Da ich als Gitarrenlehrer kein Hirnforscher oder Psychologe bin, bekommen meine Schüler auf die
Frage, was üben eigentlich ist, von mir diese einfache Beschreibung:
Üben heißt, etwas so oft wiederholen, dass man selber eine Verbesserung bemerkt.
In diesem Satz enthalten sind folgende Aspekte:
Um wirklich zu üben, muss man das Gleiche mehrmals nacheinander tun. Ist der Zeitabstand
zwischen den Malen zu groß, nimmt das Gehirn nicht mehr wahr, dass es den gleichen Ablauf
gesteuert hat.
Das heißt umgekehrt: heute einmal durchspielen, und dann in zwei Tagen wieder, und dann noch
mal vor dem Unterricht ist kein üben. Das ist mehrmals durchspielen.
Der Abschnitt, den ich übe muss
kurz genug sein, damit das
Bewußtsein das Ganze überwachen kann, sonst spiele ich wieder nur etwas mehrmals durch.
Wenn es stimmt, dass das Gehirn Spaß am Denken hat, müsste üben mehr oder zumindest
anderen Spaß machen als gelegentliches durchspielen.
Diese Beschreibung ist aber so kurz und unwissenschaftlich, dass ich noch länger darüber
nachdenken möchte. Warum übt man überhaupt? Was für Dinge übt man? Ist üben etwas
grundsätzlich anderes als "Hausaufgaben machen"? Kann man autofahren üben? Übt man, wenn man ein
Computerspiel spielt?
Natürlich braucht man bestimmte Anlagen, um ein erfolgreicher Reckturner, Zeichner oder
Gitarrist zu werden, aber wenn diese grundsätzlich vorhanden sind, gibt es ein einfaches Rezept,
um sie zu entwickeln: üben. Die Kehrseite: wenn man es nicht macht, entwickelt sich nicht viel.
Man ist talentiert, das ist nett, aber das war's.
Wozu übt man?
Unser Körper tut viele Dinge, über die wir nicht mal nachdenken können. Unsere
Verdauung zum Beispiel funktioniert komplett autonom, es gibt Muskeln, über die wir keinerlei
Kontrolle haben.
Dann gibt es Dinge, die zum Glück ablaufen, ohne dass wir sie steuern müssen: atmen oder gehen
können wir ohne nachzudenken, beides aber kann man durch seine Gedanken beeinflussen.
Für viele Tätigkeiten braucht man das Gehirn, das ist offensichtlich. Rechnen oder lesen ist
relativ ungefährlich, ein Überholvorgang im Auto braucht immer eine Risikoabwägung und wird von
einem geübten Autofahrer vielleicht sicherer abgewickelt, aber - kann man überholen üben?
Routine
Autofahren an sich benötigt Übevorgänge, das weiß jeder, der sich an seine Fahrstunden erinnert,
an die Überwindung des Stresses beim Durchfahren einer Kurve, gleichzeitigem Beschleunigen und
Schalten, aber das alles wird bald zur Routine, das lernt man, übt es eine Weile, und dann sitzt
es. Die Hauptgefahren beim Fahren sind die Risikoabwägung bei Überholvorgängen und der Glaube,
man könne SMS schreiben und gleichzeitig weder sich noch andere in Lebensgefahr bringen.
Es gibt also Tätigkeiten, die man übt, in denen man aber Routine erwirbt, und die nicht so
anspruchsvoll sind, dass man dabei nicht andere Dinge tun oder sogar leichtsinnig werden kann.
Automatisieren von Abläufen
Aber wir Menschen tun auch Dinge, für die
der Arbeitsspeicher unseres Gehirns schlicht nicht ausreicht, die so komplex
sind, dass Abläufe teilautomatisiert werden müssen, wie beim Spielen eines
Musikinstrumentes. Und wir tun Dinge, die eine
besonders feine Abstimmung der Koordination benötigen, wie das Treffen eines
Säbelzahntigers mit dem Speer - wenn du daneben zielst, bist du tot - oder das Treffen eines
Basketballkorbes, oder das gekonnte Zeichnen von Karikaturen. Für solche Dinge üben wir, oft,
ohne uns dessen bewusst zu sein und vor allem ohne deswegen zu jammern.
Tatsächlich gibt es die These, dass sich das Hirnvolumen der ganz frühen Menschen vergrößert
hat, weil für Ziel- und Wurfvorgänge eine große Rechenleistung benötigt wird: Man wirft,
verfehlt das Ziel, und dann wertet das Hirn die kinästhetischen Rückmeldungen (Wie habe ich den
Arm bewegt, wie den Rumpf gebeugt, wann das Wurfobjekt losgelassen?) aus, um beim nächsten
Versuch besser zu treffen. Gute Jagdergebnisse sind arterhaltend, viele "Dreier" beim Basketball
erfreulich!
Überforderung des Gehirns
Ich behaupte: ein Musikinstrument zu spielen überfordert das Gehirn. Man muss eine hoch
komplexe Schrift beherrschen oder große Datenmengen auswendig parat haben, viele unabhängige,
teils gegenläufige Bewegungen oft schnell und in immer neuen Kombinationen durchführen, man soll
"schön" spielen, also laut oder leise, hart oder weich, beschleunigen oder verlangsamen, dabei
wissen, "wo" man gerade ist, also zielgerichtet spielen und damit das Stück sinnvoll
interpretieren. Man muss dazu hell wach und voll konzentriert sein. Insgesamt muss man
fast immer mehr leisten, als man aus dem Stand schaffen kann. Selbst wenn man sehr gut vom Blatt
spielt, wird man dabei ein Stück weniger interessant spielen, als wenn man es geübt hätte.
Anfängerstücke kann man fast kontrollieren
Nehmen wir als Beispiel einen Anfänger auf der Gitarre, der die Töne
g und a auf der g-Saite und das
h, die leere h-Saite spielen kann.
Wenn er schlau ist, und sich merken kann "zweimal kurzes g, dann ein
langes a, danach zwei kurze h und dann wieder
ein langes a, und also auf seine Greifhand schauen kann, um mit den
Augen zu kontrollieren, dass er das a richtig greift, kann es trotzdem
beim Wechsel von der h-Saite zurück zum a auf der g-Saite
entweder nur schauen, ob er das a trifft, oder ob die
Anschlagshand den Saitenwechsel korrekt hinbekommt. Beide Hände sehen geht nicht. Irgend etwas
muss geübt werden! Allerdings bemerken zumindest Kinder in diesem Stadium oft gar
nicht, dass sie schon etwas "geübt" haben - meistens bekommt eine der beiden Hände ihre Aufgabe
schnell hin, also kann man sich auf die andere konzentrieren.
Wenn man über den Stand von Liedern im
Fünftonraum auf der Gitarre hinaus
kommen möchte, sollte man bereit sein zu üben. Wie - dazu habe ich in den folgenden Abschnitten
und auf der Seite über Übekonzepte mehr
geschrieben.
Denken ist nicht von Materie abgekoppelt
Wenn ein Schüler die Aufgabe "3 + 5 =" löst, dann überlegt er. Wenn er den Aufsatz
"Mein schönstes Ferienerlebnis" schreiben muss, denkt er nach, plant, schreibt und
korrigiert er.
Beides legt die Vermutung nahe, dass man diese Art Aufgaben erledigen kann, weil man schlau ist,
weil man sein Gedächtnis durchforsten kann, planen und aufmerksam korrekt schreiben kann.
Diese Art, über sein Denken zu reflektieren legt nahe, dass das Denken ein immaterieller Vorgang
ist. Man tut es, aber man braucht keine Muskeln dazu, man muss einfach nur schlau sein.
Tatsächlich ist unser Gehirn vollgestopft mit Gehirnzellen, und zwar ziemlich vielen, und mit
Nervensträngen, die diese Zellen miteinander und mit den korrelierenden Stellen im Körper
verbinden. Wenn man häufig den Befehl "Zweiten Finger der Greifhand auf den zweiten Bund der
g-Saite!" gibt, werden bestimmte Areale im Gehirn aktiviert, Nervenverbindungen werden benutzt,
und dabei werden Synapsen eingefahren, diese Verbindungsstücke zwischen
Nervenbahnen, die bisher noch nicht miteinander verknüpft waren. Es gibt
physische Veränderungen, Denken hat mit Materie zu tun!
Üben komplizierter Stellen
Wenn man also eine komplexe Stelle in einem Musikstück übt, gibt das Gehirn viele Male
nacheinander die gleichen Befehle. Wenn man effektiv üben möchte, sollte man bemüht sein,
wirklich die gleichen, wenn es geht die richtigen Befehle zu geben. Nur so
werden bestimmte Verbindungen und
Synapsen
eingefahren.
Meine Lieblingsmetapher für das Einfahren der Synapsen ist das Spielen mehrerer Kinder auf einer
Rodelbahn. Wenn viele Kinder immer wieder mit ihrem Schlitten einen Hügel
herunter fahren, kristallisiert sich nach und nach eine optimale Bahn heraus, die durch
wiederholtes Befahren immer glatter und schneller wird. Aber es gibt natürlich die
Kollegen, die quer über die Bahn in Kurven schleudern, und die Spezialisten, die mit Macht ihre
Hacken in den Schnee stemmen und das sich bildende Eis wieder aufpflügen.
Unstrukturiertes Üben
Wenn man beim Üben immer wieder unterschiedliche Fingersätze nimmt, den Lagenwechsel an
verschiedenen Stellen macht, den Rhythmus nicht einhält, zu hastig spielt und damit stolpert und
stecken bleibt, bekommt das Gehirn immer wieder unterschiedliche Informationen und Lernangebote.
Die eine, richtige Version ist hier nur eine von vielen, und wenn man dann das Ergebnis
möglichst gut vorspielen möchte, weiß das Gehirn nicht, auf welche der gleichberechtigt geübten
Möglichkeiten es zurückgreifen soll. Der Gitarrist verspielt sich.
Dies passiert nicht, weil man zu unmusikalisch, ungeschickt oder allgemein zu wenig intelligent
ist, sondern weil nicht bestimmte Synapsen eingefahren wurden, sondern
verschiedene. Solange nicht eine Rodelbahn am besten eingefahren ist,
sodass die Schlitten quasi von alleine in diese beste Spur geraten, fährt man eben mal hier, mal
da.
Wenn man effektiv üben möchte, sollte man
mehrmals das Gleiche tun, und zwar immer auf die richtige Art und Weise,
außerdem "in kurzen Abständen" üben, also ohne tagelange Pausen,
kurze Abschnitte auswählen, damit das Gehirn bewußt dabeisein kann,
so langsam spielen, dass man den gerade beobachteten Aspekt (Fingersatz, Rhythmus,
Lagenwechsel) wirklich überwachen kann,
die Verbindungen zum vorherigen Abschnitt und zum folgenden mit berücksichtigen und
dann größere Zusammenhänge probieren, um den Erfolg des Übens zu genießen.
Auch wenn man gerade nur Zeit für einen kurzen Abschnitt hat, bringt das Üben
einer konkreten Stelle immer Fortschritte und es entspannt, einmal, weil man so das
schlechte Gewissen ("Jetzt komme ich heute wieder nicht dazu!") vermeidet, zum anderen, weil das
Gehirn gerne benutzt wird.
Die Schwierigkeit, sich aufzuraffen
Es dürfte bekannt sein, dass der Mensch nicht nur wißbegierig, intelligent, kreativ, dynamisch
und sportlich ist, sondern auch faul. Man muss sich ja erholen! Also entspannt und
zerstreut man sich.
Die Zeiten, als man dazu noch ins Theater oder ins Kino gehen musste sind vorbei. Die Anzahl der
verfügbaren Fernsehprogramme hat sich seit den Sechzigern geringfügig erhöht. Man hat nicht mehr
nur die Wahl, ob man in die Röhre gucken, oder am PC spielen will, oder an der hinzugekommenen
Spielkonsole - man greift in die Hosentasche und holt die elektronische Schiefertafel heraus und
hat die Zerstreuung jederzeit in der Hand. Wir müssen ihr nicht mehr hinterherlaufen - sie
verfolgt uns, nein, sie hat uns überholt wie der Igel den Hasen!
Da man ja ständig arbeitet oder zur Schule geht und somit voll gestresst ist, braucht man jede
Menge Entspannung, und die kann keinesfalls darin bestehen, dass man freiwillig etwas
selbst tut, wofür man sich geistig anstrengen muss. Die derzeit jungen Erwachsenen machen es
ihren Kindern vor, weil sie selbst inzwischen digital natives sind und diesen Status
nicht mehr kritisch hinterfragen.
Das klingt pessimistisch und deprimiert, und das soll es auch. Während wir Dystopien wie "Die
Tribute von Panem" oder "Der Circle" lesen (oder anschauen, lesen ist zu anstrengend), merken
wir nicht, dass wir selber in eine hineinrutschen. Sie ist weniger spektakulär, aber doch
bedrohlich. Wir regen uns über die schlechte Ausstattung der Schulen mit digitalen Medien auf
und merken dabei nicht, dass die Kinder immer schlechter lesen lernen. Basiskenntnisse, für die
man üben muss, werden immer weniger und langsamer erworben, weil wir alle viel zu gut mit
digitalen Medien ausgestattet sind!
Zeitprobleme
Alle behaupten ständig, sie haben keine Zeit. Ich setze dageben: Es gibt zwei Hauptprobleme mit
der Zeit:
Verplante Zeit - Zeit in Institutionen
Erstens ist die Entscheidung, Kinder mehr Zeit in Institutionen verbringen zu
lassen eine freie Entscheidung. Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Dekaden so
entwickelt, der Reichtum ist so verteilt, dass viele Leute gezwungen sind mehrere Jobs zu haben.
Andere machen es freiwillig, um davon Dinge zu bezahlen und Urlaubsreisen aufwändiger als früher
üblich zu gestalten. Also gehen die Kinder in die Ganztagsbetreuung.
Viele großartige Pläne waren verkündet worden, wie toll das alles sein kann, welche
qualifizierten Angebote es geben wird, wie mit Musikschulen und Sportvereinen kooperiert werden
wird - tatsächlich wird immer die billigste Variante gewählt, und die ist überraschender Weise
nicht immer die qualifizierteste. Um es vorsichtig auszudrücken: Zeit, die über den Unterricht
hinaus in den Schulen verbracht wird, ist nicht immer sinnvoll ausgefüllt.
Individuelle Projekte, wie etwa das Üben eines Instrumentes, sind so gut wie nicht mehr
möglich.
Tote Zeit
Das zweite Problem betrifft die "Randzeiten". Damit meine ich die Momente, in
denen man auf etwas wartet, und die Zeitspannen, in denen "es sich nicht mehr lohnt, etwas
Sinnvolles anzufangen".
Man kann immer, immer, immer etwas Aktives tun. Man kann sogar aktiv
nichts tun! Man kann träumen, sich entspannen, nachdenken, man kann die Akkorde von
"Blues for Alice" im Kopf in verschiedenen Tonarten durchgehen, um sich davon abzulenken, dass
der Zahnarzt gerade einen Zahn aufbohrt,
man kann sogar fünf Minuten Gitarre üben!
Derzeit ist die favorisierte Methode, "tote Zeit" zu verbringen, das Smartphone hervorzuholen
und damit etwas zu machen. Es scheint, niemand tut mehr etwas anderes. Unterwegs, in der
Öffentlichkeit, muss man das Gerät ja sogar beim Radfahren in der Hand halten, und welches Kind
rafft sich zu Hause auf, Gitarre zu üben, wenn es noch 10 Minuten hat, bis es zum
Fußballtraining muss?
Üben sollte man regelmäßig, und wenn es täglich nur ein bisschen ist, ist das besser als nichts.
Unsere Tage sind voll von "Randzeiten", hier mal eine halbe Stunde, dort zehn Minuten. Genau
dann könnte man üben.
Yogaübungen, die regelmäßig durchgeführt das körperliche Wohlbefinden beeinflussen, sind eine
uralte Kulturtechnik. Alle Klaviersonaten Beethovens auswendig spielen zu können ist eine
äußerst beeindruckende Gedächtnisleistung. Menschen, die solche Dinge tun und können haben dazu
beigetragen, dass die Welt aussieht, wie sie heute aussieht. Welchen kulturellen Beitrag wird
man in 200 Jahren Super Mario und Gameboy zuschreiben?
Übetipps
Tipps zum Üben gibt es die Menge, auch in Form dicker wissenschaftlicher Bücher. Aber ein paar
einfache, die den Fortschritt besonders fördern, möchte ich im Folgenden nennen.
Ort und Zeit zum Üben
Zwischen Piano und Regal kann die Tasche nicht umfallen, und das Kind hat die Gitarre schnell
zur Hand.
- Ein ausgepacktes, leicht zugängliches Instrument, das im
Gitarrenständer steht, in
einer Wandhalterung hängt oder zur Not in der offenen Tasche in einer Nische sicher angelehnt
ist, und ein aufgebauter Notenständer helfen enorm! Wer immer erst sein halbes
Zimmer aufräumen muss, hat (zu Recht) oft keine Lust, überhaupt anzufangen.
- Der Arbeitsplatz will gut ausgesucht sein! Nicht neben dem Fernseher, der
vielleicht sogar läuft. Die kleinen Geschwister in der Nähe helfen nicht unbedingt. Bis zu einem
gewissen Alter mögen es Kinder vielleicht, wenn jemand nebenbei zuhört, also Mama vielleicht
nebenan am Computer arbeitet, aber Achtung: Jugendliche brauchen
Privatsphäre. Sie wollen zu Hause nicht beobachtet werden oder gar vorspielen.
Wenn sie singen oder eigene Songs schreiben, sollte man sie in Ruhe lassen. Vielleicht
suchen sie die entfernteste Ecke des Hauses auf, um niemanden zu nerven - dies bitte
respektieren!
- Es ist viel effektiver, sieben mal die Woche ein bisschen zu üben, als
zweimal schrecklich lange.
- Es gibt einen besten Tag zum Üben: den Tag nach dem Unterricht. Dann weiß man
noch ungefähr, was besprochen wurde.
Richtig und strukturiert Üben
- Richtig zu spielen ist das Allerwichtigste. Unser Gehirn speichert alles,
auch Fehler. Beim "Einfahren" der Synapsen ist
der Denkapparat eher kritiklos: was oft wiederholt wird, soll offenbar funktionieren, also wird
diese Nervenverbindung gut geölt und geschmiert. Wenn man 50 Mal eine Stelle mit falschem
Fingersatz und Steckenbleiben gespielt hat, kann man sie hinterher sehr gut - mit falschem
Fingersatz und Steckenbleiben.
- Je eher man lernt, beim Üben das Material in
kleine Abschnitte einzuteilen, desto besser. Die ersten vier Takte von "Im
Märzen der Bauer" werden wiederholt, die zweiten sind dann anders, und die letzten 4 Takte
entsprechen wieder den ersten. Das nennt man eine A A B A - Form. Wenn ich das Stück
zehnmal komplett spiele, habe ich den A - Teil 30 Mal, den B - Teil aber nur zehnmal geübt. Kein
Wunder, dass ich dann diesen nicht so sicher beherrsche.
- Besonders komplizierte Stellen sollte man
langsam und oft wiederholen. Dafür braucht man Stellen, die einfach sind und
die so ähnlich schon oft vorkamen, kaum zu üben.
- Es gibt zwei besonders schwierige Takte? Man nehme den Takt davor und den
danach, um die Übergänge mit zu lernen, und übe langsam und mit Pausen.
Takt 14 - 17 aus der Bourrée der 3. Cellosuite von J. S. Bach. Mit vielen Wiederholungen üben,
dabei die (eingefügten) Pausen zur Entspannung am Schluss einhalten. Dann wird man nicht
hektisch.
- Fingersätze und Spielanweisungen erfahrener Herausgeber sind dazu da, benutzt
zu werden. Eine Art zu spielen, die schon vielen geholfen hat, die Töne vernünftig zum Klingen
zu bringen ohne hinterher zum Arzt zu müssen sollte man nicht verwerfen, bevor man sie gründlich
probiert hat. Mir fällt dazu immer das indianische Sprichwort "Verurteile niemanden, bevor du
nicht zwei Wochen in seinen Mokassins gegangen bist." ein, obwohl es sicher nicht für
Gitarrenfingersätze erfunden wurde.
Üben macht Spaß!
Wenn ich übe, genieße ich das Spiel auf dem Instrument, ich denke und überlege, ich wäge ab und
entscheide, ich beobachte meine Fortschritte, ich lerne auswendig, ich entspanne mich. Wer
zuviel Gegenteiliges beobachtet (Denken während des Übens? Entspannen? - ich bin immer total
verkrampft...), sollte überlegen, was er falsch macht. Vielleicht ist es nur die innere
Einstellung. Gitarrespielen mit Vokabeln lernen zu verwechseln ist natürlich problematisch...
Ein Instrument zu erlernen ist von vielen Mythen umgeben: Manche sind so begabt, dass sie
einfach alles können?! Toll ist es eigentlich nur, wenn man ein Stück richtig kann?! Beim
Vorspielen bin ich immer so nervös?! Der Weg ist das Ziel?! Das Ziel ist weg?!
Der Mensch hat ein Gehirn zum Denken, und während er übt ist er hoffentlich ganz bei sich. Die
entscheidende, in Science - Fiktion - Filmen immer wieder vernachlässigte Frage ist doch: Sind
Aliens uns ähnlich? Machen sie Musik, malen sie Bilder, schreiben sie Unterhaltungsliteratur?
SPIELEN sie?
Mit Erfolg lernen
Viele Menschen denken irgendwann "Gitarre spielen lernen, das wäre doch cool!", aber nicht alle
kommen so weit, wie sie sich vorgestellt hatten.
Tipps von mir dazu, was man machen kann, um wirklich erfolgreich Gitarre zu
lernen finden sich im vorigen Abschnitt, außerdem auf der Seite über
Übekonzepte, über das Lernen von
Noten, über
Griffbrettkenntnis und über
Blattspiel, und eine
vernünftige Haltung ist mir ja auch wichtig.
Hier möchte ich versuchen, Hinweise zu geben, wie man bei der Arbeit
mit einem Lehrbuch voran kommt und nicht gleich stecken bleibt.
Erst die Praxis, dann die Theorie!
Niemand bekommt zuerst alle nötigen Grundlagen der Musik erklärt, und dann wird gesagt "So,
jetzt fangen wir mit dem Instrument an." Man lernt nicht zuerst die Tonleiter, die
Notenschlüsssel, alle Notenwerte... nein, niemand erklärt die Musiktheorie, bevor es in die
Praxis geht. (Das stimmt nicht ganz. Zum Beispiel
"Die Gitarre - und Lautenschule der Jugend" von Walter Götze, vor dem 2. Weltkrieg
erschienen, enthält mehrere Seiten "Notwendige Kenntnisse aus der Musiklehre" bevor Instrument,
Haltung etc. erklärt werden.)
Ganz im Gegenteil: Der Unterricht beginnt gerne damit, dass man die Haltung des Instrumentes
erklärt bekommt, und dann fängt man irgendwie an, denn es soll ja möglichst
von Anfang an Spaß machen!
Es geht immer ziemlich unsystematisch los: man lernt einen Ton, oder einen Akkord, und eine
Anschlagsart, und dann den zweiten, und dann kann man schon mal zwischen zwei Dingen wechseln,
und dann kommt Ton drei - warum gerade der? Weil er im Lied vorkommt, nicht weil er ein System
komplettiert!
Das bedeutet keineswegs, dass der Lehrer oder das Buch kein Konzept verfolgen, sondern: das
Konzept besteht eher aus sinnvollen Fortschritten auf dem Instrument, als auf
einem systematischen Kennenlernen der Welt der Musik.
Oder doch Theorie für den Überblick?
Natürlich wäre es nicht schlecht und ein sehr viel rationaleres Vorgehen, würde
man zuerst die Seite im Buch suchen, welche die erklärten Noten als zusammenhängende Tonleiter
darstellt, Halb- und Ganztonschritte vorstellt und zumindest Teile der Musiklehre erläutert.
Oder zum Beispiel auf dieser Seite die Kapitel über
Grundlagen und
Tonleitern anschauen, und dann trotzdem
von vorne mit dem Erlernen des Instruments beginnen, aber immer wieder auf das erworbene Wissen
zurückgreifen.
Dann lernte man sozusagen unsystematisch, aber mit dem Hintergrundwissen, wie man die Dinge
einzuordnen hat. Dann verstünde man, warum der erste gegriffene Ton auf der g-Saite, das
a, im zweiten, der erste auf der h-Saite, das c,
im ersten Bund gegriffen wird.
Lernen mit einem Lehrbuch
Wenn man also einen Lehrer und ein festes Buch hat, an Hand dessen man ins Gitarrenspiel
eingeführt wird, lernt man die Töne in relativ unsystematischer Reihenfolge. Das beinhaltet die
Gefahr, Dinge zu vergessen.
Das gilt übrigens nicht nur für die Gitarre, sondern auch für andere Instrumente: man lernt die
Töne in einer Reihenfolge, die es bald möglich macht, "Schneck im Haus" und dann "Hänsel und
Gretel" oder "Go, tell Aunt Rhody" zu spielen, aber keine Tonleiter, und man vergisst Töne, wenn
man sich nicht aktiv darum kümmert. Welche Tricks kann man anwenden, um die Dinge zu behalten?
Die Tonerklärungen verzieren
Um sich das Buch "zu eigen" zu machen, es aktiv in Besitz zu nehmen, kann eine gute Idee sein,
die Stelle, wo eine neue Note erklärt wird, farblich zu markieren. Ein mit
Buntstiften selbst gemalter Rahmen hebt die Tonerklärung hervor, man sieht die entsprechenden
Stellen sofort beim Durchblättern.
Das "Lied für den Ton X"
Nachdem ein neuer Ton erklärt wurde, wird er natürlich in einem Stück vorkommen. Wenn man also
die Tonerklärungen gut kenntlich gemacht hat, kann man sich zu jedem erklärten Ton auch noch ein
spezielles "Tonerklärungsstück" aussuchen. Zum d gehört
"Höret die Drescher", zum e "Au clair de la lune". Die tiefen Töne
kommen gerne nur in zweiten Stimmen vor - da muss man vielleicht länger suchen, bis man ein
gutes "Erkennungsstück" findet. Man vergisst sie leichter, weil man sich Begleitstimmen nicht so
gut merken kann wie bekannte Melodien.
Ab und zu spielt man mal das Buch durch, aber nicht alle Lieder, sondern nur die
"Erkennungsstücke" für die Töne. So verbindet man die Noten mit festen Assoziationen.
Die Noten schreiben
Könnte man im Ernst lesen lernen, ohne selbst zu schreiben? Schreiben, abschreiben ist ja eine
Form des "Lernens durch Nachahmung". Also verschafft man sich
Notenpapier und schreibt die neue Note einige Male ab. Und
die, die man schon kannte auch noch einmal. Das schadet garantiert nicht.
Die Dinge beim Namen nennen.
Der Schüler spielt also sein Lied und singt dabei den Text mit, oder er klopft dabei den Takt
oder zählt die Zählzeiten - sinnvolle Dinge, durch die man Orientierung und rhythmische
Sicherheit erlangt. Man kann aber auch beim Spielen zur Abwechslung die
Notennamen laut sagen, oder das Instrument weglegen und die
Notennamen einfach so lesen, und zwar vorwärts und rückwärts.
Unsere Fähigkeit, zu sprechen und zu kommunizieren basiert darauf, dass wir wissen, wie Dinge
heißen. Stellen Sie sich vor, Sie gehen ins Ausland und müssen in einer fremden Sprache den
Führerschein machen. Wie viele Monate wollen Sie wirklich brauchen, um die Worte für "Gaspedal,
Rückspiegel, Fahrtrichtungsanzeiger und Kupplung" zu wissen? Man sollte Notenzeichen,
Notennamen und die Position dieser Note auf der Gitarre ruhig wichtig nehmen!
Die Notennamen laut zu sagen halte ich durchaus für wichtig. So, wie es für das Lernen
einer Fremdsprache vorteilhaft ist, laut zu lesen und zu sprechen, weil der Lernende seinen
eigenen Sprachklang wahrnimmt und mit dem von Muttersprachlern vergleichen kann, findet auch
beim Lernen von Noten eine doppelte Wahrnehmung statt, wenn man die Töne nicht nur "denkt".
Fingersatzregeln befolgen
Die Gitarre ist ein furchtbares Instrument: ziemlich bald muss man lernen, dass man Töne mal mit
diesem, dann mit einem anderen Finger greift. Das macht die Gitarre gleichzeitig zu einem tollen
Instrument: Intelligenz und die Fähigkeit, kreativ Probleme zu lösen werden enorm gefördert! Es
ist aber wichtig, sich am Anfang streng an die gegebenen Fingersätze zu halten!
Das c auf der h-Saite ist im ersten Bund und wird mit dem ersten Finger
gegriffen, während das a auf der g-Saite im zweiten Bund mit dem zweiten
Finger gedrückt wird. Wenn man dann noch das d im dritten Bund der
h-Saite gelernt hat, gilt es konsequent die richtige Zuordnung einzuhalten.
Wer sich in diesem Anfangsstadium angewöhnt, mit einem Finger hin- und herzurutschen, spielt
bald munter c und cis und
a und as durcheinander. Außerdem rutscht man
leicht zu weit, trifft statt des dritten Bundes den vierten, merkt das natürlich, und ist
schnell mit den Augen nur noch auf dem Griffbrett und schaut nicht mehr auf die Noten.
Den Tastsinn entwickeln
Natürlich kann man jetzt anfangen zu argumentieren, ob denn nach Noten zu spielen überhaupt
wünschenswert sei - aber das ist ein völlig anderes Thema!
Spielen zu können ohne dabei ständig auf das Griffbrett zu schauen ist ein Wert an sich: wenn
man übt, die Töne "blind" zu treffen, und sich vielleicht sogar ohne Hinschauen zu korrigieren,
entwickelt sich im Gehirn eine Art Landkarte des Gitarrengriffbretts, und der
Tastsinn kommt zu seinem Recht. Wir Menschen sind zwar "Augentiere", aber unsere
Fähigkeit, Dinge mit den Händen zu tun, zu erfühlen, zu ertasten sollte man auch nicht
unterschätzen!
Dinge wiederholen
Man begegnet der Gefahr des Vergessens am erfolgreichsten mit dem
Wiederholen von Gelerntem. So festigt man das Wissen, trainiert das Gedächtnis,
und kann überhaupt neue Dinge dem Gewussten hinzufügen. Also übt der Schüler in der Woche nicht
nur die aktuelle Hausaufgabe, sondern auch ein, zwei oder drei Stücke, die davor dran waren.
Wenn man dann auf eine Note stößt, die man unglücklicherweise vergessen hat, blättert man das
Buch durch, sucht die Tonerklärung, wiederholt das "Erkennungsstück" und geht zurück zum
aktuellen Lied.
Wissen verbinden
Irgendwann kommt man dann auch auf der Gitarre an den Punkt, an dem man sagen kann "Jetzt können
wir auch schon eine Tonleiter spielen - ach ja, das hatten wir gerade in der Schule."
Wissen aus dem schulischen Musikunterricht mit dem Instrumentalunterricht zusammen zu führen,
statt so zu tun, als habe eins mit dem anderen nichts zu tun, ist auf alle Fälle eine gute
Sache.
Die Schüler, die die
Stammtonreihe flott vorwärts und rückwärts aufsagen können, schreiben die guten
Musiktests, und sie lernen die tiefen Noten auf der Gitarre besser. Sie können "rückwärts
zählen" und brauchen so für viele Denkvorgänge weniger Zeit!
Zusammenfassung der Tipps
Male einen bunten Rahmen um die Erklärung jedes neuen Tones.
Suche dir ein "Erkennungsstück" zu jedem neuen Ton aus, das du besonders oft
wiederholst.
Schreibe Noten ab, sage dabei die Notennamen vor dich hin, stelle dir dabei den Griff
vor.
Sage (laut) ab und zu beim Spielen von Stücken die Notennamen.
Lese (laut) die Notennamen von Stücken ohne Gitarre, vorwärts und rückwärts.
Bei Liedern kannst du den Text mitsingen, du kannst sogar eine zweite Stimme spielen
und die erste dazu singen.
Übe beim Spielen laut zu zählen, gerade bei den einfachen Stücken, um Sicherheit zu
erlangen.
Benutze die richtigen Fingersätze, rutsche nicht mit einem Finger herum.
Schaue nicht immer auf das Griffbrett, spiele mit geschlossenen Augen -
entwickele deinen Tastsinn!
Übe nicht nur die aktuelle Hausaufgabe, sondern auch ältere Stücke, pflege ein
Repertoire.
Schlage vergessene Noten nach, das Lehrbuch ist auch ein Lexikon.
Schlage nicht gleich jede Note nach - du kannst sie auch abzählen, wenn du die
Stammtonreihe weißt!
Verbinde im Kopf den Gitarrenunterricht mit dem Musikunterricht in der Schule.
Übe die Stammtonreihe vorwärts und rückwärts aufzusagen und merke dir die Halbtonschritte.
Diese Tipps sind sehr einfach, und wenn man sie befolgt,
wird man sie bald nicht mehr brauchen. Wer die Noten gleich gründlich lernt,
braucht nichts nachzuschlagen. Musik ist eine Sprache, die man einfach irgendwann sprechen kann!
Lernen ohne Buch
Wenn man ohne Noten, ohne Buch, vielleicht mit Online-Kursen oder "how to play-Videos" lernt,
braucht man andere "Speichermedien". Vielleicht macht man sich Notizen, oder merkt sich einfach
alles, oder merkt sich die Dinge "anonym", will sagen: das a auf der
g-Saite heißt nicht so, sondern nur "3. Saite, 2. Bund". Man kann vielleicht einige von
den Tipps übertragen, vor allem, wenn man sich Notizen in irgendeiner Form macht, aber wenn man
diesen Weg geht, ist sicher das Repertoire an Stücken, die man beherrscht das zentrale Element.
Lernen nach Tabulatur
Wie heißt das Stück, welche Noten sind lang oder kurz?
Wenn man nach Tabulatur spielen lernt,
bleiben die Töne genauso namenlos, es sei denn, man versteht bereits etwas von Musiktheorie und
kann eine Tabulatur ad hoc im Kopf in Noten übertragen. Wenn man zum Beispiel Laute studiert und
dabei aus französischer, italienischer und deutscher Tabulatur spielt, außerdem auch noch
unterschiedliche Stimmungen wie
Renaissance- und
Barockstimmung
verwendet, sollte man sich die Musik schon vorstellen können, und ich bin sicher, dass die
Lautenisten der Vergangenheit, die komponiert und Stücke für Laute bearbeitet haben nicht in
"anonymen Griffbrettpunkten" gedacht haben, sondern in musikalischer Notation.
Wenn die erste Note ein c (ut) ist, muss es ein Bassschlüssel auf der
mittleren Linie sein... klar, da steht ja auch das "fa".
In der berühmten School of Musicke von Thomas Robinson, 1603 wird
nicht nur das Lautenspiel nach Tabulatur, sondern auch
Rules to instruct you to sing gelehrt, und zwar in Tabulatur für Gambe und Noten
geschrieben. Robinson stellt sich für seine als Dialog konzipierte Schule allerdings einen
erwachsenen Schüler vor, und erklärt dem dann auch zuerst die Schreibweise, die Notenwerte und
dann direkt Spieltechniken, die nicht lange im Bereich "Anfängerliteratur" bleiben - da gibt es
wenig pädagogische Aufbereitung, sondern es geht gleich zur Sache. Schließlich weiß der
Ritter, der bei Timotheus Unterricht nimmt was er will - wer würde da an seiner
Motivation zweifeln?
Üben - wieviel ist genug?
Das Üben zu Hause zwischen den Unterrichtsstunden ist ein permanenter Konfliktherd. Egal, ob es
um den Erstklässler geht, der immer wieder keine Lust hat, oder um den Erwachsenen, der mit
schlechtem Gewissen in die Unterrichtsstunde kommt, weil er nicht genug geübt hat, ständig wird
der Lernende bekrittelt, von wem auch immer, mit welchem Recht auch immer. In diesem
Zusammenhang sollte man vielleicht auch die Artikel über das
Einstiegsalter und den über die
Rolle der Eltern lesen.
Versuchen wir, uns an Mengenangaben heran zu tasten. Kunst kommt ja von Können, und nach meiner
Erfahrung hängen Erfolg und Spaß eng miteinander zusammen. Erfolg und Können werden durch Arbeit
erzeugt. Und - bitte sehr:
Arbeit ist etwas Positives! Nachdem ich diese Behauptung gesprerrt geschrieben habe, möchte ich noch hinzufügen, dass
Arbeit und Spiel nach meiner Meinung näher mit einander verwandt sind, als man oberflächlich
betrachtet meinen möchte: Klar, für das eine wird man (hoffentlich) bezahlt, und für das andere
muss man Vergnügungssteuer entrichten, aber beide eint, dass Gehirn und Körper aktiv sind, dass
der Mensch etwas mit seiner Zeit anfängt, statt tatenlos in der Gegend herum zu sitzen.
Untersuchen wir Aspekte der freiwilligen zusätzlichen Spiel-Arbeit:
1. Überlegung:
Regelmäßiges, tägliches Üben ist der beste Weg zum Erfolg. Das ist jedem klar, der sich zum
Beispiel mit Laufen fit hält: der Trainingseffekt ist immer höher, wenn man regelmäßig und ohne
allzu große Aussetz - Pausen läuft.
Aber nicht nur für die Muskeln, sondern auch für die grauen Zellen ist häufige Benutzung
der Trick, mehr und schneller zu speichern und zu lernen. Hieraus folgt die
1. Faustregel: Täglich ein bisschen ist besser als ab und zu ganz viel zu üben.
2. Überlegung:
Die konkrete Zeit, die man aufwenden sollte, hängt natürlich mit dem Stand zusammen, auf dem man
sich befindet. Wenn ein Anfänger zwei Stücklein auf hat, die zusammen 40 Sekunden dauern, wenn
man sie leidlich flott spielt, kann er sie in 5 Minuten je fünfmal spielen. Das ist in einer
Woche, also mit 7 multipliziert, schon eine ganze Menge.
Ein Schüler, der ein Stück auf hat, das aber mit Wiederholungen 2:30 dauert, kommt in 5
Minuten gerade zweimal durch. Anfangs geht das Stück aber noch nicht so glatt, und er muss sich
ja auch um schwierige Details kümmern.
2. Faustregel: die Übezeit wächst mit der Länge der Stücke, also mit den Fortschritten des
Schülers.
3. Überlegung:
Wenn man schon älter ist und mit mehr Nachdenken übt, wendet man unterschiedliche Taktiken an.
Wichtig finde ich z.B. ein Stück in kurze
Abschnitte einzuteilen und diese für
sich zu üben. Wiederholte und nicht wiederholte Teile sollte man "gerecht" behandeln. Sehr
schwierige Passagen hingegen wiederholt man oft, langsam und konzentriert, bei einfachen Stellen
genießt man, wie gut man schon spielt! Auf diese Weise verkürzt sich die Zeit, die man braucht,
um ein Stück gut zu können.
3. Faustregel: Qualität und Struktur des Übens verändern dessen Dauer, aber auch das
Zeitempfinden.
4. Überlegung:
Es ist sehr sinnvoll, sich irgendwann aktiv mit dem
Blattspiel auseinander zu setzen. Das
verlängert die Übezeit zwar schon wieder, zahlt sich auf Dauer aber aus: Wer gut vom Blatt
spielt, lernt den Notentext neuer Stücke schneller, erwirbt Routine und ist besser in der Lage,
mit anderen zu musizieren. Einige Übungsblätter dazu gibt es
hier.
4. Faustregel: Blattspiel zu trainieren kostet zunächst Zeit, bringt aber bald
Zeitgewinn!
5. Überlegung:
Man kommt nicht nur vom Fleck, indem man brav die aktuelle Hausaufgabe übt und dem Lehrer
vorspielt. Jede Woche etwas neues zu spielen ist fein, aber so setzen sich die Stücke nicht
genug. Man sollte sich frühzeitig angewöhnen, das Stück von der Woche davor, und das von der
Woche davor etc. auch durchzuspielen. Das bringt erstens Spaß, weil man die Sachen ja
(hoffentlich) gut kann, zweitens kann man sie dadurch nach einiger Zeit noch besser, und
drittens wird man dadurch viel sicherer. Und man hat immer ein kleines Repertoire, das man auch
vorspielen kann.
5. Faustregel: Wiederhole immer einige Stücke, die du kannst!
6. Überlegung:
Es war einmal eine Zeit, da hat man noch technische Übungen gespielt und sich ein- oder
warmgespielt... (und sie lebten unglücklich,
und wenn sie nicht gestorben sind tun sie das heute noch...) Dazu nutzt man Tonleitern, komische
Übungen für die Greifhand oder Zerlegungsstücke. Als ich Schüler und Student war, musste ich vor
dem Üben erst mal ein paar wilde Turnübungen machen, weil ich chronisch kalte Finger hatte.
Solcherlei dehnt die Übezeit schon wieder aus, macht sie aber effektiver.
Abgesehen von dem physischen Aufwärmeffekt gegen den schlappen Kreislauf dient aber das
konzentrierte, langsame, die Qualität beobachtende Spielen von Aufwärmübungen vor allem dazu,
das Gehirn mit den Fingern zu verbinden! Die Synapsen zu ölen, die seltener gebraucht werden,
hilft der Spielfähigkeit enorm. Wenn man einen schwierigen Sprung hat, bei dem der selten
genutzte kleine Finger treffen muss, klappt das besser, wenn dieser Finger kurze Zeit vorher
schon mal benutzt wurde.
6. Faustregel: eine Aufwärmroutine schadet nicht!
Beispiele:
Ein Anfänger, 8 Jahre alt, spielt also leichte Lieder, noch einstimmig und ohne
Vorzeichen, hat davon zwei zu üben auf, wiederholt die letzten vier immer mal wieder, liest
schon ein bisschen Blatt, indem er schon auf die nächste Seite schielt - der nette Mensch könnte
10 Minuten nach dem Zähneputzen abends die Saiten strapazieren und wäre sicher ein Zugpferd in
jeder Gruppe dieses Alters. Mit fünf täglichen Übeminuten würde er locker in der Gruppe
mitschwimmen.
Oder so: der Schüler ist brav, ehrgeizig, 12 Jahre alt, spielt leichte
Suitensätze, hat einen davon auf und versucht diesen zur nächsten Stunde in die Finger zu
kriegen, wiederholt täglich die drei Sätze, die er schon kann, hat ein paar Übungen zum
Aufwärmen und spielt gelegentlich Blatt in einem Heft, dass er zum Anschauen geliehen hat - dann
übt er vielleicht 30 Minuten täglich. Vielleicht hat er richtig viel Spaß daran, und
improvisiert noch ein bisschen oder singt aktuelle Hits nach - dann spielt er vielleicht eine
Stunde. Er wird nicht dümmer, er schadet der Umwelt nicht dramatisch - das ist doch gut?!
Eine 15jährige will es wirklich wissen, ist beim Wettbewerb "jugend musiziert"
angemeldet, überlegt, ob sie vielleicht etwas mit Musik beruflich machen möchte - die kommt
vielleicht mit den Hausaufgaben für die Schule ins Gehege, weil sie ja auch noch den
Theorieunterricht besucht, außerdem tanzt sie, und die Schule dauert an drei Tagen in der Woche
bis gegen vier.
Ich konnte nicht üben...
Den Schock meines Lebens bekamm ich dereinst auf einer Fortbildung, als eine Kollegin sich zu
Wort meldete und sinngemäß sagte: "Ich gehe mit null Erwartungen in den Unterricht. Ich gehe
davon aus, dass die Schüler überhaupt nicht geübt haben, und übe dann mit ihnen in der Stunde".
Das verfolgt mich heute noch, zumal es eine schlichte Tatsache ist: viele Schüler kommen
(teilweise mit sehr charmanten Entschuldigungen wie "Ich konnte nicht üben, weil, wir waren bei
Oma..." - "Wie, die ganze Woche?" - "Nein, Dienstag nachmittag um drei, aber...") in den
Unterricht, ohne das Instrument ausgepackt zu haben. Dann ist es wirklich keine gute Idee, ein
großes Lamento anzustimmen - da fange ich auch einfach an, mit den Kindern direkt zu üben -
besser im Unterricht als gar nicht! Aber - zufrieden bin ich damit nicht, dazu bin ich als
Lehrer zu ehrgeizig.
Philosophieren
Wenn man ein Instrument lernt, kann man das getrost als Anlass nehmen, ein bisschen über das
Leben an sich zu philosophieren! Kinder und Jugendliche haben oft große Probleme, Gitarre üben
und das Lernen der Lateinvokabeln als unterschiedliche Dinge zu sehen. Und wenn man denn zu dem
Schluss kommt, das sei doch eh dasselbe - na und?! Eben! Wir werden uns immer wieder nach dem
Sinn dessen fragen, was wir tun. Ist er uns zeitweise abhanden gekommen, muss man eben
gründlicher grübeln - Latein wird nicht dadurch zu Unsinn, dass man im zweiten Halbjahr der 8.
Klasse gerade auf 5 steht, und Unterhaltung im TV wird nicht automatisch sinnvoll, weil - ja,
weshalb könnte sie das überhaupt sein?!
Auf einem Musikinstrument ein Stück und sich und die eigenen Fähigkeiten zu üben ist so
vollkommen sinnfrei, dass man hier nur auf Friedrich Schiller verweisen kann, der in
"Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen" schrieb:
Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da
ganz Mensch, wo er spielt.
Also: nicht lange verhandeln, ob 5 Minuten mehr oder weniger, einfach üben. Es schadet nicht mal
dem häuslichen oder inneren Frieden!
Lernklippen
Lernen findet in Wellenbewegungen statt. Eine Zeit lang geht es steil bergauf, man macht
Fortschritte, dann müssen sich die Dinge setzen, und der Schüler bleibt eine Weile auf einem
"Plateau". Es geht nicht aufwärts, aber auch nicht abwärts - das Gelernte festigt sich.
Aber es gibt auch Lernklippen, schier unüberwindliche Schwierigkeiten, Inhalte, die einfach
nicht ins Gehirn wollen, Techniken, die undurchführbar scheinen. Kann man das erklären?
Kann man diese Hindernisse umfahren?
Mir kommt es in letzter Zeit so vor, als träten diese Blockaden immer häufiger, in immer
kürzeren Abständen auf. Versuchen wir, ein paar der offensichtlich "echten" Klippen zu benennen:
Echte Etappenziele
Die Töne auf den
tiefen Saiten sind
schwierig zu lesen und zu behalten.
Die Versetzungszeichen sind
besonders für junge Schüler schwer zu verstehen.
Gegriffene Basstöne
erschweren das zweistimmige Spiel deutlich.
Akkordzerlegungen sind besonders
schwierig, wenn man mit angelegtem Anschlag begonnen hat.
All diese Themen sind Etappenziele, bei denen der Lehrer auf Schwierigkeiten gefasst sein
sollte, denn sie beinhalten etwas wirklich Neues.
Das gehäufte Auftreten von zusätzlichen Staus auf der Lernautobahn, das ich in vielen
Unterrichtsgruppen beobachte, hat für mich immer wieder ähnliche Ursachen. Hier einige der
Fallen, in denen die Gruppen hängen bleiben:
Unnötige Lernklippen
Wenn die ersten Noten auf der A-Saite kommen, sind plötzlich höhere Töne nicht mehr abrufbar.
Nachdem das ♯ halbwegs verstanden wurde, hört bei der Erklärung des
♭ niemand mehr zu.
Wenn man als zweites den Wechselschlag erklärt hat, behaupten alle, den Daumenschlag nicht
mehr zu beherrschen und umgekehrt.
Die Handhaltung, die beim zweistimmigen Spiel gekonnt sein sollte, wird nicht beherrscht.
Finger oder Daumen werden unter die Saiten
geklemmt oder auf der Decke
abgelegt.
Gegriffene Basstöne werden immer sofort losgelassen, die Noten sind völlig unbekannt, auch
wenn sie in der Zeile davor gerade gespielt wurden.
Die Liste lässt sich bei längerem Grübeln quasi beliebig erweitern: jede neu zu erlernende Note,
Technik, musikalische Angelegenheit passt einfach nicht mehr auf die Festplatte; man befindet
sich nicht auf einem Plateau, sondern auf einer schiefen Ebene, die, wie mit Schmierseife
behandelt, unweigerlich nach unten führt. Das Erreichen von Lernzielen, Fortschritten, das
Abhaken im Sinne von "So, das haben sie jetzt mal drauf!" scheint nicht mehr möglich zu sein.
Mögliche Ursachen
Ich vermute, dass immer wieder der Grund für die Blockaden "zu wenig üben" ist,
beziehungsweise eine zu geringe Übefrequenz. Wenn ich Dinge in mein
Langzeitgedächtnis schaffen will, muss ich sie einüben und eine Weile in ausreichend kurzen
Abständen wiederholen. Die dritte Fremdsprache in der Schule wird in der Regel weniger gut
gelernt, weil man sie nicht viermal in der Woche "hat", sondern nur in großen Abständen. Würde
man sich häufiger in der Woche damit beschäftigen, hätte man wahrscheinlich mehr Erfolg.
Beispiele
Die leere d-Saite wird in der populären Gitarrenschule, die ich häufig verwende, als vierter Ton
eingeführt. Mit d und g lassen sich Melodien aus
den Tönen g, a, h auf einer zweiten Gitarre begleiten. Der Ton kommt
also früh, wird unendlich oft gespielt, aber sobald beim zweistimmigen Spiel auf einer Gitarre
neben den tiefen A- und E-Saiten ein d auftaucht, fragen alle: "Wie
heißt nochmal die Note?".
Das gegriffene e auf der d-Saite kommt später an die Reihe, als siebte
Note, und wird zunächst nur in einer zweiten Stimme gebraucht. Dieser Ton wird später, vor allem
neben dem leeren d und dem f im dritten Bund der
d-Saite gar nicht mehr gekonnt, beziehungsweise ständig mit diesen verwechselt. Auch der
Hinweis, dass die eine Note tiefer aussieht als die andere, also im
tieferen Bund sein muss,
bringt kaum etwas - Apelle an Logik sind in solchen Situationen fehl am Platz.
Diese Beispiele deuten darauf hin, dass die Dinge nicht wirklich im Langzeitgedächtnis gelandet
sind. Das sehr einfach zu spielende leere d wurde vielleicht nicht ernst
genug genommen, und e und f erschienen in
Zusammenhängen, die irgendwie nicht so interessant waren. Das hat nichts damit zu tun, dass der
lernende Mensch zu ungeschickt ist, sondern eher mit Oberflächlichkeit beim Lernen.
Was aber kann man tun?
Zaubern
Zaubern geht bekanntlich nicht wirklich, und der Lehrer kann auch nicht für die Schüler üben.
Ich weiß von keinem Wundermittel, außer dem bekannten "Du musst mehr..."
Aber man muss nicht einfach mehr üben, man muss irgendwie anders üben!
Häufiger kurze Zeit zu üben, bringt mehr als einmal in der Woche ganz lange.
Wenn man schon mal dabei ist, sollte man auch konzentriert sein. Mit den Gedanken bei
dem, was man tut, nicht schon bei der nächsten Aktivität.
Auch wenn alle Menschen sich in letzter Zeit permanent ablenken, sehr häufig mit
Musik auf den Kopfhörern (Wozu sollte man auch auf den Verkehr hören, oder auf das
Rauschen des Meeres, wenn man dort spazierengeht?): Ist das denn gut, vor allem wenn man
versucht, etwas zu lernen?
Mit allen Kanälen üben:
Die Noten lesen, dabei die Notennamen denken oder sagen.
Sich klar machen: "So sieht also ein d und so ein
e aus! Da wird der Ton gegriffen!"
Die verschiedenen Töne anhören - der ist höher, der andere tiefer (Seine Schwingungszahl in
Hertz ist höher).
Den Text eines Liedes mitsingen.
Komplizierte Bewegungen anschauen - je bewusster man übt, desto besser prägen sich die
Inhalte ein.
Unbedingt richtig spielen! Du bist der einzige Lehrer deines Gehirns! Du
sagst dir vor: "So und nicht anders ist das." Diese Information wird abgespeichert. Wenn du
eine Stelle einmal so, einmal so spielst, hast du deinem Gehirn keine klaren Inhalte angeboten
- wie soll es da etwas lernen?
Immer wieder: wiederholen. Alles, was auf meine Festplatte soll, muss ich mir mehrmals
erklären, sonst bleibt es nicht. Unser Gehirn ist nicht elektromagnetisch, aber viel besser.
Man muss es aber gut behandeln!
Wenn man nur wenige dieser Strategien anwendet, oder gar keine, dann werden die Klippen immer
häufiger auftreten und immer unüberwindlicher werden. Gitarre spielen lernen ist nicht so
einfach. Man lernt besser, wenn man viel dabei lacht, aber eine ernsthafte Einstellung dazu wäre
richtig.
Lesetipps:
Immer noch:
Frederic Vester: Denken, Lernen, Vergessen, dtv (mit dem Untertitel "Was geht in
unserem Kopf vor, wie lernt das Gehirn, und wann lässt es uns im Stich?")
Sehr fachspezifisch, mit vielen sehr guten verrückten Ideen:
Gerhard Mantel, Einfach üben, Schott (185 unübliche Überezepte - schon der
Untertitel ist für Puristen eine Frechheit). Ein tolles Buch, auch noch beim dritten Lesen!
Leicht esoterisch, aber immer wieder spannend, wenn man mal einen anderen Blickwinkel als
unseren westlichen sucht:
Eugen Herrigel, Zen in der Kunst des Bogenschiessens, Otto Wilhelm Barth Verlag
(eigentlich ein Buch über Philosophie, aber eben am Thema des Übens einer japanischen Kunst).
Eine sehr komprimierte Zusammenfassung für das praktische Nacharbeiten und Üben:
Hermann Grabner, Die wichtigsten Regeln des funktionellen Tonsatzes, Kistner & Siegel
Verlag, Leipzig, nur noch antiquarisch erhältlich.
Das bekannte und lesenswerte Werk
Diether de la Motte, Harmonielehre, Bärenreiter 1976, in dem der Autor eben nicht
eine Harmonielehre schreibt, sondern davon ausgeht, dass jede deutlich abzugrenzende
Epoche ihre eigene Harmonielehre braucht. Also schreibt er zu neun "unterschiedlichen
musikgeschichtlichen Situationen" differenzierte Harmonielehren.
Lieblingszitat
Mein
Lieblingszitat zum Üben stammt aus dem Vorwort eines Buches mit einem
Übungsprogramm für Jazzgitarristen,
"Super Chops" von Howard Roberts, Cherry Lane Music Company. Das Buch ist nicht
mehr im Druck, aber es gibt eine
Webseite.
...Beginning violin studies are made up of seemingly endless exercises of steady uninterrupted
eighth-notes, sixteenth-notes, or triplets, etc., which the student practices faithfully every
day. Great care is taken to make each note sound perfect. It is through these disciplined and
uninterrupted practice regimens that great technique is acquired.
In general, those who do it, get it, and those who don't, don't.
...Anfangsübungen für Violine bestehen aus scheinbar endlosen Etüden von ununterbrochenen
regelmäßigen Achtel-, Sechzehntel- oder Triolenketten etc., die der Schüler getreu jeden Tag
übt. Große Sorgfalt wird darauf verwendet, jede Note perfekt klingen zu lassen. Durch genau
diese disziplinierten und ununterbrochenen Übungs-Kuren erwirbt man eine großartige Technik.
Allgemein formuliert: die, die's machen kriegens drauf, und die, die's nicht machen
nicht.
Und:
...Read the instructions carefully. Follow the directions.
Do the work and it will work for you too.
...Lies die Arbeitsanweisungen sorgfältig. Befolge die Anweisungen.
Mache die Arbeit, und sie wird sich für dich auswirken.
Üben in der Corona-Zwangspause
16. März 2020: heute morgen entscheidet der Landkreis Oldenburg, dass der Unterrichtsbetrieb der
Musikschule (wie auch an allen umliegenden öffentlichen Musikschulen) bis auf Weiteres
eingestellt wird. Für die allgemeinbildenen Schulen war diese Entscheidung schon Ende der
vorigen Woche getroffen worden, ebenso für Sportvereine, Volkshochschulkurse etc.
Hausaufgaben
Als Gitarrenlehrer kann ich nicht "online" Hausaufgaben geben. Ich müsste ja, bevor es etwas
Neues gibt, kontrollieren, wie das letzte Stück bewältigt wurde. Es ist also nicht sinnvoll, wie
in der Schule Aufgaben per Mail zu stellen.
Aber man kann natürlich trotzdem etwas tun, in den Ferien und auch in diesen erzwungenen
"Ferien":
Stücke zu üben, die man in der Gruppe noch nicht durchgenommen hat, ist vielleicht weniger
sinnvoll, schließlich will man die Gruppe nicht sprengen.
Die Gruppe einholen
Ich erzähle dazu meinen Schülern immer gerne diese tatsächliche Geschichte: Ein Mädchen
war aus einem privaten Einzelunterricht in eine meiner Gruppen gewechselt, und - das ist relativ
häufig so - kam einfach nicht auf den Stand der Gruppe. Sie hatte etwas aufzuholen, das war auch
mit ihr und den Eltern besprochen, aber sie blieb immer brav etwas hinter den anderen zurück,
und zwar nicht ein paar Wochen, sondern ein gutes halbes Jahr lang.
Dann gab es Osterferien, und danach konnte sie plötzlich alle Stücke besser als die
"Stammmitglieder" der Gruppe.
"Was hast du gemacht? Was ist passiert?", waren natürlich meine Fragen. "Och, mir war so
langweilig, da habe ich einfach das Heft immer wieder von vorne durchgespielt."
Ja, das ist es: einfach mit angeschaltetem Gehirn ein bisschen vor sich hin spielen. Computer-
oder Handyspiele werden nämlich irgendwann doof. Unser Gehirn möchte benutzt werden, etwas zu
lernen macht glücklich! Auch und gerade jetzt!
Mp3-Dateien zum Mitspielen
Gitarrenlehrers Homeoffice
Damit meine SchülerInnen doch etwas Konkretes während dieser Zwangspause zu tun haben, habe ich
Mitspiel-Dateien aufgenommen. Erst mit dem Smartphone, was praktisch ist und eine ganz gute
Tonqualität gibt, aber dann habe ich nach einer Rückmeldung doch mein kleines Mischpult und die
Mikros an den Computer angeschlossen und erste und zweite Gitarrenstimme jedes Stücks
aufgenommen, und danach eine Aufnahme ohne erste Gitarre generiert, sodass die Schüler echt das
Zusammenspiel trainieren können.
Schwierigkeiten beim Zusammenspiel
Mit einer Aufnahme zu üben ist nicht so einfach. Auch für mich selbst war es
Konzentrationssache, zweite Stimmen mit einem unsichtbaren Partner aufzunehmen, oder gar
vierstimmige Kanons einigermaßen präzise zusammen zu bekommen. Ich habe mich aber nicht lange
mit kleinen Ungenauigkeiten und Nebengeräuschen aufgehalten, schließlich wollte ich in wenigen
Tagen an alle "ausliefern".
Die halbe Note im ersten Takt auf Zwei und die letzte Note im zweiten
Takt werden oft zu kurz gespielt. Wenn man übt, dabei zu zählen klappt es!
Lange Noten
Die größte Schwierigkeit vor allem für jüngere Gitarristen sind lange Noten. Am
Ende der Zeile kommt eine Halbe Note, und fast alle spielen nach einer Viertel (oder noch
schneller) weiter. Deshalb war es wichtig - das habe ich ja schnell eingesehen - Aufnahmen mit
beiden Stimmen zu machen. Aber wie kann man das üben?
Ich möchte hier gerne ein paar Abschnitte verlinken, die ich schon vor längerer Zeit gemacht
habe: Zählen beim Spielen
sollte man unbedingt üben! Wenn man es einmal trainiert hat, kann man es, so wie
schwimmen und Rad fahren. Und wenn man bei einer Stelle immer wieder zu schnell weiter
spielt, muss man trainieren, dabei "eins, zwei, drei, vier" zu sagen, dann klappt es irgendwann.
Mit dem Fuß den Takt zu
klopfen hat das gleiche
Ziel, wobei man bei Popmusik, Jazz, Rock, Blues etc. mit dem Fuß besser klar kommt als mit
zählen.
Ein Abschnitt meiner Seite sah für mich so albern aus, dass ich einen Freund fragte, ob das
nicht zu komisch sei. Aber ich stehe dazu: diese
Übungen mit Hand und Fuß kann
jeder machen, die ersten sind extrem einfach, die letzten aber nicht ohne, und ich glaube, sie
sind nützlich.
In eine ähnliche Richtung zielen diese
Bodypercussion - Ideen.
Auch sie sollen helfen, dein Rhythmusgefühl zu verbessern. Mache sie mit deinen Eltern zusammen
- das gibt garantiert etwas zu lachen! Wahrscheinlich lernst du schneller als Erwachsene - ich
bin da auch ziemlich langsam.
Der Vorzähler
Vor den Stücken kommt immer einer Serie Klopftöne zum Vorzählen. Beim Viervierteltakt vier
Viertel, und dann noch zwei Halbe. Dann geht es los. Beim Dreivierteltakt natürlich drei
Viertel, und eine punktierte Halbe. Da muss man natürlich mitzählen und sich konzentrieren.
Überhaupt sollte man IMMER vor einem Stück vorzählen, solange man noch keine ganz klare
Vorstellung hat, wie das Stück geht. Durch das Vorzählen kommt man in das Stück hinein, und man
macht garantiert weniger Rhythmusfehler!
Auftakt
Bei einem Auftakt muss man
entsprechend früher anfangen. "Freude, schöner Götterfunken" beginnt auf
Eins, also ohne Auftakt, aber "Der Kuckuck und der Esel" beginnt auf der
vierten Zählzeit. Hier muss man also beim Vorzähler die vier Viertel anhören, dann die beiden
Halben, aber nach der zweiten auf Vier direkt anfangen.
Man muss also, wenn man zu einer Aufnahme spielen will, in die Noten schauen und überlegen, was
Sache ist. Natürlich kann man die Aufnahme auch so oft anhören, bis man nach Gehör mitspielen
kann, wenn man so gestrickt ist, aber auf jeden Fall ist Musik eine Kunst, die das Gehirn
fordert, und das ist gerade in Zeiten möglicher Langeweile eine gute Sache!