquartsextvorhalt mit Trugschluss zum Tonikagegenklang D-Dur, und danach die Schlusskadenz.
Auch in C-Moll ist die Dominante g - h - d. Wenn ich so nach Fis-Dur moduliere, habe ich eine weite Strecke zurückgelegt. Nach dem Dominantquartsextvorhalt folgt in Beispiel 37 der Trugschluss zur Tonikaparallele Dis-Moll.
Beispiel 36: Von C-Dur nach Fis-Moll mit dem Neapolitaner.
Spielt man vor dem Neapolitaner eine Standartkadenz mit T-S-D-T, bekommt man schöne Oktavparallelen, weil man die beiden Grundtöne der Tonika in die zu verdoppelnde Terz führt!
Beispiel 37: Von C-Moll nach Fis-Dur mit dem Neapolitaner.
Im Prinzip dasselbe wie in Beispiel 37, nur dass ich hier die Zieltonart Fis-Dur in Ges-Dur enharmonisch verwechselt habe:
Beispiel 38: Von C-Moll nach Ges-Dur mit dem Neapolitaner.
Dieses Beispiel zeigt, dass es nicht immer so einfach ist, eine "Systematik" der Modulationsarten aufzustellen und einzuhalten. Eigentlich bin ich immer noch bei den diatonischen Modulationen. Der Neapolitaner passt als Akkord in beide Tonarten insofern, als kein leitereigener Ton chromatisch verändert wird, um ihn herzustellen. In C-Moll gehört g - h - d zur (harmonischen) Molltonleiter. In Fis-Dur ist die Mollsubdominante h - d - fis. Dazu muss ich das leitereigene dis tiefalterieren, und um die kleine Sexte g zu erhalten, musste das gis auch noch verändert werden.
All dies wird aber eher nicht als "chromatische Modulation" betrachtet, sondern als (erweitert) diatonisch.
Bei Beispiel 38 habe ich aber den entscheidenden Akkord, h - d - g in ces - eses - ases enharmonisch umgedeutet - trotzdem denke ich, dass dies nicht unter die Rubrik "enharmonische Modulation" fällt.
Auf alle Fälle zeigt sich: wenn man ein Beispiel durch den Quintenzirkel übt, und sich irgendwann entscheiden muss, ob man jetzt noch in Doppelkreuzen oder lieber in Doppel-♭s denken möchte, ob man die Ausgangs- oder die Zieltonart enharmonisch umdenkt... das ist nicht mehr ganz einfach!
Damit sind die Kapitel zur diatonischen Modulation abgeschlossen. Jetzt wird es komplizierter, oder auch einfacher...