Modulation mit der Variante
Mit Hilfe der Variante zu modulieren gilt eigentlich als ein bisschen einfach, obwohl dieses Mittel auch von großen Komponisten eingesetzt wird. Statt der bisherigen Tonika kommt plötzlich nach einer Dominante die Mollvariante, und schon ist man statt in C-Dur in C-Moll. Die direkte Nachbarschaft von Dur- und Mollvariante gilt wirklich nicht als große Kunst, obwohl - unerwartet kann das sehr wirksam sein!
Im Grunde genommen ist eine Modulation eine Art Betrug: Der Hörer wird durch eine Abfolge von Akkorden geführt, und plötzlich, durch unerwartete Umdeutung, einfügen einer Sexte oder kleinen Septime, oder eben durch das Auftauchen eines Dur- statt eines Mollakkordes und umgekehrt, ist man ganz woanders, bekommt aber sofort vorgegaukelt, dass man sehr wohl zu Hause sei und es sich bequem machen solle. Probieren wir, den Betrug abzuwandeln!
Um die endlosen Möglichkeiten der Varianten anzudeuten, greife ich im Folgenden auf je eines der vorigen Beispiele zurück und wandele sie ab:
Beispiel 2 abgewandelt
Beispiel 25: Von C-Dur nach D-Moll, beginnend in der Oktavlage.
Beispiel 8 abgewandelt
Von
Beispiel 8 ausgehend kann man einen viel weiteren Weg einschlagen:
statt von C nach B-Dur geht es nach B-Moll.
Man muss im Vergleich zu Beispiel 8 natürlich
die anderen Vorzeichen (5 statt 2 ♭s) beachten - nach dem
Dominantseptakkord kommt in der einen Fassung ein G-Moll-Akkord, also ein Trugschluss zur
Tp der Zieltonart B-Dur, in der anderen Ges-Dur, der Trugschluss zum
tG in B-Moll. Salmen / Schneider sprechen hier vom
"Varianttrugschluss" oder "entlehntem Trugschluss".
Aber hoppla - ist das
noch direkt und diatonisch moduliert? Eigentlich ja, denn es gibt keinen
Zwischenschritt, der F-Dur-Akkord hat in beiden Tonarten eine Funktion, und es wird kein Ton
chromatisch verändert.
Beispiel 26 : Von C-Dur nach B-Moll, beginnend in der Oktavlage.
Beispiel 16 abgewandelt
Allerdings könnte man sich hier die Frage stellen, "was Variante und was Original" ist, also ob der im reinem Moll leitereigene E-Moll-Dreiklang, oder der im harmonischen Moll leitereigene E-Dur-Akkord... Abgeleitet von Beispiel 16:
Beispiel 27: Von A-Moll nach H-Dur, beginnend in der Oktavlage.
Beispiel 19 abgewandelt
Bei Beispiel 19 lande ich statt in G-Moll in G-Dur, wenn ich statt des Trugschlusses "D7 - Es-Dur", also zum Tonikagegenklang von G-Moll den "D7 - E-Moll" bringe. Damit habe ich die Tonikaparallele in G-Dur, und brauche nur noch zu kadenzieren.
Damit genug der Beispiele. Man kann alles Mögliche machen! Ich kann auch in A-Moll kurz G-Dur spielen, dominantisieren und einen Trugschluss nach As-Dur machen und in C-Moll kadenzieren - es ist alles eine Frage der Fantasie und des Willens.
Wobei Modulationen ja nur ein Mittel zum Zweck im Rahmen einer Form sind: der Hörer wird von A nach B transportiert und dann oft zurück, denn wenn es weiter nach C und D etc. geht, verliert man irgendwann die Spannung. Wenn ein Komponist das Formgefühl des Hörers überstrapaziert, läuft er Gefahr, ihn zu verlieren.
Modulation mit der Mollsubdominante
Die Mollsubdominante in einer Durtonart ist ein Akkord, der auch in Popsongs gerne mal gebracht wird, z.B. in "The voice within" von C. Aguilera oder "Wake me up when September ends" von Greenday (In beiden wird aber nicht mit der Mollsubdominante moduliert).
Da sie nicht wie die normale Subdominante nur eine, sondern vier Stellen im Quintenzirkel entfernt ist, eignet sie sich hervorragend, größere Strecken zu überbrücken. Die Grafik rechts verdeutlicht, dass die Mollsubdominante von C-Dur, der F-Moll-Dreiklang zum Bereich As-Dur / F-Moll mit 4 ♭s gehört.
Die Tonikaparallele von C-Dur (oder die Tonika von A-Moll), der A-Moll-Dreiklang, ist in E-Dur die Mollsubdominante. In dieser Tonart hat man vier Kreuze.
Machen wir uns also zuerst auf von C-Dur nach E-Dur, danach von C-Dur nach As-Dur. Die Versionen in den anderen Lagen spare ich mir hier.
Beispiel 29: Von C-Dur nach E-Dur.
Beispiel 30: Von C-Dur nach As-Dur.
Im folgenden Notenbeispiel habe ich zunächst über den A-Moll-Akkord nach E-Dur moduliert, mich dort eine Weile aufgehalten und dann denselben Dreiklang für den Rückweg genutzt.