Ein anderer Einstieg
Auf der vorhergehenden Seite gibt es einige Abschnitte darüber, wie man im Gitarrenunterricht Noten lernt, und Hinweise insbesondere zu den tiefen und den alterierten Tönen. Auf den Seiten zur Griffbrettkenntnis gibt es ebenfalls mehrere Kapitel mit Übungen, um eben diese Kenntnis von der Lage der Töne zu erwerben oder zu festigen.
Hier möchte ich versuchen, einen anderen Einstieg zu bieten. Nicht, indem man wie in den gängigen Gitarrenschulen anhand von Liedern nach und nach die Töne kennenlernt, sondern Saite für Saite, mit kleinen Übungen mit System. Diese Übungen spielst du eine Zeit und sagst dabei laut (das hilft mehr als leise im Kopf) die Notennamen.
Verschiedene Möglichkeiten für ein System
Statt mit der vorzeichenlosen C-Dur Tonleiter irgendwo auf der A-Saite zu beginnen, oder mit der tiefsten Saite ist mein Vorschlag Variante 3: es geht mit der hohen e-Saite los, und dann arbeiten wir uns nach unten. Du kannst die folgenden Abschnitte als Ergänzung zum Gitarrenlernbuch nutzen und dir auch einzelne Saiten gesondert anschauen.
Schlüssel und Noten
Nehmen wir uns noch mal kurz die Notenschrift an sich vor! Es gibt Notenlinien, auf denen die Noten in immer gleicher Reihenfolge stehen. Wo welche Note steht wird durch einen Notenschlüssel festgelegt. Die Noten heißen c-d-e-f-g-a-h-c, der Violinschlüssel legt fest, dass die Note g auf der zweiten Linie von unten liegt, und damit kann man alle anderen Noten abzählen. Genau das sollte man auch machen, bis man die Noten auswendig und flüssig lesen kann.
Noten und Halbtonschritte
In der Grafik sieht man einen roten Pfeil, der die g-Linie markiert, und über den Noten e-f und h-c ein Symbol dafür, dass sich zwischen diesen beiden Tönen ein Halbtonschritt befindet. Das bedeutet konkret auf der Gitarre, dass h - c und e - f auf direkt benachbarten Bünden auf einer Saite liegen, während zwischen den Tönen, die einen Ganztonschritt bilden, immer ein Bund frei bleibt.
Systematik
Auf jeder Saite kann man mit den Fingern der Greifhand drei Stammtöne
erreichen. Die leere Saite
ist dabei der tiefste Ton oder Ton 1, dann gibt es den mittleren Ton
oder Ton 2, und einen höchsten, Ton 3.
Da man hören kann, welcher Ton am tiefsten (immer die leere Saite) und welcher am höchsten
ist (immer der im Bund mit der höchsten Ordnungszahl) haben diese Bezeichnungen schon etwas mit
Musik zu tun. Sie dienen aber auch dazu, systematische Übungen zu entwickeln.
Fingersatzregel
Folge beim Spielen dieser Regel:
Töne im 1. Bund werden mit dem 1. Finger, Töne im 2. Bund mit dem 2. Finger usw. gegriffen.
Da der Daumen auf der Rückseite des Halses ist und nicht zum Greifen benutzt wird, ist der Zeigefinger der erste Finger, anders als beim Klavier. Gitarristen haben an der Greifhand also vier Finger.
Die hohe e-Saite
Übung 1
Dass das hohe e im obersten Zwischenraum der Notenlinien liegt, kann man abzählen. Die Töne 2 und 3 auf der e-Saite sind f und g. Das f ist im ersten Bund, weil e-f ja einer der beiden natürlichen Halbtonschritte ist, und das g liegt in Bund 3.
Spiele die drei Töne in Takt 1 der Notengrafik eine Weile vor dich hin. Spiele als nächstes mit Wiederholungen was in Takt 2 und 3 der Grafik steht: Ton "1-2-3-2 1-2-3-2... und 3-2-1-2 3-2-1-2....
Denke dabei nicht die Ziffern, sondern sage die Notennamen "e-f-g-f e-f-g-f..." beim Spielen laut!
Konzentriert bleiben
Indem du immer beim Spielen die Notennamen sagst, lernst du sie sofort. Ob du auf die Notenbeispiele starrst und dabei unentwegt "e,f,g,f..." denkst, oder ob du dich auf das Griffbrett konzentrierst und dabei denkst "Im dritten Bund ist das g..." - aber denke nicht an etwas anderes oder nichts!
Auf das Griffbrett konzentriert sein heißt nicht unbedingt, die ganze Zeit darauf zu schauen - das geht auch mit geschlossenen Augen und tasten!
Augen und Tastsinn
Der Mensch ist ein "Augentier" und möchte alles, was er mit dem Körper tut, mit den Augen kontrollieren (Ob ein Fußballer nur auf Ball und Fuß guckt, oder ob er den Kopf oben hat und die Möglichkeit eines Passes sieht, macht einen riesigen Unterschied!). Wenn du die Augen für das Lesen der Noten nutzt, nimmst du dadurch Informationen auf, und dein Körper gewöhnt sich unabhängig von der Augenkontrolle an die richtige Postition der Hände und der Finger auf Griffbrett und Saiten durch den Tastsinn!
Die h-Saite
Nur die drei Töne auf der e-Saite sind nicht spannend genug, um sich Inhalte, also Notennamen und die Position der Töne auf der Saite zu merken. Die Herausforderung muss etwas größer sein - aber nicht zu groß, sonst vergisst man sofort wieder alles. Also nehmen wir die zweite Saite hinzu.
Übung 2
Wie auf der e-Saite ist der Abstand zwischen dem tiefsten Ton der h-Saite zum zweiten, vom h zum c ein Halbtonschritt, also liegt das c in Bund 1 und wird mit dem Zeigefinger gegriffen. Da zwischen Stammtönen nie zwei Halbtonschritte aufeinander folgen, ist Ton 3, das d, in Bund 3.
Präge dir zunächst die Töne auf der h-Saite ein.
Spiele wieder wie auf der e-Saite die Tonfolgen in Takt 2 und 3 des Notenbeispiels, und sage dabei die Notennamen "h-c-d-c...".
Übung 3
Jetzt haben wir zwei Saiten zur Verfügung, und können etwas komplexere Übungen probieren, wie die Einsing-Übungen im Chor.
Du beginnst mit dem höchsten Ton der e-Saite und spielst von dort aus die Folge "Ton 3-2-1-2-3". Dann gehst du einen Ton tiefer und spielst von dort dieselbe Abfolge.
Nach dem
vierten Mal bist du schon beim h, also beim momentan tiefsten Ton
angelangt, und drehst die Sache jetzt um:
"Ton 1-2-3-2-1" von h aus, dann von c aus, und so weiter.
Vergiss nicht, dabei immer die Notennamen zu denken, oder besser zu sagen!
Übung 4
Es ist sehr aufwändig, Übung 4 in Worten zu beschreiben, ohne musikalische Fachbegriffe zu verwenden. Aber du siehst ja die Noten und kannst sie abspielen, was zeigt, wie adäquat die Notenschrift für Musik ist.
Die Übungen 3 und 4 fangen übrigens beide "oben" an, und gehen dann abwärts. Du musst, um die Noten nennen zu können, dabei die Stammtonreihe quasi abwärts denken, was erheblich schwieriger ist als aufwärts. Andererseits hast du so die Gewähr, dass du wirklich gründlich übst! Und in der zweiten Hälfte geht es dann ja bergauf...
Die kleine Übung 4 zeigt auch, wie einfach es ist, das Gehirn "auszuhebeln". In der Gitarrenschule lernst du nach Liedern, und wenn du das Lied kennst (oder nachdem du es kennengelernt hast), fängst du sehr bald an, auswendig zu spielen und hörst auf, dabei zu denken. Kleine Übungen, die relativ "konstruiert" wie diese hier sind, zwingen dich auf andere Weise, bei der Sache zu bleiben.
Die g-Saite
Die g-Saite ist ein Problemkind, jedenfalls im Zusammenhang mit der
h-Saite. Natürlich kann man auch
auf der g-Saite drei Stammtöne mit den vier Fingern erreichen, aber der dritte Ton ist dasselbe
h wie das der h-Saite. Während alle anderen Saitenpaare im
Abstand einer Quarte zu
einander stehen, liegt zwischen g- und h-Saite nur eine große Terz.
Das
ist aber keinesfalls schade, sondern genial, denn sonst wären alle Akkorde auf der Gitarre
unmöglich schwer zu greifen, sie wäre ein viel weniger nettes Instrument!
Übung 5
Zunächst die Übung für die drei Noten auf der g-Saite. Das a ist einen
Ganztonschritt vom g entfernt, wird also mit dem zweiten Finger
gegriffen, das h ist einen weiteren Ganztonschritt vom
a entfernt - hier kommt der kleine Finger zum Einsatz!
Es ist
natürlich sehr gut, sich dieses h auf der g-Saite gut zu merken, denn
es gibt viele Stellen, die bequemer zu spielen sind, wenn man nicht wegen dieser Note immer
auf die h-Saite wechseln muss.
Übung 6
Fünftonreihe
Auf g- und h-Saite kann man die ersten fünf Töne einer Durtonleiter spielen.
Mit dieser "Fünftonreihe" kannst du ganz viele einfache Volks- und
Kinderlieder nach Gehör spielen, wie "Kuckuck", "Summ, summ, summ" oder "Alle meine Entchen"
und "Morgen kommt der Weihnachtsmann" - nein, für die beiden letztgenannten brauchst du sechs
Töne (du kannst sie dennoch spielen - du brauchst als sechste Stufe das
e, und die e-Saite kennst du ja schon).
Zurück zu den nüchternen Übungen!
Übung 7
Spiele diese Übung in Gruppen von drei Noten nach dem Schema "Ton 1-2-3", einen Ton höher, dann dasselbe, und dann abwärts.
Übung 8
In den beiden Notenzeilen oben geht es über die drei Diskantsaiten, und das Schema kann man
beschreiben: "Ton 1-2, 5-4" einen Ton höher, dann dasselbe, und
abwärts "Ton 5-4, 1-2" und so weiter, bis zum Wiederholungszeichen.
Immer brav konsequent die Notennamen dabei sagen!
Übung 9
Die Zeile oben sieht wie eine Tonleiter aus, es ist aber keine "normale" Durtonleiter, dazu müsste der siebte Ton ein fis sein.
Du kannst diese Tonleiter trotzdem üben, man kann Stammtonreihen von jedem Ton aus spielen,
auch wenn sie komisch klingen, und man kann den richtigen Namen ("Mixolydisch") für die Skala
bei den Kirchentonarten
finden.
Du kannst vom
Ton g aus sogar gefahrlos "Alle Vögel sind schon da" spielen, denn in
diesem Lied kommt die siebte Stufe gar nicht vor!
Lesen üben
Um das erworbene Wissen von den Tönen der drei hohen Saiten zu festigen, folge diesem Link und mache ein paar Blattspielübungen. Auf der ersten Übungsseite sind den drei hohen Saiten zwar nur 6 Zeilen gewidmet; mehr gibt es dann im Zusammenhang mit den tiefen Saiten, um die es nun gehen soll.
Basssaiten
Die Töne auf den Basssaiten werden weniger gern gelernt.
Was für ein Fehler, was für eine Schande!
Im Ernst, wenn ich das mal sagen
darf: was wäre die Gitarre, was wäre ihre sonorer, voller Klang ohne die drei umsponnenen
Saiten? Haben die Beatles und die Stones den Siegeszug der Rockmusik mit Ukulelen gestartet? Hat
Jimi Hendrix beim Isle of Wight-Festival eine elektrische Mandoline angezündet? Beruht der
Charme des spanischen Flamenco auf Gitarren mit drei hohen Saiten?
Man muss sich
vielleicht mehr anstrengen, aber - ich bitte euch!
Um die tiefen Noten, besonders die auf den Hilfslinien, flüssig lesen zu lernen sollte man die Stammtonreihe c-d-e-f-g-a-h-c auch flott rückwärts können. Das ist bei sieben Notennamen wirklich machbar!
Dann muss man sich in den Notenlinien abwärts vortasten: g liegt auf der
zweiten Linie, f ist die Note unter g, also
liegt f im untersten Zwischenraum. Davor kommt das
e, das folglich auf der untersten Linie liegt.
Wenn man ohne lange
zu jammern immer wieder abwärts zählt, kann man die Dinger irgendwann auswendig, versprochen!
Die d-Saite
Die d-Saite kommt noch sehr harmlos daher, stehen ihre Töne im Notensystem doch noch innerhalb der fünf Linien. Aber so richtig viel mit ihr anfangen kann man nicht, denn mit den drei Tönen d,e und f kann man selten bekannte Melodien beginnen, es sei denn, man kennt sich gut mit baltischer, skandinavischer und slawischer Folklore aus. Wenn man schon die Kreuze durchgenommen hat, das fis also kennt, ist das natürlich anders. Aber machen wir uns wieder an sachliche Übungen:
Übung 10
Die Töne d, e, f klingen gleich anders als die drei Noten auf der g-Saite, weil sie einen an das Tongeschlecht Moll denken lassen, da das f die kleine Terz über d ist.
Übung 11
Hier siehst du die mollartige Fünftonreihe auf d- und g-Saite.
Übung 12
Diese Übung ist wie oben bei der g-Saite nach dem Schema "Ton 1-2-3", einen Ton höher, dann dasselbe, aufgebaut, allerdings eben in Moll. Spontan fallen einem nicht ein Dutzend Kinderlieder ein.
Übung 13
Übung 11 ist mal etwas ganz anderes! Du spielst Dreiklänge auf- und abwärts bis zur hohen
e-Saite, wobei D-Moll, E-Moll, F-Dur, G-Dur und A-Moll erklingen.
Die Töne der d-Saite
kommen dabei gar nicht so häufig vor, aber du darfst vieles wiederholen!
Übung 14
Selbstverständlich darfst du auch wieder Stammtonreihen von den Tönen der d-Saite aus spielen. Die Tonleiter auf d ohne Vorzeichen heißt "Dorisch", die auf e "Phrygisch", und die auf f wird "Lydisch" genannt.
Die A-Saite
Die A-Saite schreibe ich mit einem großen "A", denn der Ton ist tatsächlich das große A. (Falls mal jemand behauptet, das sei nicht so, ist demjenigen vielleicht nicht bewusst, dass die Gitarre im nach unten oktavierenden Violinschlüssel notiert wird - alle Töne sind eine Oktave tiefer, als sie aussehen.) Die leeren d-, g- und h-Saiten geben Töne der kleinen Oktave, und bei der hohen e-Saite müsste man eigentlich "e'-Saite" schreiben, weil der Ton zur eingestrichenen Oktave gehört. Das vernachlässige ich immer, aber das große A klein zu schreiben bringe ich nicht übers Herz.
Übung 15
Die Töne auf der A-Saite klingen wie die der d-Saite nach dem Beginn einer Mollskala.
Übung 16
Übe die Fünftonreihe auf A und sage dabei laut "A-H-c-d-e-d-c-H", damit du dich an die Namen gewöhnst.
Übung 17
Übung 17 ist aufgebaut wie Übung 3 auf h- und e-Saite, nur dass sie unten beginnt. Auch hier folgen die Töne auf einander ohne Sprünge, sodass das Nennen der Noten nicht so schwierig sein sollte.
Übung 18
Endlich gibt es Terzsprünge, du musst also etwas mehr überlegen.
Übung 19
Dreiklänge wie in Übung 13, es sind A-Moll, H vermindert, C-Dur, D-Moll und E-Moll.
Übung 20
Die Übung 20 bietet wieder drei Tonleitern auf Stammtönen, also Noten ohne Vorzeichen. Die Tonleiter auf a ist identisch mit reinem Moll; als Kirchentonleiter würde man "Äolisch" dazu sagen. Die Halbtonschritte liegen zwischen der 2. und 3. und der 5. und 6. Stufe.
Die Tonleiter auf c ist tatsächlich eine ganz normale Durtonleiter, also das, was man eigentlich als erstes lernen sollte. Die Halbtonschritte liegen zwischen den Stufen 3 und 4 und 7 und 8. Im Zusammenhang der Kirchentöne oder Modi kann man auch "Ionisch" dazu sagen.
Ganz merkwürdig klingt die Tonleiter auf h. Sie ist mollartig, aber viel mehr fällt auf, dass sie eine tiefe zweite und eine tiefe fünfte Stufe hat - dazu fällt einem nichts mehr ein, außer dass es den Namen "Lokrisch" dafür gibt.
Die tiefe E-Saite
Die Töne auf der tiefen E-Saite sind einfach unlesbar! Andererseits sind es auch nur noch drei mehr... aber da sie so schwer zu lernen sind, folgen hier besonders üble Übungen!
Übung 21
Die erste einfache Übung zu den Tönen der E-Saite. Die Stammtöne sind logischerweise die gleichen wie auf der hohen e-Saite.
Übung 22
Die Fünftonreihe auf der E-Saite beginnt mit einem Halbtonschritt, ist also weder Dur noch Moll. Mit einem fis als zweitem Ton wäre sie mollig, mit einem zusätzlichen gis als durig zu bezeichnen.
Übung 23
Hier darfst du in Terzen springen: "E-G, F-A,...".
Übung 24
Übung 24 ist eine systematische Folge, die ich oben geklaut habe. Sage immer schön laut die Notennamen beim Spielen! Falls du dabei schreien möchtest, oder um den Block laufen - wir alle haben das irgendwann gebraucht!
Übung 25
Auch Übung 25 nutzt eine Abfolge, die ich oben schon mal verwendet habe, nämlich in Übung 8.
Übung 26
Hier musst du Vierklänge oder Septakkorde auf- und abwärts spielen. Auch sie sind alle unterschiedlich aufgebaut, aber das ist hier nicht das Thema - hier möchte ich dich zwingen, mehrere Terzsprünge nacheinander machend die korrekten Notennamen zu nennen!
Übung 27
Zum Schluss wieder die Skalen von E bis e und zurück, usw. Phrygisch, Lydisch und Mixolydisch hatten wir alle schon.
Blattspiel
Noch mal die Einladung an dich zum Blattspiel: hier findest du PDF-Dateien mit sinnlosen Tonfolgen, die du, wenn du noch mehr Training brauchst, auch noch rückwärts oder taktweise senkrecht abspielen kannst. "Leseübung 1 - 4" sind den Stammtönen in der ersten Lage gewidmet, also dem, was auf dieser Seite besprochen wurde.